i-camp Exit Neon von Gert Neuner
Zusammenprall mit der Kunst
8.6.2017 Eröffnung der documenta – Der Schriftzug leuchtete weiß von der schwarzen Wand aus dem Bühnenhintergrund.
Die Geschichte des Waisenkindes Sebastian zog sich als roter Faden durch die Szenenbilder. Von einem Industriellenehepaar adoptiert und geliebt, für die Übernahme der in der Autoindustrie etablierten Firma vorgesehen, wird Sebastian durch die Jahre gelenkt. Doch dann, kommt eine eigene Tochter, Maria, in die Welt und Sebastian wird von seinem Platz gedrängt. Zwistigkeiten um Rangfolge in Familie und Firma sind die Folge und die Distanz kann nicht mehr groß genug sein. Sebastian soll in Singapur Geschäfte übernehmen, doch ein Geisterfahrer provoziert eine neue Situation herauf.
Von der Leinwand im Bühnenhintergrund leuchteten die Bilder eines Ehepaares im Auto, ihre letzten Minuten begleitet von einer Verkehrsdurchsage aus dem Radio ... Das auf dem Asphalt liegende Motorrad, dann wurde eine Gipsfigur auf dem Operationstisch auf der Bühne sichtbar, Sebastian ... Der Arzt erklärte seine Absicht aus dem Körper ein Kunstwerk zu machen ... Zwei Blinde streiften durch den Skulpturenpark der documenta, eigneten sich im Vorübergehen einen Arm, Teil des größten Gesamtkunstwerks der Ausstellung, an. Film ... Bildprojektion ... Spielszene ... Gert Neuner führte die Darsteller zu einer geschlossenen und doch ausnehmend differenzierten Ensembleleistung. Von Blinden bis zum Klischeekünstler, von der leidenden Mutter bis zum bestimmenden Arzt reichten die Figuren, die Tagesgeschehen in surrealen Bildern, in dramatischen Aussagen, in drastischen Gesten auf die Bühne brachten. Kunst oder doch Realität? Gilt es doch in der Kunst die Momente der Einmaligkeit des Lebendigen aufzunehmen und umzusetzen, beeindruckende Szenenbilder zu schaffen und mit unterschiedlichen Mitteln die Wahrnehmung wiederzubeleben. Ein schwieriges Unterfangen, welches G. Neuner vieldeutig glückte, in einer Zeit in der zunehmende Überforderung „der unfassbaren Datenmengen“ und Abstumpfung das Tagesgeschehen prägen.
Sechs überdimensionale Lichtstrahler umrahmten den Operationstisch und den weißen Körper. Operateure traten an die Ventile und ... Für die Mensch-Figur Sebastian blieb kein Platz mehr zwischen den überdimensionalen Airbags. Das Ende einer „Performance des Sterbens“. Pause
Valentin Walch © Volker Derlath |
8.6.2017 Eröffnung der documenta – Der Schriftzug leuchtete weiß von der schwarzen Wand aus dem Bühnenhintergrund.
„Kunstsplitter ins Gesicht geschissen ...“ und Hauptsache „zertifiziert“. Auf der fast leeren schwarzen Bühne leitete der Onkel mittlerweile die Firma ... Eine bunte Randfigur mit Strickmütze saß abseits zwischen Blumen und Plastikflaschen ... Ein Chip zur Übertragung von Botschaften steckte in einer roten Schachtel ... „verrückt muss man sein, eine Witzfigur macht noch lange keinen Hype“ ... Der Rest-Mensch Sebastian verharrte eingegipst imaginär im Kunststadium auf der documenta, während auch dort Marketing und Technik das Tagesgeschehen übernommen hatten ... Dazwischen agierende Figuren, die abstrakt analytische Texte von sich gaben. Noch trugen sie Namen ... „Wir initiieren Vergessen.“ ... Die Splitter dienten als industrieller Faktor in Werbung und Selbstdarstellung in der Imagepflege.
Alt- und Neo-Kunstwerk. Der Unterschied liegt in einem zwischen natürlichen Spannungsfeldern, dem Austausch von verschiedenen Erscheinungsformen entstandenen Werk und/oder einem unter Wechselstromimpuls stehenden, auf der Stelle verharrenden Element, welches Impulse(Bilder) sammelt, diese funktionsoptimiert und weitergibt und dessen einzige Differenzierung in der Auswahl eben dieser Bilder liegt. Kunst oder Design.
Es ist die Massebewegung, der die Steuerung unterworfen ist. In den Verlust von Identität und Hinausgeworfen sein, hinausgeworfen in eine Verwertungsgesellschaft, die alles und jeden gewinnbringend ver-arbeitet, aus-beutet. „Das Volk verdaut sich selbst.“ Eine höchst rückständige Lebenshaltung, der tierische Fressaffekt entglitt in Wahn, selbstzerstörend ergriff dieser als glorifizierte Heilsbotschaft die Weltherrschaft. Dazwischen glänzt das Angebot eines Neurochips zur Aktivierung von scheintoter unbeweglicher Materie. Ein Weg der Kunst? Die Stellung der Technik liegt mittlerweile über dem Leben, erfährt höhere Bewertung, fast schon Anbetung und besinnungslose Gefolgschaft. Der Platz des Monotheis wurde neu besetzt. Die Figur Mensch entgrenzte in eine Erscheinungsform, ist Wissenschaftler Künstler Handwerker gleichzeitig. Er, sein Kunstwerk steigen in den schwarzen Himmel auf, oder, um mit der Materie zu argumentieren, beides verflüchtigt sich als sogenannte Edelgaswolke im Universum.
Exit Neon ... ETA Theater von Gert Neuner. Eine äußerst interessante, in jedem Fall durchdringend anregende Auseinandersetzung zu einem vollkommen unvollkommenen Thema. Kunst
C.M.Meier
UA Exit Neon
Eine Performance von Gert Neuner ETA Theater
Robert Erby, Katharina Friedl, Gabriele Graf, Shirin Lotze, Waki Meier, Ari Mog, Peter Papakostidis, Valentin Walch, Alison Welles Text und Regie: Gert Neuner |