Theater im Marstall Stoning Mary von Debbie Tucker Green
Afrika ist nebenan
Debbie Tucker Green, britische Autorin jamaikanischer Abstammung, erzählt in ihrem Stück drei Geschichten. Ein Ehepaar führt den letzten Kampf gegeneinander, denn beide sind HIV positiv. Die Medikamente reichen nur für eine Person. Einem anderen Ehepaar wurde das Kind genommen und in eine Armee von Kindersoldaten gesteckt. Und zuletzt erlebt der Zuschauer eine junge Frau, die auf ihre Steinigung wartet und deren letzter Wunsch es war, die ältere Schwester noch einmal zu sehen.
Das alles war auf den ersten Blick irritierend, denn obwohl alles in Afrika zu spielen schien, gab es dafür keinen konkreten Hinweis. Das war von der Autorin auch so geplant. In ihrer Besetzungsanweisung forderte sie ausschließlich weiße Darsteller. Darüber hinaus soll dass Stück jeweils dort spielen, wo es gerade aufgeführt wird. Der Effekt ist verstörend, da plötzlich alle emotionalen Mauern nieder gerissen werden, die uns Dank unseres gut funktionierenden Verdrängungsmechanismus vor diesen Problemen schützen.
Allein die Tatsache, dass es diese Konflikte irgendwo weit hinter den Sendemasten unsere Medien gibt, macht dieses Stück nicht zu einem besonderen. Es sind vielmehr die grundlegenden Fragestellungen, denen sich der Betrachter stellen muss. Gibt es noch Liebe oder Solidarität, wenn die Situation ausweglos und das Leben bedroht ist? Debbie Tucker Green beantwortet diese Frage nicht positiv. Sie legt sich auch nicht fest, will nicht provozieren oder gar didaktisch wirken. Sie erzählt lediglich mit schlüssigen Argumenten. Eines der kunstvollen Argumente ist die Sprache, die äußerst reduziert und fragmentarisch ist. Wo es kaum noch soziale Bindungen gibt, gibt es auch keine Kommunikation und schon gar keine emotionale Bindung mehr.
Debbie Tucker Green, britische Autorin jamaikanischer Abstammung, erzählt in ihrem Stück drei Geschichten. Ein Ehepaar führt den letzten Kampf gegeneinander, denn beide sind HIV positiv. Die Medikamente reichen nur für eine Person. Einem anderen Ehepaar wurde das Kind genommen und in eine Armee von Kindersoldaten gesteckt. Und zuletzt erlebt der Zuschauer eine junge Frau, die auf ihre Steinigung wartet und deren letzter Wunsch es war, die ältere Schwester noch einmal zu sehen.
Das alles war auf den ersten Blick irritierend, denn obwohl alles in Afrika zu spielen schien, gab es dafür keinen konkreten Hinweis. Das war von der Autorin auch so geplant. In ihrer Besetzungsanweisung forderte sie ausschließlich weiße Darsteller. Darüber hinaus soll dass Stück jeweils dort spielen, wo es gerade aufgeführt wird. Der Effekt ist verstörend, da plötzlich alle emotionalen Mauern nieder gerissen werden, die uns Dank unseres gut funktionierenden Verdrängungsmechanismus vor diesen Problemen schützen.
Allein die Tatsache, dass es diese Konflikte irgendwo weit hinter den Sendemasten unsere Medien gibt, macht dieses Stück nicht zu einem besonderen. Es sind vielmehr die grundlegenden Fragestellungen, denen sich der Betrachter stellen muss. Gibt es noch Liebe oder Solidarität, wenn die Situation ausweglos und das Leben bedroht ist? Debbie Tucker Green beantwortet diese Frage nicht positiv. Sie legt sich auch nicht fest, will nicht provozieren oder gar didaktisch wirken. Sie erzählt lediglich mit schlüssigen Argumenten. Eines der kunstvollen Argumente ist die Sprache, die äußerst reduziert und fragmentarisch ist. Wo es kaum noch soziale Bindungen gibt, gibt es auch keine Kommunikation und schon gar keine emotionale Bindung mehr.
Katharina Gebauer, Lisa Wagner © Thomas Dashuber |
Ulrike Arnold und Ulrich Beseler spielten Mann und Frau des HIV infizierten Ehepaares. Beiden stand ein Ego zur Seite, gespielt von Peter Albers und Beatrix Doderer. Das jeweilige Ego formuliert das Unausgesprochene, das Gedachte, das nicht selten im krassen Gegensatz stand zur gerade artikulierten Haltung von Mann und Frau. Dabei wurde sichtbar, dass in derartigen Ausnahmesituation ein erbarmungsloser Kampf um das Überleben tobte. Die Frage war, wer die Medikamente und damit ein paar Jahre Lebenszeit bekam, um den anderen bis in den Tod zu pflegen. Doch diese Frage wurde im Stück, wie sich später zeigte, anders gelöst. Beide wurden von einem Kindersoldaten getötet.
Dieser Kindersoldat war das Kind von Vater und Mutter, gespielt von Stefan Wilkening und Beatrix Doderer. Der Knabe war ihnen entrissen worden. Damit schien jede Verbindung zwischen der Elternteilen aufgehoben zu sein. Der Verlust führte zu gegenseitigen Anklagen ihres Versagens. Engstirnig wurden banalste Gründe zitiert. Beide bereiteten sich ihre ureigene Hölle. Doch dieser Kindersoldat (Lukas Eichhammer/Dennis Schendel ) wurde ebenfalls getötet. Und zwar von Mary, der Tochter des getöteten Ehepaares. Und der Kreis schloss sich endlich, als Mary wegen Mordes zum Tod durch Steinigung verurteil wurde. Die Barbarei ist ganzheitlich und jeder Lebende ist daran beteiligt.
Regisseur Hans-Ulrich Becker inszenierte diesen martialischen Reigen, der ohne vordergründige Gewalt auskommt, in einem arenaartigen Bühnenbild von Alexander Müller-Elmau. Dabei flogen immer wieder Pflastersteine krachend gegen die blecherne Hintergrundwand, die gleichsam Projektionsfläche für Videoeinspielungen war. Auch wenn uns der Vorgang der Steinigung völlig fremd ist, so kam die metaphorische Botschaft trotzdem an. Das Spiel war ausgefeilt und gezwungenermaßen, da der Text so karg war, hochgradig psychologisch. In jedem Fall war es verstörend für den Zuschauer, der sich plötzlich in Konflikte gestoßen sah, die eigentlich nicht die seinen sind, obwohl sie es doch sind oder zu werden drohen, denn wir existieren nur in ein und derselben Welt, die zudem immer kleiner wird.
Das packende Drama lebte von verstörenden, weil von katastrophaler Zerrissenheit kündenden Texten, einer feinsinnigen Regie und sehr guten schauspielerischen Leistungen. Eine soll dabei besonders hervorgehoben werden. Lisa Wagner klagte im Gespräch mit ihrer älteren Schwester (Katharina Gebauer) die Welt wegen ihre Gleichgültigkeit an. Dabei erzeugte sie bei jedem halbwegs sensiblen Menschen Betroffenheit und gelegentlich sogar Schmerz. Manche Einsichten sind nun einmal schmerzhaft. Aber Schmerz ist eine natürlich Einrichtung, um zu signalisieren, dass hier eine Krankheit wuchert. Noch gibt es eine Medizin.
Dieser Kindersoldat war das Kind von Vater und Mutter, gespielt von Stefan Wilkening und Beatrix Doderer. Der Knabe war ihnen entrissen worden. Damit schien jede Verbindung zwischen der Elternteilen aufgehoben zu sein. Der Verlust führte zu gegenseitigen Anklagen ihres Versagens. Engstirnig wurden banalste Gründe zitiert. Beide bereiteten sich ihre ureigene Hölle. Doch dieser Kindersoldat (Lukas Eichhammer/Dennis Schendel ) wurde ebenfalls getötet. Und zwar von Mary, der Tochter des getöteten Ehepaares. Und der Kreis schloss sich endlich, als Mary wegen Mordes zum Tod durch Steinigung verurteil wurde. Die Barbarei ist ganzheitlich und jeder Lebende ist daran beteiligt.
Regisseur Hans-Ulrich Becker inszenierte diesen martialischen Reigen, der ohne vordergründige Gewalt auskommt, in einem arenaartigen Bühnenbild von Alexander Müller-Elmau. Dabei flogen immer wieder Pflastersteine krachend gegen die blecherne Hintergrundwand, die gleichsam Projektionsfläche für Videoeinspielungen war. Auch wenn uns der Vorgang der Steinigung völlig fremd ist, so kam die metaphorische Botschaft trotzdem an. Das Spiel war ausgefeilt und gezwungenermaßen, da der Text so karg war, hochgradig psychologisch. In jedem Fall war es verstörend für den Zuschauer, der sich plötzlich in Konflikte gestoßen sah, die eigentlich nicht die seinen sind, obwohl sie es doch sind oder zu werden drohen, denn wir existieren nur in ein und derselben Welt, die zudem immer kleiner wird.
Das packende Drama lebte von verstörenden, weil von katastrophaler Zerrissenheit kündenden Texten, einer feinsinnigen Regie und sehr guten schauspielerischen Leistungen. Eine soll dabei besonders hervorgehoben werden. Lisa Wagner klagte im Gespräch mit ihrer älteren Schwester (Katharina Gebauer) die Welt wegen ihre Gleichgültigkeit an. Dabei erzeugte sie bei jedem halbwegs sensiblen Menschen Betroffenheit und gelegentlich sogar Schmerz. Manche Einsichten sind nun einmal schmerzhaft. Aber Schmerz ist eine natürlich Einrichtung, um zu signalisieren, dass hier eine Krankheit wuchert. Noch gibt es eine Medizin.
Wolf Banitzki
Stoning Mary
von Debbie Tucker Green
Ulrike Arnold, Beatrix Doderer, Katharina Gebauer, Lisa Wagner, Peter Albers, Ulrich Beseler, Stefan Wilkening und Lukas Eichhammer/Dennis Schendel Regie Hans-Ulrich Becker |