Cuvilliés Theater Don Quijote von der Mancha von Miguel de Cervantes Saavedra
Der Geschmack von Kürbis
Miguel de Cervantes Saavedra (1547-1616) wuchs in äußerst dürftigen Verhältnissen auf. Er genoss keinerlei geregelte Ausbildung, durfte sich aber 1568 in Madrid im Umfeld des Humanisten Lopez de Hoyos aufhalten, was ihn letztlich sehr stark prägte. Sein Leben ab den 1570er Jahren liest sich wie ein Mantel- und Degenroman. Über Kriegsteilnahme mit schweren Verletzungen, Gefangenschaft bei algerischen Piraten und gescheiterten Fluchtversuchen gelangte er 1580 endlich wieder zurück nach Spanien, wo er 1584 zum Proviantkommissar der Armada in Andalusien ernannt wurde. Da er auch Gut der katholischen Kirche konfiszierte, exkommunizierte diese ihn. Ab 1594 reist er als Steuereinnehmer durch das Land. In dieser Eigenschaft überließ er einer Bank Steuereinnahmen zur Verwahrung. Die Bank ging pleite und Cervantes musste 1597 wegen Veruntreuung ins Gefängnis. Schon während seiner Zeit beim Fiskus schrieb er an seinem Roman „Don Quijote“. 1603 wurde er wegen Schulden erneut inhaftiert. Nach seiner Freilassung bemühte er sich um Protektion durch den Grafen von Lemos. Danach fristete er ein armseliges Dasein, obgleich er als einer der bedeutendsten spanischen Dichter gilt. Diesen Ruhm erschrieb sich Cervantes vornehmlich mit seinen Prosaarbeiten, die vor erstaunlichen Milieuschilderungen in lebendiger Sprache nur so strotzen. Seine dramatischen Arbeiten überdauerten den Dichter kaum und seine Verse lieferten keinen Grund zum Erinnern. Warum diese ausführliche Biografie in einer Theaterkritik, werden Sie fragen? Nun, um deutlich darauf hinzuweisen, welchen schwerwiegenden gelebten und erlittenen Hintergrund die Dichtung Cervantes hat, denn auch daran muss sich jede Adaption messen lassen.
Der Roman „Don Quijote von der Mancha“ ist ein herausragendes literarisches Beispiel dafür, wie der Dichter vom eigenen Werk überholt wurde. Sein letztes Werk „Los trabajos de Persiles y Sigismunda“ war als moderner Ritter- und Abenteuerroman gedacht. Er schrieb also am Ende ein Werk, das er mit dem „Quijote“ zuvor schon parodiert hatte. Als Satire angedacht, entstand im „Quijote“ ein umfassendes Bild von den gesellschaftlichen Verhältnissen und den sittlichen Vorstellungen der Zeit. Dabei ist von überragender Bedeutung, dass Cervantes durch seine Helden ureigene Nöte und Enttäuschungen artikulierte und in der Person des Quijote das Scheitern seiner eigenen idealistischen Bestrebungen beschrieb.
Es ist ein komisches Buch, das, wie kaum ein anderes Werk, alle Leserschichten und Altersgruppen erreicht und mit seiner Auflagenzahl an die Bibel heranreicht. Quijote, der Ritter von der traurigen Gestalt, verfolgt höchste Ziele, ohne das Vermögen zu besitzen, diese auch zu erreichen. Im Kontrast zu seinem Knappen, dem Bauern Sancho Pansa, einem schlichten Gesellen mit ausschließlich materiellen Bedürfnissen, entsteht immer wieder bedrückender Realismus. Allein, die Argumentation des Quijote ist zwingend und erzeugt die Bereitschaft zur Identifikation. Ideale sind Vorstellungen, die sich nie einlösen lassen, die Verkörperung von Idealen hat weltweit mit dieser literarischen Figur einen Namen bekommen.
Im Cuvilliés Theater kam nur eine Fassung von Georg Holzer und Johannes Schmid auf die Bühne, die sich auf die Übersetzung von Ludwig Braunfels beruft. Diese Übersetzung zeichnet sich vornehmlich durch den Erhalt der Cervantesschen Sprache aus. Georg Holzer betont in einem Text im Programmheft, dass Cervantes, der am grandiosen Theater Lope de Vegas scheiterte, ‚sein dramatisches Talent in der Dialoggestaltung im Roman „Don Quijote“ auslebte’.
Miguel de Cervantes Saavedra (1547-1616) wuchs in äußerst dürftigen Verhältnissen auf. Er genoss keinerlei geregelte Ausbildung, durfte sich aber 1568 in Madrid im Umfeld des Humanisten Lopez de Hoyos aufhalten, was ihn letztlich sehr stark prägte. Sein Leben ab den 1570er Jahren liest sich wie ein Mantel- und Degenroman. Über Kriegsteilnahme mit schweren Verletzungen, Gefangenschaft bei algerischen Piraten und gescheiterten Fluchtversuchen gelangte er 1580 endlich wieder zurück nach Spanien, wo er 1584 zum Proviantkommissar der Armada in Andalusien ernannt wurde. Da er auch Gut der katholischen Kirche konfiszierte, exkommunizierte diese ihn. Ab 1594 reist er als Steuereinnehmer durch das Land. In dieser Eigenschaft überließ er einer Bank Steuereinnahmen zur Verwahrung. Die Bank ging pleite und Cervantes musste 1597 wegen Veruntreuung ins Gefängnis. Schon während seiner Zeit beim Fiskus schrieb er an seinem Roman „Don Quijote“. 1603 wurde er wegen Schulden erneut inhaftiert. Nach seiner Freilassung bemühte er sich um Protektion durch den Grafen von Lemos. Danach fristete er ein armseliges Dasein, obgleich er als einer der bedeutendsten spanischen Dichter gilt. Diesen Ruhm erschrieb sich Cervantes vornehmlich mit seinen Prosaarbeiten, die vor erstaunlichen Milieuschilderungen in lebendiger Sprache nur so strotzen. Seine dramatischen Arbeiten überdauerten den Dichter kaum und seine Verse lieferten keinen Grund zum Erinnern. Warum diese ausführliche Biografie in einer Theaterkritik, werden Sie fragen? Nun, um deutlich darauf hinzuweisen, welchen schwerwiegenden gelebten und erlittenen Hintergrund die Dichtung Cervantes hat, denn auch daran muss sich jede Adaption messen lassen.
Der Roman „Don Quijote von der Mancha“ ist ein herausragendes literarisches Beispiel dafür, wie der Dichter vom eigenen Werk überholt wurde. Sein letztes Werk „Los trabajos de Persiles y Sigismunda“ war als moderner Ritter- und Abenteuerroman gedacht. Er schrieb also am Ende ein Werk, das er mit dem „Quijote“ zuvor schon parodiert hatte. Als Satire angedacht, entstand im „Quijote“ ein umfassendes Bild von den gesellschaftlichen Verhältnissen und den sittlichen Vorstellungen der Zeit. Dabei ist von überragender Bedeutung, dass Cervantes durch seine Helden ureigene Nöte und Enttäuschungen artikulierte und in der Person des Quijote das Scheitern seiner eigenen idealistischen Bestrebungen beschrieb.
Es ist ein komisches Buch, das, wie kaum ein anderes Werk, alle Leserschichten und Altersgruppen erreicht und mit seiner Auflagenzahl an die Bibel heranreicht. Quijote, der Ritter von der traurigen Gestalt, verfolgt höchste Ziele, ohne das Vermögen zu besitzen, diese auch zu erreichen. Im Kontrast zu seinem Knappen, dem Bauern Sancho Pansa, einem schlichten Gesellen mit ausschließlich materiellen Bedürfnissen, entsteht immer wieder bedrückender Realismus. Allein, die Argumentation des Quijote ist zwingend und erzeugt die Bereitschaft zur Identifikation. Ideale sind Vorstellungen, die sich nie einlösen lassen, die Verkörperung von Idealen hat weltweit mit dieser literarischen Figur einen Namen bekommen.
Im Cuvilliés Theater kam nur eine Fassung von Georg Holzer und Johannes Schmid auf die Bühne, die sich auf die Übersetzung von Ludwig Braunfels beruft. Diese Übersetzung zeichnet sich vornehmlich durch den Erhalt der Cervantesschen Sprache aus. Georg Holzer betont in einem Text im Programmheft, dass Cervantes, der am grandiosen Theater Lope de Vegas scheiterte, ‚sein dramatisches Talent in der Dialoggestaltung im Roman „Don Quijote“ auslebte’.
Alfred Kleinheinz, Stefan Wilkening © Thomas Dashuber |
Nun blieb zu hoffen, dass dies nicht der einzige Grund war für das Team um Regisseur Johannes Schmid, diesen Stoff auf die Bühne zu bringen. Bei genauerer Betrachtung spielt Cervantes Roman in Zeiten der spanischen Dekadenz. Hier, in der Vergleichbarkeit von Zeiten, in denen ideelle Werte den materiellen weichen, so sollte man glauben, liege auch ein zwingender Inszenierungsansatz. Mitnichten. Der Zuschauer erlebte die bezaubernde, bunte und spielfreudige Inszenierung eines Romans, die kein Jota über die Prosavorlage hinaus ging. Sie ist in Zeiten von Hörbüchern und werktreuen Verfilmungen höchstens dazu geeignet, sich das Lesen des Buches zu ersparen. Kurzweilig war es wohl, aber nicht wirklich erhellend. Was der Inszenierung hauptsächlich abging, war die tiefe Tragik. Der Don Quijote und sein Knappe lieferten Lachnummern am laufenden Band, die allerdings nicht in Form von tieferer Erkenntnis nachhallten.
Marie Holzer hatte die Bühne kongenial zur konventionellen (bis spießigen) Inszenierung gestaltet, ein rötlicher Berg entpuppte sich, einmal gedreht, als schlichter Gasthausersatz. Ein akribisch gebastelter Baum verführte dazu, nachzudenken, ob er nicht vielleicht echt sei. Riesige erdfarbene Kissen knautschten die Darsteller zu allerlei Sitzgelegenheiten, aber auch zu Pferd und Esel, was ein wirklich sehenswerter Einfall war. Nach der Pause kam dann noch ein großer Brunnen hinzu, der in der Fantasie des Don Quijote eine Höhle war, dem Höllenschlund gleich. Die musikalische Begleitung durch Thomas Etschmann (Gitarre) und Jost Hecker (Cello) mit spanischen Rhythmen komplettierte die einschmeichelnde und anschmiegsame Atmosphäre des visuellen Erscheinungsbildes.
Alfred Kleinheinz konnte der Vorlage äußerlich nicht gerecht werden, denn Sancho Pansa ist im Roman fett und physisch stets an seinen engen Grenzen. Doch sein verschmitztes Spiel ließ diesen Unterschied bald vergessen. Anna Riedl, Peter Albers und Stefan Maaß gestalteten alle Rollen um das Geschehen herum. Im Gedächtnis blieben sie nur bedingt. Unbedingt sehenswert war Stefan Wilkening als Don Quijote, vielleicht der einzige überzeugende Grund, sich diese Inszenierung anzuschauen. Wilkening brillierte vornehmlich mit seiner herausragenden Sprechkultur. Don Quijote ist im Stück älter als fünfzig Jahre und im Roman stirbt er nach der Rückkehr auf sein Gut. Das war zu Zeiten von Cervantes fast ein Greisenalter. Es wäre also nicht sehr glaubhaft gewesen, wenn er sich durch akrobatisches Können ausgezeichnet hätte. Wilkening verließ sich auf die Kraft und die Magie der Cervanesschen Sprache in der Übersetzung von Ludwig Braunfels. Als Adliger und als Mann mit vorzüglichen Manieren klangen seine Sätze, seine Argumente, seine mit kindlichem Erstaunen angereicherten Berichte wie in Stein gemeißelt.
Aber auch sein Spiel konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Inszenierung durch Beliebigkeit entfärbte. Höhepunkt des Theaterabends war eine Videoprojektion von Meike Ebert und Jana Schatz, in der das im Roman vorgesehene Puppenspiel zum besten gegeben wurde. Die selben Darsteller spielten in Schwarz-Weiß auf streifigem Zelluloid eine Stummfilmparodie, die an Laurel und Hardy erinnerte. Die Projektion war in ihrer klamaukigen Wirkung so übermächtig, dass die Tragik des Quijote, der in das Geschehen mit Waffengewalt eingriff und das Theater zerstörte, nur peripher wahrgenommen wurde. So blieb Dank der Ambitioniertheit, aus einem komischen Buch ein saukomisches zu machen, einiges auf der Strecke, was als substanziell bezeichnet werden könnte. Eine deutliche heutige Botschaft konnte unter diesem Vorzeichen gar nicht erwartet werden. Eine neue und vielleicht erstaunliche Sicht auf den Roman „Don Quijote von der Mancha“ gab es nicht einmal ansatzweise. Zu sehen war die märchenhaft anmutende Geschichte eines tragischen Spinners im bunten und lustigen Gewand. Nicht weniger, aber leider auch nicht mehr.
Tatsächlich erinnerte mich die Inszenierung an einen Witz aus DDR-Zeiten, als - „von der Sowjetunion lernen, Siegen lernen“ - bedeutete. Darin hieß es, den Russen wäre die Kreuzung zwischen Kürbis und Erdbeere gelungen. Die neue Frucht hätte nun den Geschmack des Kürbisses und die Größe der Erdbeere.
Wolf Banitzki
Marie Holzer hatte die Bühne kongenial zur konventionellen (bis spießigen) Inszenierung gestaltet, ein rötlicher Berg entpuppte sich, einmal gedreht, als schlichter Gasthausersatz. Ein akribisch gebastelter Baum verführte dazu, nachzudenken, ob er nicht vielleicht echt sei. Riesige erdfarbene Kissen knautschten die Darsteller zu allerlei Sitzgelegenheiten, aber auch zu Pferd und Esel, was ein wirklich sehenswerter Einfall war. Nach der Pause kam dann noch ein großer Brunnen hinzu, der in der Fantasie des Don Quijote eine Höhle war, dem Höllenschlund gleich. Die musikalische Begleitung durch Thomas Etschmann (Gitarre) und Jost Hecker (Cello) mit spanischen Rhythmen komplettierte die einschmeichelnde und anschmiegsame Atmosphäre des visuellen Erscheinungsbildes.
Alfred Kleinheinz konnte der Vorlage äußerlich nicht gerecht werden, denn Sancho Pansa ist im Roman fett und physisch stets an seinen engen Grenzen. Doch sein verschmitztes Spiel ließ diesen Unterschied bald vergessen. Anna Riedl, Peter Albers und Stefan Maaß gestalteten alle Rollen um das Geschehen herum. Im Gedächtnis blieben sie nur bedingt. Unbedingt sehenswert war Stefan Wilkening als Don Quijote, vielleicht der einzige überzeugende Grund, sich diese Inszenierung anzuschauen. Wilkening brillierte vornehmlich mit seiner herausragenden Sprechkultur. Don Quijote ist im Stück älter als fünfzig Jahre und im Roman stirbt er nach der Rückkehr auf sein Gut. Das war zu Zeiten von Cervantes fast ein Greisenalter. Es wäre also nicht sehr glaubhaft gewesen, wenn er sich durch akrobatisches Können ausgezeichnet hätte. Wilkening verließ sich auf die Kraft und die Magie der Cervanesschen Sprache in der Übersetzung von Ludwig Braunfels. Als Adliger und als Mann mit vorzüglichen Manieren klangen seine Sätze, seine Argumente, seine mit kindlichem Erstaunen angereicherten Berichte wie in Stein gemeißelt.
Aber auch sein Spiel konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Inszenierung durch Beliebigkeit entfärbte. Höhepunkt des Theaterabends war eine Videoprojektion von Meike Ebert und Jana Schatz, in der das im Roman vorgesehene Puppenspiel zum besten gegeben wurde. Die selben Darsteller spielten in Schwarz-Weiß auf streifigem Zelluloid eine Stummfilmparodie, die an Laurel und Hardy erinnerte. Die Projektion war in ihrer klamaukigen Wirkung so übermächtig, dass die Tragik des Quijote, der in das Geschehen mit Waffengewalt eingriff und das Theater zerstörte, nur peripher wahrgenommen wurde. So blieb Dank der Ambitioniertheit, aus einem komischen Buch ein saukomisches zu machen, einiges auf der Strecke, was als substanziell bezeichnet werden könnte. Eine deutliche heutige Botschaft konnte unter diesem Vorzeichen gar nicht erwartet werden. Eine neue und vielleicht erstaunliche Sicht auf den Roman „Don Quijote von der Mancha“ gab es nicht einmal ansatzweise. Zu sehen war die märchenhaft anmutende Geschichte eines tragischen Spinners im bunten und lustigen Gewand. Nicht weniger, aber leider auch nicht mehr.
Tatsächlich erinnerte mich die Inszenierung an einen Witz aus DDR-Zeiten, als - „von der Sowjetunion lernen, Siegen lernen“ - bedeutete. Darin hieß es, den Russen wäre die Kreuzung zwischen Kürbis und Erdbeere gelungen. Die neue Frucht hätte nun den Geschmack des Kürbisses und die Größe der Erdbeere.
Wolf Banitzki
Don Quijote von der Mancha
von Miguel de Cervantes Saavedra
Anna Riedl, Peter Albers, Alfred Kleinheinz, Stefan Maaß, Stefan Wilkening Musiker: Thomas Etschmann, git, Jost Hecker, cello Regie: Johannes Schmid |