Neues Haus Macht und Rebel von Matias Faldbakken


 

 

 
Und das Narrenschiff segelt weiter …

Wer Macht und Rebel zu begegnen wünscht, wartet vergeblich. Statt dessen aber kommen Hänsel, Gretel und die Hexe. Das ist auch ganz nett, insbesondere, wenn sich herausstellt, dass Macht und Rebel zum einen ein hübscher Reim und zum anderen ein Wortspiel ist zu einer Methode der Nazis, Menschen bei "Nacht und Nebel" aus Gründen der Abschreckung verschwinden zu lassen. Entweder hat Regisseur Kamerun hier etwas übersehen oder er hat den Dichter Faldbakken nicht recht verstanden. Dem geht es immerhin darum: Das ganze Gedankengebäude, auf dem unsere Gesellschaft beruht, zum Einsturz zu bringen. Vielleicht gelingt das im Roman, auf der Bühne des Neuen Hauses der Kammerspiele passierte jedenfalls nichts dergleichen.

Zwei Jugendliche, man nennt sie Hänsel und Gretel, kommen in ein Camp für Problemkids. Dort sollen sie einer Gehirnwäsche unterzogen werden, indem man sie mit den ultimativen Rebellionen des Geistes und des Körpers konfrontiert. Empfangen werden sie von Hexe, einem Knaben, der diese Tortur schon zum achten Mal durchläuft. Oberhaupt des Camps ist ein parlierenden General, der "stinkig ist" und bei allem, was er tut, noch stinkiger wird. So entsteht ein Form von Zynismus, die ebenfalls als exemplarisch angesehen werden darf (Verbirgt sich dahinter gar eine Spiegelung unserer Gesellschaft?). Das Ultimative hat den höchsten Stellenwert, weil man sich auf einem niedrigen Level nicht mehr bewegen kann. Am Ende werden weitere Neuankömmlinge von Hexe, jetzt im neunten Durchgang, und Hänsel, er ist stolz darauf, zum zweiten Mal dabei zu sein, empfangen und das Ganze beginnt von vorn.

Die theatralische Romaneinrichtung lässt weitestgehend eine dramatische Struktur vermissen. Dieses Manko soll durch episodenhafte Auftritte wett gemacht werden, was mit Sicherheit nicht gelingt. Da erklärt ein Troll, dass Laborratten abstumpfen können, und ein Makler versucht Urlaubsreisen nach Brandenburg und Hoyerswerda zu verkaufen. Tatsächlich schreckt man vor derartigen Plattitüden nicht zurück. Da tut es auch nichts zur Sache, dass, wie unlängst ans Tageslicht kam, mehr als 20 % der bayerischen Bevölkerung nationalsozialistische Gesinnungsbestandteile tief verinnerlicht haben. Das Logo Nazis suggeriert, und darauf ist Verlass, sofort den Osten Deutschlands. Das ist übrigens ein wesentlicher Punkt, der einen, ohne Kenntnis des Programmheftes oder der Vorankündigung, nicht unbedingt anspringt. Autor Faldbakken und Kamerun als theatralischer Vollstrecker vertreten die Ansicht, dass die moderne Industriegesellschaft Parallelen zum Nationalsozialismus aufweist, auf die man das Publikum nachdrücklich hinweisen muss. Wenn das tatsächlich notwendig sein sollte, kann diese Gesellschaft gleich das Handtuch werfen, denn es würde bedeuten, dass es kein objektives Geschichtsbild mehr gibt.

 

Sebastian Weber, Anna Böger, Lasse Myhr

© Arno Declair

 

Regisseur Kamerun will provozieren, um Wahrheiten zu schaffen. Diese Inszenierung schafft jedoch alles andere als Wahrheiten. Würden nicht so wunderbare Schauspieler wie Josef Bierbichler, Anna Böger, Lasse Myhr, Sebastian Weber und Jochen Noch die Aufführung tragen, wäre es nur eine weitere Peinlichkeit in der nicht enden wollenden Serie von Events, die vorgeben, Theater zu sein. Kamerun hoffte vergebens, dass Multimedia und Live-Musik die Inhaltslosigkeit übertünchen könnten. Der Zuschauer erfuhr nichts, was er nicht schon wusste. Die ästhetische Brechung dieser allbekannten Vorgänge war ebenso unspektakulär wie die Inhalte. Dennoch gab es einige Besucher im Publikum, die mehr als artigen Beifall spendeten. Mancher freut sich halt, wenn er sich in seinen Anschauungen (und seien es nur Spiegelbilder) bestätigt fühlt.

Am Ende sei dem Autor noch einmal das Wort erteilt:"Das Buch stellt zwar vieles grundsätzlich in Frage, enthält aber keine Lösungen." Na bitte. Also lasst uns weitersegeln auf dem Narrenschiff.



Wolf Banitzki

 

 


Macht und Rebel

von Matias Faldbakken

Bühnenfassung von Schorsch Kamerun

Anna Böger, Josef Bierbichler, Schorsch Kamerun, Lasse Myhr, Jochen Noch, Sebastian Weber, Benedikt Figel, Konstantin Frolov, Julia Jelinek, Matthias Kelle, Benjamin Kempf, Franziska Machens, Sarah Meyer und die Band: Jan Kahlert, Martin Lickleder, Peter Pichler

Regie: Schorsch Kamerun