Theater im Marstall Genannt Gospodin von Philipp Löhle


 

 

Nett. Wirklich nett.

1 Küberl Anti. 1 Küberl Konsum mit Einkaufsliste. 1 Küberl Psyche einer Mutter. 1 Küberl Beziehungsstress. 1 Küberl Krimi. 1 Küberl voll Lacher. Gemischt, gerührt und fertig ist der Sandkuchen. Gospodin hat als Junge in der Schultasche Sand in sein Zimmer geschmuggelt, um wie alle anderen Kinder der Umgebung seinen eigenen Sandkasten zu haben. Jetzt möchte er nur noch "außerhalb jeder Arbeitsmühle, angenehm antikapitalistisch überleben." Doch man lässt ihn nicht.

Phillip Löhle ist Jahrgang 1978. Der Autor hat sein Handwerk gelernt. Fraglos. Er wählte einen epischen Ansatz, bringt die Geschichte voran, indem er Dialoge und Prosapassagen einander abwechseln lässt, ohne jedoch das Ende offen zu lassen. Das ist eine Seite. Doch wer keine eigenen Inhalte, keine persönliche Erlebniswelt oder gar Haltung hat, der gibt Versatzstücke wieder. Das ist ebenso chic, wie mit ideologischen Bruchstücken zu arbeiten: Den "Kapitalismus an den Eiern packen" oder vielmehr ein wenig "kraulen", was in diesem Fall treffender wäre, und den Kommunismus auf den Namen "Gospodin" und eine religiös angehauchte Vorstellungen von Selbstverwirklichung zu reduzieren, schafft vermutlich Spaß. Und heute ist komisch oder wird komödiantisch genannt, was ein bisserl Slapstickanstrich hat. Schöne seichte Welt.

Inszenierung und Bühnenbild (Franziska Bornkamm) bedienten dazu gängige Vorstellungen mit tradierten Mitteln. Der Brecht'sche Ansatz, "auf der Bühne befindet sich nur, was auch im Text vorkommt und bespielt wird", wurde durch gezogen und am Ende stand Gospodin im leeren Raum. Ein künstlerisch durchaus sinnfälliger Ansatz, wären da nicht die an die Wand projizierten Kinderbildchen und das Fangen spielen und das schrille Getue und der von der Decke hängende dekorative Trödel, die alles ins Läppische kippen ließen. Vielleicht ist die einzig bleibende Botschaft eine "naiv trotzige Weltverachtung". Wer weiß?
 
   
 

Shenja Lacher, Franziska Rieck

© Thomas Dashuber

 

 

Gospodin sieht zu, wie sein Leben (Stereoanlage um Fernseher um Kühlschrank) leerer wird und fühlt sich wirklich befreit, als denn "alles" von ihm genommen. Auf dem Weg dahin wird Gospodin, dargestellt von Shenja Lacher, von seinen Freunden begleitet. Die Darsteller Franziska Rieck und Marcus Calvin sprangen dazu in die verschiedenen Rollen. Der Einzige, der diese Rollen und Figuren wirklich gestaltete, war Marcus Calvin. Bei ihm war noch Differenzierung zu erkennen, wenn er von Andi zu Norbert oder Hajo sprang, und auch die Mutter kam durchaus glaubhaft. Franziska Rieck und Shenja Lacher verfügen offenbar nicht über genügend Einsichten und Erfahrung um Charakterfacetten, noch wurden in der Inszenierung solche deutlich heraus gearbeitet. Gospodin blieb der Junge, der sich Dogmen an die Wand malt und an den Worten festhielt. Auch Annette, Sylvia und die Kommissarin unterschieden sich nur geringfügig voneinander. Unterstellen wir dem Regisseur Jan Philipp Gloger dabei eine Absicht, so macht es im Gesamtkontext durchaus Sinn. Sichtbar wurde an Gospodin, der Einzelne ist nicht entwicklungsfähig und er verbraucht sich, bevor er seine Botschaft in die Welt bringen kann. Der Autor lässt die scheinbare persönliche Freiheit Gospodins dazu noch in größtmöglicher äußerer Unfreiheit enden. "Anti" wird damit schon im Ansatz erstickt.

Zöge man nun die sehr simple Schlussfolgerung, nach der "leicht im Gefängnis landet, wer das Mitmachen im Konsumzirkus verweigert", dann wird klar, warum das Stück den Förderpreis des Bundesverbandes der Deutschen Industrie erhielt. Also dieses "Gütesiegel" für Sich. Die Wirtschaftswunder-Generation hat sich ihre Enkel als Kinder erhalten ... Kleine und Großmütter werden ihre Freude an der Inszenierung haben.

 

C.M.Meier

 

 
 

Genannt Gospodin

von Philipp Löhle

Franziska Rieck, Marcus Calvin, Shenja Lacher

Regie: Jan Philipp Gloger