Cuvilliéstheater  Lola Montez


 

 

Die Frau mit dem sexy Geist

 

Ihr wirklicher Name war Elizabeth Rosanna Gilbert. Sie wurde 1821 als Tochter eines schottischen Offiziers und einer irischen Landadeligen geboren. Ihr erster Lebensort war Indien. Mit fünf Jahren kehrte sie nach England zurück, wo sie ab 1837 in Bath ein Internat für höhere Töchter besuchte und in dem ihr eine anständige Schulbildung zuteil wurde.1842 kam Elizabeth Gilbert nach London zurück, wo sie die spanische Sprache und spanische Tänze erlernte. In einem allerdings recht kurzen Spanienaufenthalt vertiefte sie beides. Schließlich kehrte sie 1843 unter dem Namen Maria de los Dolores Porrys y Montez alias Lola Montez wieder nach London zurück und gab sich dort als spanische Tänzerin aus Sevilla aus. Am 3. Juni 1843 gab sie ihr Debüt, wurde aber sehr schnell als Hochstaplerin entlarvt und floh aus England.

 

Sie reiste durch ganz Europa und verursachte durch zahllose Liebesaffären tumultartige Zustände. Liebhaber duellierten und erschossen sich für sie. Gekrönte Häupter lagen ihr zu Füßen und Polizeischergen waren ihr wie Bluthunde auf den Fersen. Zu ihren Verehrern gehörte neben Vater und Sohn Dumas auch Franz Liszt. Häufig zwangen sie Ausweisungen zum Weiterziehen. Am 5. Oktober 1846 traf sie nach zwei Jahren Aufenthalt in der Pariser Halbwelt in München ein, wo sie im Bayerischen Hof abstieg und sich um Auftrittsmöglichkeiten bemühte. Sie war eine sehr zielbewusste Frau und sprach, nachdem ihr der Intendant der Münchener Hofbühne einen Auftritt versagte, direkt beim König Ludwig I. vor. Der 60jährige König verfiel ihren Reizen und er erwählte die 25jährige zu seiner Geliebten. Lola avancierte zum Dauerärgernis in der Stadt und verursachte permanent Tumulte. Sie wurde mit einem Adelstitel gekrönt und erhielt während ihres Aufenthaltes finanzielle Zuwendungen von annähernd 160.000 Gulden (ca. 2,3 Mio €). Zudem bekam sie vom König eine Villa in der Barerstraße Nr. 7 geschenkt. Sie legte sich eine studentische Leibgarde zu und stolzierte Zigarre rauchend gemeinsam mit ihrer Dogge durch die Stadt. Als der Könige ihre Einbürgerung befahl, trat das Kabinett zurück. In den studentischen Körperschaften kam es zum Aufruhr, woraufhin der König sämtliche, außer der Alemannia auflösen ließ. Hohe Beamte und Professoren wurden entlassen und als die Studenten handgreiflich gegen Lola wurden, schloss Ludwig die Universität kurzerhand für ein Semester. Am 10. Februar 1848 zogen Studenten und andere Bürger vor die Residenz. Ludwig musste sich den Protesten beugen und verbannte Lola aus München und Bayern.

 

Die bisherige Beschreibung war keine Geschichtslektion, sondern Inhalt des im Cuvilliéstheater am 25. Januar aufgeführten Dramma per musica, mehr oder weniger jedenfalls, denn das Stück beschränkt sich auf den Münchner Aufenthalt der sagenumwobenen Dame. Gehuldigt, anders kann man es nicht sagen, wurde einer Frau, die mit ungeheurem Selbstbewusstsein der Männerwelt Mitte des 19. Jahrhunderts die Stirn geboten, mehr noch, sie herausgefordert hat. Damit avancierte ihr Name für ein Gattungsbegriff, der sich durch die ganz Geschichte nach ihr zog: Lola, Lolita, Lulu ... Der Name stand fortan für Verruchtheit, womit natürlich der Figur an sich ebenso Unrecht geschieht, wie der konkreten Lola Montez. Das Urteil ist oberflächlich und kehrt ihren revolutionären Charakter unter den Teppich. Darauf machte die Inszenierung von Tom Kühnel und Jürgen Kuttner deutlich.

 
  LolaMontez  
 

Katrin Röver, Genija Rykova

© Matthias Horn

 
 

Jürgen Kuttner, der auch als Impresario oder Zirkusdirektor, durch die Geschichte moderierte, erklärte den Zuschauern, warum es sich bei der Wahl der Bühnenästhetik nur um eine „Operette“ handeln konnte. Lola Montez setzte das Rauchen im öffentlichen Raum durch. Das wurde allerdings unlängst wieder abgeschafft und somit fällt die Bayerische Geschichte in die Lola Montez-Vorzeit zurück, womit die Operette die einzig adäquate Kunstform für diese Thema sein kann. Wenn doch alle Kunst so leicht erklärbar wäre! Dem aufmerksamen Leser wird spätestens an diesem Punkt deutlich, dass die ganze Geschichte nicht allzu ernst genommen werden darf, und er täte gut daran, denn dann kommt er durchaus auf seine Kosten. Das Regie Duo Kühnel/Kuttner ließen es richtig krachen. Zur Unterstützung hatten sie sich die Pollyester Band und zehn weitere (durchaus seriöse) Musiker geholt. Das musikalische Spektrum reichte von Technopop bis Bayernchor, Anleihen ließen schmunzeln und gelegentlich lugten auch Brecht/Weill verschmitzt hervor. Es wurde mit Verve musiziert und gesungen. Dabei waren die Gesangseinlagen nicht selten hochgradig absurd. Das Vorsingen beim König bescherte dem Publikum eine höchst interessante Fassung von „I’m a cliché“. Doch was soll’s, denn Oliver Nägele, der an diesem Abend der wahre König der Komödianten war, leistete uneingeschränkte Vergebung. Er machte die Geschichte der Emanzipation der Frau, die eigentlich zum Heulen ist, da sie, wie Kuttner durchaus mit Recht bemerkte, noch längst nicht zuende zu sein scheint, erträglich bis heiter.

 

Katrin Röver und Genija Rykova verkörperten jeweils eine innere und eine äußere Lola. Es liegt auf der Hand, dass diese Frau, um zu überleben, zwei Persönlichkeiten haben musste. Und wie sie überlebten! Wie sie tanzten, sangen, dirigierten, intrigierten, - das hatte Grandezza. Ihren gefährlichster Gegenspieler verkörperte dabei Götz Argus in der Rolle des Polizeidirektors von Pechmann, der die historische Lola schließlich zur Strecke brachte. In seiner Figur wurde deutlich, dass auch im verbeamteten Bayern eine gehörige Portion preußischer Stumpfsinn und Bösartigkeit stecken kann. Katharina Pichlers Emerenzia Klachtmoser indes demonstrierte bajuwarisches Temperament. Da soll noch einer behaupten, in Bayern gäbe es keine Vulkane! Zurückhaltender agierte neben Arthur Klemt als Maler Stieler, er schuf das berühmte Porträt der Lola, auch Wolfram Ruperti als Leutnant Nussbaumer. Sie waren mehr oder weniger Gliedmaßen des Königs und folglich ohne viel eigenen Willen. Ein Darsteller jedoch war weitestgehend mitverantwortlich für den gelungenen Erfolg des Abends: Lukas Turtur. Als Bébé, der schwule Begleiter Lolas, entfesselte er die Energien, die es braucht, eine Show richtig auf Touren zu bringen.

 

Der Abend gefiel allgemein und das aus durchaus gutem Grund. Es wurde endlich einmal ein Bild von einer Frau gezeichnet, die im Bewusstsein der meisten Menschen nicht anders existierte, wie im Bewusstsein ihrer stumpfsinnigen Zeitgenossen. Lola Montez starb 39jährig an einer Lungenentzündung, ungebrochen und als autarkes Wesen. Sie war ein so starke Frau, dass München ihr ein Denkmal setzen sollte. Sie hat die Bürger dieser Stadt mehr aus der Fassung gebracht, als die zeitgleich stattfindende Revolution. Sie war eine Revolution. Aber es liegt in der Natur der Sache, dass ihre Unterwäsche interessanter ist, als ihre theoretischen Auslassungen über den Zeitgeist, die allemal pikanter waren.

 

Was ist geblieben von Lola Montez in München? Der Graf Maximilian von Arco-Zinneberg ergatterte den wohl letzten Zigarettenstummel von Lola Montez, den sie während ihrer Flucht aus Bayern wegwarf. Zur Erinnerung beschriftete der Graf ihn und heute kann er im Münchener Stadtmuseum bestaunt werden. Dringlicher als die Begutachtung dieses Reliktes soll dennoch die Inszenierung empfohlen sein. Sie ist nicht unbedingt authentischer, dafür aber viel wahrer und vor allem lauter, bunter und lustiger. Die Kippe kann in zehn Jahren noch bestaunt werden.

 

 

Wolf Banitzki



 

 


Lola Montez

Dramma per musica von Peter Kreuder und Maurus Pacher in einer Fassung von Tom Kühnel und Jürgen Kuttner

Katharina Pichler, Katrin Röver, Genija Rykova, Götz Argus, Arthur Klemt, Jürgen Kuttner, Oliver Nägele, Wolfram Rupperti, Lukas Turtur

Musiker: Manu Dacoll (dr), Manuela Rzytki (keyb), Thomas Wühr (dr), Ulrich Wangenheim (cl, bcl, fl), Blerim Hoxa (vio), Eugen Bazijan (cello), Manfred Manhart (akk), Leo Gmelch (tuba, btb), Ludwig Estl Herrenchor

Musikalisches Arrangement: Rudolf Gregor Knabl + Pollyester
Regie: Tom Kühnel + Jürgen Kuttner

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