Hofspielhaus Jugend ohne Gott nach Ödön von Horváth


 

Ein Projekt

Die Förderung von Jugend im Theater stand im Mittelpunkt von „Jugend ohne Gott“ nach Ödön von Horváth. Die Schauspieler Lucie Mackert und Sebastian Hofmüller erarbeiteten gemeinsam mit dem Jugendclub des Hofspielhaus eine Aufführung.

Nach dem Roman von Horvath, in dem eine Jugendgruppe während der NS-Zeit in einem militärischen Trainingslager u.a. Erfahrungen mit Diebstahl und Mord macht, wurde die Handlung übernommen und der Text zusammengestellt, mit einigen Originaldialogen, allerdings auch vielen der aktuellen Ideologie angepassten Einfügungen. Zeitgenössische Arbeitsweise in Gruppendynamik umgesetzt, auf das allgemeine moralische Fazit konzentriert. Mit schwarzen Sweatshirts mit ebensolchen Kapuzen drängten die Jugendlichen auf und über die Bühne. Von der Prügelei auf eine schwache Mitschülerin bis zum korrekten Abzählen der Schüler praktizierten sie Alltagsrituale. Dazwischen der Lehrer (Max Illich), welchem das Schauspiel um Autorität und Persönlichkeit gelang, und der schließlich durch Erkenntnis gereift, doch geächtet das Spielfeld verlassen musste. Während die im Gleichschritt auf der Bühne und im gedanklichen Ansatz von Gehorsam und Konformität geprägten Jugendlichen eine ebensolche moralisch fragwürdige Ausrichtung umsetzten, die in den diskriminierenden Schlusssätzen gipfelte. So entstand eine in sich geschlossene Aufführung, die erfolgreich für und im familiären Kreis umgesetzt wurde.

Die Zeit und die Gesellschaft, die ihr zugrunde liegenden Prinzipien ändern die Menschen. Doch wie viel Erbgut trägt der Nachkomme in sich und wie geht er damit um? Jugendtheater bietet für diese Frage den angemessenen Rahmen.

C.M.Meier

 


Jugemd ohne Gott

nch Ödön von Horváth

Mara Babic, Annika Bachl, Martha Baer, Antonia Bayrhof, Nadine Grießmeyer, Max Illich, Gregor Kretschmer, Hannes Linder, Anni Pfitzner, Alexander Prinz, Fiona Rauscher, Laetitia Rousselot, Anna Schweinstetter, Lu Schulze, Vincent Tandler

Regie: Lucie Mackert, Sebastian Hofmüller

Hofspielhaus Rosenkranz und Güldenstern sind tot von Tom Stoppard


 

Blick in die Gegenwart

Richtungswechsel im Hofspielhaus, so könnte die Überschrift zur Besprechung des Theaterstückes „Rosenkranz und Güldenstern sind tot“ von Tom Stoppard ebenfalls lauten. Denn ganz wie im Stück probiert und angespielt - „Wo ist Süden?“ - wurden auch die Bühne und die Zuschauerreihen in eine andere neue Ordnung aufgestellt. Zeitgemäß. Sind doch längst alle in der Gesellschaft permanent dabei nach neuen Möglichkeiten, Bildern, Vorstellungen und/oder Spielregeln zu suchen. Absurd. Keineswegs, gilt es doch der Langeweile ein Schnippchen zu schlagen und der hochgepriesenen Kreativität zu huldigen. Unter anderem natürlich, unter anderem … denn was ist schon wirklich oder gar optimal?

Das Theaterstück folgte den, ihm eigenen Elementen. Die Ausrichtung zwischen Darsteller und Publikum blieb unverändert, wie seit Jahrtausenden gepflegt und ob der Platzierung der Augen im Kopf des Menschen unabänderlich. Und doch kann man sagen, die neue Perspektive bot neue Einblicke. „Kaviar für’s Volk.“, hieß es einer Stelle im Text.

Die Geschichte von Hamlet, Prinz von Dänemark, ist wohlbekannt. Das Theaterstück von Tom Stoppard ist eine Tragikomödie - mit dem Happy End des Todes. Wie mit einem roten Faden verbunden, zieht sie die an den Fäden des Charakters hängenden Marionetten ins Licht. Der Schriftsteller knüpft an den beiden Freunden Hamlets an und rückt sie aus dem Abseits in den Fokus der Aufmerksamkeit. Dominik Wilgenbus inszenierte dieses Werk mit inspiriertem Verve und gebildetem Weitblick. Sein Schwerpunkt lag auf den Wortspielen und Auseinandersetzungen zwischen den Protagonisten, ohne den Faden der Geschichte zu verlieren. Besonders wurde darauf geachtet, dass bei allem Spiel die Wichtigkeit im Tun unverkennbar war. Mit ihr brillierte das Ensemble, ganz dem Zeitgeist entsprechend. „Total irre normal.“

Naivität, jugendlicher Leichtsinn und künstlerischer Spieltrieb zeichneten die darstellerische Umsetzung durch die Schauspieler darüber hinaus aus. Von stets erheiternder Lebendigkeit gezeichnet, vollführten Rosenkranz (Niels Kaunick) und Güldenstern (Max Beier), bzw. Güldenstern und Rosenkranz einen verbalen Tanz um die Wichtigkeiten im Leben. Immer wieder spielten sie einander die Namen zu, tauschten die Rollen und suchten Verwirrung, Verirrung zu stiften. Absurd. Keineswegs, denn es ist bereits wissenschaftlich erwiesen, dass im Einzelnen mehrere Rollen schlummern, die wahlweise zum Einsatz kommen. Da wurde von schauspielerischem Talent noch gar nicht gesprochen, und über ein geradezu wundervolles Maß davon verfügten die drei Darsteller. Jeder auf seine Weise und doch im Habitus erkennbar als einer Generation entstammend. Und all die anderen Figuren auch, die von David Hang verkörpert wurden, vom Schauspieler bis Hamlet und König Claudius, von Ophelia bis Königin Gertrud brachten die Facetten einer Person zum Ausdruck. Absurd. Keinesfalls, lediglich Spiegel des Lebens mit zeitgemäßem Mittelpunkt. „Wir sind Schauspieler, wir setzen uns selbst auf's Spiel.“

Ein Abend um die bunte Welt vor und auf der Bühne, auf der sich Mensch behaupten und darstellen muss, bis zur Erschöpfung, wurde geboten. Die Form, klassisches Theater sowohl in Text und Inhalt, als auch in handwerklich künstlerischer Umsetzung. Es war eine überaus sehenswerte, gelungene Inszenierung mit einem besonders beachtenswerten Schlussbild, der fantastischen Umsetzung eines wirklich realen, sich also gegenseitig bedingenden Vorgang.

  RosenkranzGueldenstern  
 

CMax Beier, David Hang, Niels Kaunick

© Nikolai Marcinowski

 

Das Innen und das Außen des Menschen sind die bewegenden Pole des Daseins. In seinem Schwanken zwischen Geschehen und Erkenntnis taumelt er gleich einem Schauspieler oder einer Schachfigur des Schicksals, gleichgültig ob bewegte Schachfigur oder selbst Schauspieler. Theater wird schon immer als Spiegel für Selbsterkenntnis gespielt, auf der Bühne im Fokus allgemeinen Interesses, das Interesse von Einzelnen entblößend, im Alltag den eigenen Vorteil voran zu bringen. Es sind die immer selben Muster für Manipulation, Intrige und Mord, die wiederholt wiederholt werden in die Handlungsweise, der Mensch sich als unausweichliches  Schicksal unterwirft. Zu Beginn des 21. Jhdt. stehen die Zeichen auf Änderung (siehe Textbeginn). Doch Änderung kann nur geschehen, wenn durch Erkenntnis eine neue Basis geschaffen wird. Die Inhalte des Spiels, die Regeln und deren Umsetzung sind zentrales Thema - im Stück.

Es ist Hamlet, der in Tom Stoppards Tragikomödie dem Spiel eine Wendung zu geben sucht. Er flüchtet, wechselt im Kampf um Überleben auf die Seite von Korsaren und gibt die inneren Freunde aus der Jugend, Rosenkranz und Güldenstern preis. Es ist ein Angriff auf die etablierten und eingespielten Regeln des gepflegten Systems und der Natur. Glaube und Materialismus - Rosenkranz und Güldenstern - stehen sich in seiner Person unvereinbar gegenüber. Solange diese, den Traditionen folgenden Vorstellungen - Gedanken- und Erfahrungskonstrukte - in den Köpfen herrschen, solange ist erst der Tod das glückliche Ende. Denn wer sonst könnte die Gehirne von den vielen Einbahnstraßen der Gedanken die permanent durchlaufen werden, freischalten?

Die Intelligenz sucht nach immer neuen Spielen, um sich den immer neuen Fragen zu stellen. Es folgen nur Fragen auf Fragen - und jeder Fehler zählt - es gilt möglichst viele Punkte zu sammeln. Wort gegen Wort. Rhetorik gegen Logik. Wie Pingpong statt auf dem Tisch wird in der Luft gespielt. Die Stand- und Liegepunkte über Schicksal und Tod werden sekündlich neu verhandelt, allein der Körper bleibt sperrig. Oder obliegt es der Wahrscheinlichkeit, dass Schicksal und Tod in die passende Kiste führen? Was wäre, wenn die Erde doch keine Scheibe ist, und die Welt ein Hologramm um eine Kugel in der sich alles in allem spiegelt? Wahnsinn?

Mit dem Wahnsinn der Gleichzeitigkeit allen Seins in der Welt nicht zurechtkommend, schuf der gewitzte Mensch im Kopf die Zeit und die Regeln und Gesetze die als unumstößlich gelten, sich selbst ein DenkMal setzend. Doch stimmen diese wirklich, oder sind es nur Vorstellungen des Möglichen, Inszenierungen, in dem was tatsächlich ist. Die Einigung auf diese Regeln, im Schauspiel, im Schachspiel, im geregelten Alltag bestimmen die Schicksale. Und wie absurd - unsinnig - diese mitunter sind, erkennt man im nachgestellten Spiel. Es ist ein Spiel um des Spielens Willen.

Hamlet wendet die ihm zugedachten Rolle und delegiert seinen Tod an Rosenkranz und Güldenstern. Er lässt Glauben und Materialismus öffentlich an den Pranger stellen, hängen. Damit befreit er sich von den falschen Freunden, die ihn ausgehorcht und verraten haben. Hamlet könnte sich auch befreit haben von überholten Ideologien, die sich gegenseitig in Schach halten, von abgenutzten irreführenden Spielregeln und mit Korsaren die Weite des Meeres suchen … auf zu neuen Ufern. Funktionierte das tatsächlich oder wäre es nur eine weitere Variation, ein Spielzug eines Denkmusters, ein trotzdem zurück in die ihm zugedachte Rolle, die Gefolgschaft und den Tod?

Sich selbst wieder zu erkennen in der einen, der anderen Rolle bedeutet den wahren Gewinn.

Tom Stoppard gelang das Wundervolle, die Figuren Shakespeares von 1602 in die Gegenwart zu führen, seine Gegenwarten in den Jahren 1966 sowie 1990, und in dem Spiel weitere Dimensionen sichtbar, erkennbar zu machen. Und dies geschah auf höchst entlarvend erheiternde Weise, denn am Ende halten sich die Schauspieler doch an einem abgenutzten Buch mit „heilig gesprochenem“ Text und damit der Vergangenheit fest.

Dominik Wilgenbus inszenierte im Hofspielhaus mit dem Schwerpunkt auf den Dialogen im Stil des Theaters des Absurden. Modern, denn viele der heute geführten Diskurse sind nichts weiter als ein Austausch von ideologisierten Glaubenssätzen auf der Suche nach Bestätigung, religiös verhandelt im ökonomischen Umfeld. Auf dem Spiel- und Schlachtfeld von hierarchisch aufgestellten Schachfiguren, in einem königlich genannten Spiel, sind es die Gefolgsleute, die Bauernopfer, welche zuerst einem Tod übergeben werden. Die Bühne verlassen müssen und erstochen, doch wieder aufstehen … hier beginnt SpielKunst.

Es lebe das freie klassische Theater!

C.M.Meier

 


Rosenkranz und Güldenstern sind tot

von Tom Stoppard

Max Beier, Niels Kaunick, David Hang

Regie: Dominik Wilgenbus

Hofspielhaus Eine Sommernacht von David Greig / Gordon McIntyre


 

Komm Öde

Das spannendste an dem Abend war die Ankündigung im Programm, gelesen vor 20.00 Uhr, dem Beginn der Aktion. Zitat: „Die Scheidungsanwältin Helena und der Kleinkriminelle Bob lernen sich am verregneten Mittsommer-Wochenende in Edinburgh kennen. Nach einer durchzechten Nacht und einem mehr oder weniger glücklichen One-Night-Stand treffen sie sich am nächsten Tag zufällig wieder.“ Immerhin bestand hier noch die Aussicht auf die Begegnung zweier interessanter Charaktere in einer Komödie.

Doch schon mit den ersten Worten war diese Erwartung zunichte gemacht. Die erfolgreiche Anwältin Helena (Laura Cuenca Serrano) erklärte von der Bühne herab die Eingangssituation der Begegnung. Der Kleinganove Bob (Ferdinand Schmidt-Modrow) las derweilen ein unsichtbares Buch und die Klischees von Einsamkeit, Oberflächlichkeit und Alkohol wurden verbal blankgeputzt und aufgestellt. Eine spannende Beziehung zwischen den Textprotagonisten stellten die beiden Bühnenaktivisten nicht her. Der Dialog, der gelegentlich vorgebracht wurde, taugte allenfalls um als direkte Rede ans Publikum bezeichnet zu werden. Oder vielmehr war es, als würden Beide übers Smart chatten, wenn sie nebeneinander saßen.

Das sogenannte Stück mit Musik (welches als Komödie angekündigt ist) war eine Geschichte mit etwas Krimi-Elementen unterlegt, wie sie in vielen der tonnenweise verbreiteten Unterhaltungsbüchern und im Fernsehen vorkommt, mit Realismus, Romantik, Psychologie und Erklärung, vor allem viel Erklärung. Beispielsweise die Erklärung der Funktion der Wahrnehmung eines auf einem Teller liegenden Eis durch Auge und Gehirn. Zumindest eine Begegnung und das in Bezug setzen. Die Sprache und Perspektive taugten allenfalls für einen Spaß. „Wer bin ich denn bitte. Fred Feuerstein?“

Dazu gab es dann von zwei Gesichtern moderne Dick & Doof–Grimmassen anzusehen und gleichzeitig gelegentlich „Scheiße … Scheiße … Vollidiot … blöde Sau“ zu hören, während man weiter versuchte durch Tonfall und Habitus ‚die Welt zu erklären‘. Hinlänglich abgenutzter Schlüsse und Meinungen bediente man sich dazu, wenn nicht gerade mit einer Personenbeschreibung eine Figur herbeigeredet wurde. Abwechslung bot da ein Emoji–Grinsen von den Aktivisten und ein Text, der da lautete, „Fragezeichen … Fragezeichen … Fragezeichen … Rufzeichen … Rufzeichen …“, und mit dem eine Handybotschaft vorgebracht wurde.

Für die Regie zeichnete Leni Brem verantwortlich, die mit Klamauk - wie das Hin- und Herhüpfen unter zwei Leintüchern als physische Darstellung von Sex, oder das überdeutliche Kotzen in die Bühnenhocker, oder das die Straßenbahn nachmachen und mit „bing … bing … bing“ in der Hocke über die Bühne krebsen und überhaupt dieses Demonstrative‚ das 'so tun als ob‘ alles Lustig wäre, was doch einfach nur kindisch ist - zu beeindrucken suchte.

Das ist bestenfalls noch nicht mal als abgeschmackt zu bezeichnen oder genaugenommen langweilig. Doch so ist es wohl, wenn alle nur noch aufs Smart starren und Funktionen ausführen. Ein Gemisch von Zeichen betätigen und ein ebensolches annehmen. Eine neue Generation – die ersten Cyborgs (Cyber-Organismen). Die die alten Welten nicht mehr kennen und sich auf der Straße finden, in Verweigerung und Partylaune die Lieder anderer nachsingen, ganz so wie es das Stück belegt.

   SommermrchenHSH  

 

 

Ferdinand Schmidt-ModrowLaura Cuenca Serrano

 © Stephan Kimmel

 

Dramatiker gibt es immer nur wenige. Autoren die Texte schreiben und sammeln gibt es mittlerweile viele. Manche werden auch besonders gefeiert, als Bühnenautoren, was sie noch lange nicht zu Dramatikern macht. Aber vielleicht liegt es auch an der Technik, dass der Dialog durch die Digitalkommunikation mit Sammeldateien abgelöst wurde und somit ausgerottet. Die menschliche Dimension entfällt, wenn das Gegenüber eine platte glatte Fläche ist. Wer ist dann noch in der Lage zu dialektischer Auseinandersetzung?
In einer Zeit, in der alle Form und aller Inhalt zu einem formlosen Gemisch zusammengetragen wird und dieses als ‚NEU‘ erklärt wird, in einer solchen Zeit wird das Traditionelle aufgelöst ohne ein echtes neues Angebot vorzustellen. „Habt ihr auch Cola zum Mischen?“ So, als würde man Schweinebraten und Knödel und Krautsalat in den Mixer geben und daraus einen Brei machen. Essen die Leute den Brei lange genug, so werden ihnen die Zähne ausfallen und das geschmackliche Unterscheidungsvermögen abhanden kommen.  


Es war die anspruchslos oberflächliche Gewohnheit mit der Stück und Inszenierung überzeugten. Der begeisterte Applaus des Publikums bezeugte, dass die Menschen bereits von den Null-Acht-Fünfzehn-Geschichten so geplättet sind, dass sie alle Unterhaltung auf dieser Ebene entgeistert annehmen. Immerhin werden sie sieben Tage die Woche darauf trainiert.

C.M.Meier


Nachtrag: Die Inszenierung wurde mit der tz-Rose ausgezeichnet.


Eine Sommernacht

von David Greig/Gordon McIntyre


Laura Cuenca Serrano, Ferdinand Schmidt-Modrow

Regie: Leni Brem

Hofspielhaus Die Sphinx von Giesing II von Stefan Kastner


 

Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Unbedingt ernst sind die Charaktere und die Hintergründe in der Münchner Geschichte von den Ausgrabungen auf dem Spielfeld des FC Giesing zu nehmen. Und anders als im richtigen Leben sind es die kleinen Herausforderungen, die auf der Bühne herrlichskurril und nichtig wirken. Könnte man doch immer über die alltäglichen Unsäglichkeiten menschlichen Tuns ebenso lachen. Diese einzufangen und künstlerisch zu gestalten ist die Passion von Autor und Regisseur Stefan Kastner.

Neben der Bühne erstreckte sich das Spielfeld des FC Giesing. Ruhig und verlassen lag die Wiese vor den Augen der Zuschauer, die Bäume im Hintergrund mit herbstlich gefärbten Blättern. Der Spielbetrieb war schon vor einem Jahr eingestellt worden, vom Amt für DenkMalSchutz. Die Ausgrabungen um die, im Boden vermutete Mumie einer Pharaonentochter oder den Hafen von Alexandria, hatten Priorität. Über dem Loch stand ein Schild: „Hier ruht der Präsident des FC Giesing“ Platzwart Oma saß auf einem Stuhl, hörte die neuesten Nachrichten über die bayerische Raumfahrt und las Zeitung. Zuvor hatte die fußballbegeisterte Enkelin Ella eine Pressekonferenz gegeben und eine schmerzliche Absage erhalten. Dann tauchte der Präsident wieder auf, er hatte sich vergraben. Sein Auftritt führte über Schloss Linderhof die Ereignisse weiter.

Abwechslungsreich und humorvoll erzählte das Stück von den Gefühlen der Protagonisten und ihren Begegnungen. „Für ein Gefühl wie das meine sind fünfundzwanzig Jahre keine Zeit! Für ein Gefühl gibt es überhaupt keine Zeitrechnung!“, so der Präsident. Und das gilt wohl auch für die Zuschauer, die in wenigen Augenblicken den Anschluss an die Sphinx I erkannten, so, als wären sie gestern aus der Vorstellung gegangen. Das ist die Zauberei des Theaters in dem Inge Rassaerts die bodenständig konservative Oma verkörperte und Rainer Haustein den alternativ vorsichtigen Präsident. Den Höhepunkt bildete die Diskussion um Mittagessen und die Eröffnung einer Tankstelle. Wenn die Volksweisheit mit der alternativen Lebensführung in Diskussion gerät und der gute Präsident vom eingefahrenen bewährten Konsens überstimmt zu werden droht, dann kann wahrlich nur der Humor die Situation retten. „… geh dich brausen … „Oder der einfach geniale Einfall, wie die beiden Darsteller leicht den Kompromiss finden ließ.

     

 

 

I

 ©

 

Für Ella, die ihr Talent und Können einbringen möchte, blieb vorerst nur eine Möglichkeit. Da die Alten statt abzutreten, wieder aufgepäppelt werden um ihre Positionen besetzt zu halten und zu verteidigen, erfolgt die Ausgrenzung der Jugend in wenig befriedigende und erfolglose Beschäftigung; das Abhalten von Vorträgen zu einem propagiert interessanten Thema – Die Fruchtfliege - beispielsweise. Wie das fruchtlose Herumfliegen in spezielle Bereiche die Zeit zu füllen vermag, stellte jugendlich offen Isabell Kott dar.
Mit Videoeinspielungen von anderen Schauplätzen erweiterte die Inszenierung das Spielfeld. Der pflichtbewusst agierende Oberkellner von Schloss Linderhof, Sepp Schmid, kam auf diese Weise ins Bild. (Kamera: Michael Klinksik) Und die Damen des Müttergesangsvereins brachten, über die Verklärung eines notwendigen Lebensvorgangs in Form zelebrierter Abgeklärtheit, geistig emotionale Verwirrungen mit ernsthaft gläubigen Minen vor. Und das gleicht dem Gesang in einer Tonlage oder den naiven Naturanbetungsfreaks. die Gräser im Wind imitieren. Ernst gemeint und doch keinesfalls ernst zu nehmen.

Das Leben wird immer bunter, kunterbunter und war seit jeher unreflektiert so. Allein das Bewusstsein  vieler Menschen ändert sich, nicht zuletzt durch neue Lebenshaltung und vegetarische Ernährung, welche der in „Vollpension lebenden“ Tieresser gegenübersteht. Neu eingeflogenes Bewusstsein sozusagen aus dem All „erschlägt“, wie die Melonen im Stück, überlebte Konventionen. Möge es heiterer werden, so heiter doppelsinnig und sehenswert unterhaltsam wie in Stefan Kastners „Die Sphinx von Giesing II“.

 

C.M.Meier

 


Die Sphinx von Giesing II

von Stefan Kastner

Inge Rassaerts, Isabel Kott, Rainer Haustein, Christiane Brammer
Susanne Schroeder / Zora Thiessen und die Damen des Müttergesangsvereins: Tina Armbruster, Susanne Barth-Ilg, Dagi Baumgartner, Sabine Fink, Renate Grote-Giersch, Angelika Hornsteiner, Dominique MarchandFässler, Christina Neudecker, Margarete Paul, Bettina von Staden, Uli Wimmer
Sepp Schmid, Dominik Wilgenbus, Zora Thiessen, Ralf Eickhoff, Winfried Hübner, Susanne Rohrer

Regie: Stefan Kastner

Hofspielhaus Herr Blumenkohl gibt sich die Ehre


 

Schaut mal

1861 schrieb Jaques Offenbach die Musik zur Operette. Die Aktualität im Thema ist ungebrochen eine heutige, neofeudale. Mit allen Kräften gilt es die bürgerlich heilen Fassaden zu erhalten, den der Selbstverherrlichung dienenden Wohlstand zu zelebrieren, großmütig spendabel den Mäzen zu mimen. Zwischen falscher Euphorie, Herzinfarkt und opportuner Schacherei handelt sich die Gesellschaft durch die Tage und Nächte.

Dominik Wilgenbus, ein wohlbekannter Mann in der Theaterszene, übersetzte das Libretto von M. de Saint-Remy und schuf eine zeitgemäße, mit Wortwitz und pointierten Sätzen angereicherte Fassung. Als Herr Blumenkohl empfing er am Abend des 24.4. das Publikum, seine Gäste. Geladen hatte Herr Blumenkohl zu einer Soiree, deren glanzvoller Höhepunkt der Auftritt dreier bekannter Opernsänger sein sollte. Doch schon nach der Ouvertüre wurden die ersten Mängel offenbar, denn Butler James kam nicht aus England sondern aus Friesland und im Anstellungsverhältnis war auch nur eine halbe Uniform für ihn vorgesehen. Im Umgang mit dem Silbertablett erwies sich James-Pitterjan weniger geschickt als im Umgang mit dem Cello. Ein Künstler im überlebensnotwendigen Nebenjob vermutlich. Juri Kannheiser verkörperte einen coolen jungen Mann dem die Haare zu Berge standen, wenn der seine Möglichkeiten auslotete. Während Herr Blumenkohl die Hiobsbotschaft las, flirtete seine Tochter Ernestine mit dem jungen Fridolin Hastewas, der gerade ein Musikstück komponierte und in einer Dachkammer nebenan wohnt. Es kam, wie es kommen muss ... Ernestine und Fridolin ... führten eine Oper auf, in deren Mittelpunkt die Erfüllung in der Liebe stand. „Her mit der Kunst ...“ Thea Schuette und Julian Freibott überboten einander, jeder auf seine Weise, in komödiantischem Talent. Thea Schuette bezauberte begeistert, während Julian Freibott pfiffig bis geradezu genial agierte. Da blieb Herrn Blumenkohl nur der Versuch die Haltung zu wahren.

     
 

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Besonders erwähnenswert ist die wundervolle Arie vom Höhepunkt ... Original Offenbach. Am Klavier brillierte Andreas Partilla, der ein ganzes Orchester ersetzte. Zwischen Comedy und großer Oper changierend überboten sich die singenden Darsteller/darstellenden Sänger gegenseitig und ein wenig Comedia del Arte durfte auch noch durchschimmern. Und alles als wäre es – und das war es – ganz große Oper! Dies auf kleinem Raum zu inszenieren ist eine weitere Kunst, die das Ensemble meisterte. Die Aufführungen werden an verschiedenen Abenden mit unterschiedlicher Besetzung gespielt, wodurch die Operette andere charakterliche Effekte, ein anderes Erlebnis bietet.

Und das „Schaut mal“ ist vor allem auch als Aufforderung zu verstehen der Inszenierung, die verspielt erheiternd und künstlerisch hochwertig (um sprachlich im gehobenen bürgerlichen Haltungsmodus zu bleiben), beizuwohnen. Der Einladung des Herrn Blumenkohl ins Hofspielhaus zu folgen, garantiert mehr als einen herrlich amüsanten Abend. Hin zur Kunst ...

C.M.Meier

Weitere Vorstellungen: ...


Herr Blumenkohl gibt sich die Ehre

Operette von Jaques Offenbach
Libretto von M. de Saint-Remy
Spielfassung von Dominik Wilgenbus

Julian Freibott, Juri Kannheiser, Thea Schuette, Dominik Wilgenbus
Klavier: Andreas Partilla

Regie: Dominik Wilgenbus

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