Theater Haus der Kunst Suburban Motel von George F. Walker


 

 

 
Von Outlaws, Underdogs und Loosern

Warum übt Literatur von Charles Bukowski oder Henry Miller, den so genannten Outlaws und Underdogs, deren Inhalt meist die Lebensbeschreibung von Loosern ist, eine ungebrochene Anziehung auf uns aus? Die Antwort wollen wir uns nicht gern eingestehen: Weil wir Voyeure sind. Wir erleben die Leben der Looser nach, weil in deren Leben noch immer mehr los ist als in unseren eigenen.

Georg F Walker, seit den 70er Jahren einer der populärsten Autoren Kanadas, steht für eine literarische Mischung aus Sozialkatastrophen, Sex and Crime und Filmklischees. Ein großer Vorzug seiner Stücke ist, dass er nie versucht den Eindruck zu erwecken, der Realität wirklich zu Leibe zu rücken. Zwar vermitteln seine Figuren immer einen guten Teil Realität, doch im Kontext seiner Stücke handelt es sich letztlich immer "nur" um Literatur. Darum erträgt man seine Klischees leicht und gibt sich geneigt dem Amüsement hin. Das sollte auch die Prämisse sein, wenn man sich ins Haus der Kunst begibt und "Surburban Motel" in der Inszenierung von Jochen Schölch anschaut.

Vier Geschichten laufen parallel ab, vier Geschichten von Menschen, die irgendwie alle in der Sackgasse stecken und die in dem schmuddeligen Hotel einen Ausweg suchen und doch nur tiefer in ihr Dilemma geraten. Walker legt seiner Fantasie keine Zügel an und steigt hinab in den Bodensatz der Gesellschaft. Da sind zwei "abgefuckte" Polizisten, die längst nicht mehr wissen, auf welcher Seite sie stehen. Dazu gesellen sich drei Kleinkriminelle, die einen "Hit" zu erledigen haben und die Sache vermasseln, weil "Gewalt nicht ihr Ding" ist - und ein vernünftiges "Ding" muss man schon haben, sonst hat man doch gar nichts. Eine kürzlich geschwängerte Schöne gibt ihrem Freund den Laufpass, da der sich in ihr Leben einzumischen versucht, und sich einem Pornofilmer hin, der sie groß herausbringen will. Sie kommt aber nicht groß heraus, da die dazu notwendige große Erektion ausbleibt. Und schließlich legt sich eine sauflustige und lebenslüsterne Mutter mit einem "Boss" an, indem sie ihn beklaut und bringt Tochter und deren Lebensgefährten in Lebensgefahr. Die Dinge eskalieren unentwegt und schreien, da sie alle gleichzeitig geschehen, nach guten szenischen Lösungen.
 

Eva Schuckardt, Lisa Wagner

© Thomas Dashuber

 

Jochen Schölch würde seinem Ruf nicht gerecht, wenn er diese nicht anzubieten hätte. Und so grenzt mancher Szenenwechsel an Zauberei. Figuren erscheinen und verschwinden durch den Fußboden, durch Wände, durch das Bett, durch den Schrank und manchmal auch durch Türen. Die Geschichten spielen in vier verschiedenen Motelzimmern. Regisseur Schölch kommt aber mit einem aus. Das schuf er gemeinsam mit Jürgen Hofer. Markantestes Merkmal: Alls war in schmutzigem Braun gehalten, selbst das Weiß.

Die szenischen Vorgänge erstaunen und erzeugen in jedem Fall Spaß beim Zuschauer. Und nicht zu vergessen, es gibt noch einige Anleihen bei Quentin Tarantino, der in seinen Filmen zumeist Puzzle erzeugt, die sich erst am Ende zum Bild fügen. Das letzte Bild im "Surburban Motel" wäre ein grauenerregendes und brutales Massaker, wenn da nicht Phillie (Alfred Kleinherz), der Hotelmanager wäre, der seinen Staubsauger zwischen den Leichen hindurch schiebt, oder R.J. (Christian Lerch) und Denise (Lisa Wagner), die im Bett turteln oder Jayne (Ulrike Willenbacher) und Max (Marcus Calvin), der ihr, nachdem sie ihm den Bauch wieder zugenäht hat, seine Liebe gesteht und so weiter. Verwirrend, mag sein, doch am Ende passiert alles gleichzeitig und in einem Raum. Da kann sich der Zuschauer mitnehmen, was ihm gefällt.

Eines sei unbedingt angeraten. Man sollte es nicht allzu ernst nehmen. Vielmehr sollte man sich dem Genuss hingeben, der exzessiven Rollengestaltung Eva Schuckardts als Räubermutter und Gossenphilosophin zu folgen oder Matthias und Claus Eberth als Sohn und Vater bei Denkversuchen zu beobachten. Robert Joseph Bartl gibt einen Pornofilmer der besonderen Art und ... und ...und.

Eine tiefere Einsicht oder gar Moral bleibt aus und das war wohl weder das Anliegen des Autors noch des Regisseurs. Wenn es das Anliegen war, trotz dreistündiger Aufführungsdauer einen kurzweiligen Theaterabend zu gestalten, dann sind die Darsteller und der Regisseur dem Publikum nichts schuldig geblieben. Regisseur Jochen Schölch erwies sich einmal mehr als echter Theatermagier. Allein, unverständlich bleibt, warum er, wo er doch im Haus der Kunst eine große Bühne hätte haben können, wieder im Metropoltheaterformat inszenierte.

 
Wolf Banitzki

 

 


Suburban Motel

von George F. Walker

Beatrix Doderer, Eva Gosciejewicz, Berivan Kaya, Eva Schuckardt, Judith Toth, Lisa Wagner, Ulrike Willenbacher, Peter Albers, Robert Joseph Bartl, Marcus Calvin, Claus Eberth, Matthias Eberth, Alfred Kleinheinz, Christian Lerch, Armin Schlagwein

Regie Jochen Schölch
Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.