Theater im Marstall Walzers Erfindung von Vladimir Nabokov


 

 
Von der großen Stille

"Die alten Bücher sind im Irrtum. An einem Sonntag wurde die Welt geschaffen.", schreibt Vladimir Nabokov in seiner Biografie. Und sein Held Walzer sucht die Welt in den Status der Stille und des Sonntags zu setzen, um einer besseren neuen Raum zu geben. Notfalls ist er bereit diesen Zustand mit Gewalt herbeizuführen, wobei es für diese Art Visionen immer bei notfalls bleiben wird, wie uns die Geschichte lehrt. Stets entgleitet dem Visionär der Einsatz von Gewalt und erst das völlige Desaster setzt das Ende. So auch in der tragischen Komödie "Walzers Erfindung", welche 1938 in Paris entstand, nachdem Nabokov das zweite Mal ins Exil gegangen war. Als Jugendlicher verließ er Russland nach der Oktoberrevolution, später dann Nazideutschland.
 
 

 
 

Thomas Loibl

© Thomas Dashuber

 

 

In der von Carsten Dane, der auch für die Regie zeichnet, erarbeiteten Spielfassung beginnt das Stück mit der Sitzung der Generäle und des Ministers, einer hermetischen eingeschlossenen Gemeinschaft. Sie ist verstrickt in ihre eigenen Mechanismen. Das Auge des Ministers (Helmut Stange) trübt ein Staubkorn. Abwechselnd versuchen sich der Oberst und die Generäle an dem Staubkorn, doch ohne Erfolg. Es sitzt noch im Auge des Ministers als der Erfinder Salvator Walzer vorstellig wird, um seine neue Wunderwaffe zu präsentieren. Walzer singt mit der Inbrunst des begnadeten Fantasten: "Was unterscheidet so ein Staubkorn schon von den genialsten Ideen?" Die von ihm erfundene Waffe zeigt verheerende Wirkung, mit Hilfe derer sich Walzer bis zum Präsidenten "hochpresst". Zu Anfang steht seine Idee von der besseren Welt und er fordert noch auf: "Meine Herren, leisten sie sich Geist ...". Den Erfinder, den Despot, den Poet und den Psychopath verbindet die enorme Vorstellungskraft, wie der Oberst (Ulrich Beseler) bemerkt, und Thomas Loibl als Walzer, versteht es ausgezeichnet alle diese Charaktere zu vereinen. Doch im Laufe der Zeit reduziert er Walzers Facetten und es bleibt nur noch das psychotische Beharren des Machtberauschten auf Stille und die völlige Abrüstung.

Carsten Dane führt straff durch die einzelnen Stationen der Geschichte, die in der völligen Zerstörung endet, wie der Zuschauer bildhaft durch die übergroßen Monitore aus der Zeit der Anfänge des Bildschirmzeitalters erfährt. Die Monitore, die das Hauptmerkmal des von Nicolas Baginsky sinnfällig gestalteten Bühnenbildes darstellen, sind die Verbindung zur Welt, zu den feindlichen Raketenstationen oder zur Tochter General Zorns.

Lediglich einmal entgleitet die Inszenierung ins platt plakative, nämlich als der Minister und die Generäle als "Damen" verkleidet um die Gunst des Herrschers schlampen. Es ist die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies, die die Menschen treibt, sie wahllos nach Mitteln zur Herstellung desselben greifen lässt. Ansonsten nimmt das Stück durch eine Brechung ins Absurde den Figuren ihren Bezichtigungcharakter, - doch, diese Geschichte, ob vergangen oder gegenwärtig ist nur zu präsent. Die Umsetzung und Reduzierung des großen Schicksalsbogens von der Idee bis zu deren Ende ist in dieser Inszenierung wohlgelungen und die eineinhalb Stunden eröffnen tiefe Einblicke. Die Antwort auf die Frage: Ist und bleibt Zerstörung die einzige Lösung die Mensch kennt?, wird eindeutig mit Ja beantwortet. Wie wenig tauglich jedoch die Ausübung von Gewalt zur "Herstellung von Frieden" ist, erfahren wir jeden Tag aufs Neue.

 
C.M.Meier

 

 


Walzers Erfindung

von Vladimir Nabokov

Peter Albers, Ulrich Beseler, Rudolf Waldemar Brem, Alfred Kleinheinz, Christian Lerch, Thomas Loibl, Helmut Stange, Johanna Freya Sembritzki

Konzept/Regie: Carsten Dane