Werkraum Engel von Anja Hilling


 

 

 
Am Rande des Meers ...

sitzt der Zuschauer im Werkraum der Kammerspiele, um dem Spiel von "Engeln" beizuwohnen. Vor seinen Augen wölbt sich eine Welle, eine Düne, das von Frauke Löffel höchst sinnfällig gestaltete Bühnenbild. Sie dient auch als Projektionsfläche für überdimensionale Tattoos, die Brandzeichen für beliebige Figuren, die auch zu Denk- und Verhaltensmustern in Bezug gesetzt werden können. Zeige mir dein Tattoo und ich sage dir ...

Als Gott noch sein Auge auf seine Schöpfung, die Wellen, die Dünen warf, waren Engel die Mittler zwischen ihm und den Menschen. Unter Platonischem Einfluss wurden sie die Geisteskräfte und Ideen Gottes genannt und Thomas v. Aquino und Dante sahen in ihnen die bewegenden Kräfte der Welten. Ob sie der Auflösung der Einheit von Raum, Zeit und Handlung zum Opfer gefallen sind?
"Die cartesianische Gewissheit des ‚Ich denke', die als notwendige Bedingung eine gemeinsame Erfahrungswelt einmal sichern sollte, hat sich aufgelöst in die innere Gewissheit des ‚Ich fühle'. Nicht umsonst hat sich Anja Hilling durch die Lektüre des Buches ‚Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte' von dem Neuropsychologen Oliver Sacks inspirieren lassen.", so Marion Tiedtke nach einem Gespräch mit der Autorin.
 

Julika Jenkins

© Andreas Pohlmann

 

Von Gott ist jedenfalls keine Spur mehr in einer von Neuropsychologen erklärten Welt. So ging es vielmehr um die modernen esoterischen Engel, die in ihrer psychologischen Befindlichkeit gefangen sind. Da trieben Figuren verloren auf der und über die Welle, lagen blutend im Sand der Düne, weinten herzzerreißend vom Schmerz der Trennung zu Boden gestreckt, trafen einander eher Gespenstern gleich, um im kleinen Hickhack aufeinander loszugehen. "Wie sehr liebst du mich? Wie sehr liebst du mich? Wie sehr liebst du mich? Liebst du mich auch noch, wenn von mir nur noch ein Geruch und eine Erinnerung geblieben ist?"
Sehnsucht, Liebe, Angst, Erwartungen sind die Themen an denen sie "in einem mysteriösen Kaleidoskop der Begegnungen" (so das Programm) scheitern. Die Enge des Bewusstseins einer jeden Figur wurde überdeutlich. Angst und Aggression sind die letzten Beweggründe die noch Reaktion hervor rufen.

Der Autorin Anja Hilling gelang es, trotz kurzer Szenen und harter Schnitte, wie sie gerne beim Film verwendet werden, nicht die Fäden der Handlungen völlig zu kappen. Puzzleartig fügen sich die Szenen gegen Ende doch zusammen und lassen eine Logik erkennen, die Logik der Dekonstrukion und des Erzeugens von Brüchen. Die Figuren wechseln zwischen Prosa und dramatischen Dialog und nicht selten klang "Engel" Astas Erläuterung belehrend. Immerhin versuchte sie eine "Botschaft" an das Publikum zu bringen.

Die Aufführung verlangte den Darstellern vor allem körperlichen Einsatz ab, galt es doch für alle immer wieder die steil ansteigende Welle zu bewältigen. Im Laufschritt, im Tanzschritt, wutentbrannt oder verzweifelt auf allen Vieren wurde der Text durch Gefühl und Bewegung unterschützt. DJ-Pult, Musikeinlagen, Mediashow und ein Fernseher im Hintergrund rundeten die zeitgenössische Inszenierung von Felicitas Brucker ab.

 
C.M.Meier

 

 


Engel

von Anja Hilling

Arvild Baud, Julika Jenkins, Sylvana Krappatsch, Stefan Merki, Lasse Myhr, Susanne Schroeder, Anna Maria Sturm, Sven Walser, Sebastian Weber

Regie: Felicitas Brucker