Theater im Marstall pool (no water) von Mark Ravenhill


 

 

Die Kunst ist tot, es lebe die Kunst

Es jauchzt und kreischt hinter der Bühne des Marstalls. Man wähnt sich zunächst eher auf einem Kindergeburtstag als auf der enthemmten Poolparty einer Kunst schaffenden In-crowd, was angesichts der Textvorlage zu erwarten wäre. Gegeben wird das neueste Stück des englischen Enfant-terribles Mark Ravenhill. Titel: "pool (no water), Untertitel: "Ein Text für Performer". Regisseur Florian Boesch nimmt sich letzteres zu Herzen und lässt seine Schauspieler performen bis die Bühne aussieht wie zu besten Action painting-Tagen. Eine kluge Entscheidung, soviel vorweg.

Zunächst einmal wird die bis auf ein überdimensionales Paket mit Riesenschleife leere Bühne von einer hervorragend gelaunten, brüllfreudigen Truppe energiegeladener Nachwuchsschauspieler im Kleinformat gestürmt. In ihrem Schlepptau finden mehrere Plastikgartenstühle und ein stromlinienförmiger Buggy ihren Weg aufs Spiel- bzw. Schlachtfeld. Dann entfaltet der eigentliche Protagonist des Abends mit Hilfe ferngesteuerter Druckluft seine blutrote Pracht: Der Pooooool. Bei Stefan Hageneier (Bühne, Kostüme) wird er zum handelsüblichen Kinderplanschbecken in Knallfarbe und drin ist, wie sich das gehört, "no water", dafür aber umso mehr rote Farbe. Sie wird sich später aus der luftentleerten Gummihülle auf den schwarze Bühnenboden ergießen - viel Platz für kunsttherapeutische Selbstfindungs-Sauereien, an denen bereits Yves Klein seine helle Freude hatte (er hätte wohl allerdings eine andere Farbe gewählt).

Nach dieser Eingangsszene stürmen die zumindest äußerlich erwachsenen (Lebens)Künstler, angetan mit an "Frühstück bei Tiffany's" erinnernde Tiermasken, die Szene. Man möchte Stefan Hageneier danken für ihre Aufmachung: Sophie von Kessel besticht durch lila Kurzfummel und Glitzerleggins, Michael von Au mit schwarzem Rüschenhemd und Mörderpony, Ulrike Willenbacher wirkt wie ein Kakadu auf dem Punktrip und Michael Tregor ist mit Hut, offenen Chucks und Ringelschal einfach nur cool. Express yourself.
 
 

 
 

Michael Tregor, Sophie von Kessel

© Thomas Dashuber

 

 

(Nach)Erzählt wird reihum und im wahrsten Sinne des Wortes die Geschichte einer verschworenen Gruppe von Freunden, die sich noch aus den guten alten Tagen auf der Kunstakademie kennen und nun der Freundin einen Besuch abstatten, die als einzige Erfolg mit ihren Werken hat. Anlass genug für brodelnden Hass und Eifersucht, die zunächst unter einem Deckmantel aus Dauergrinsen und schönen Worten verborgen werden. Jedoch nur so lange, bis die Gastgeberin bei einem Sprung in ihren unglücklicherweise wasserlosen Pool zur entstellten, im Koma liegenden Krankenhausinsassin wird. Die namenlosen, sich nach Erfolg und künstlerischer Anerkennung verzehrenden "Freunde" sehen im Unglück der Konkurrentin ausgleichende Gerechtigkeit und die Möglichkeit, den Traum vom gemeinsamen Durchbruch auf dem Kunstmarkt wahr werden zu lassen. So wird die komatöse Künstlerin unfreiwillig zum Material für ihr kommendes Werk. Orlan lässt grüßen. Eine Bildserie der Verunglückten, sorgfältigst inszeniert und arrangiert, entsteht. Dumm nur, dass das Opfer nach seiner unerhofften "Auferstehung" diese für sich reklamiert und somit jegliche Ambitionen der Gruppe zunichte macht. Ihres Lebensinhalts und der einzigen Hoffnung auf künstlerische Unsterblichkeit beraubt bleibt der Kommune nur noch die Auslöschung von Bild und "Original", um der Schmach ihres erneuten Erfolgs zu entgehen.

In altbekannter Ravenhill-Manier (die kongeniale Übersetzung lieferte John Birke) sind die Sätze kurz, oft fragmentarisch. Eine eindeutige Zuordnung von Text und Figuren macht Florian Boesch zudem durch andauernde Überlagerungen und Verschiebungen unmöglich, was ihm und den Schauspielern hervorragend gelingt und Langeweile vermeidet.

Fazit: Eine in ihrer Optik bestechende Inszenierung mit hervorragenden Schauspielern, die anregt, einmal über die nicht nur in Kunstkreisen zunehmende Inszenierung und Ästhetisierung aller Lebensbereiche nachzudenken. Man braucht nicht viel, um gutes Theater zu machen.

 
Tina Meß

 

 


pool (no water)

von Mark Ravenhill

Sophie von Kessel, Ulrike Willenbacher, Michael von Au, Michael Tregor

Regie Florian Boesch