Marstall Die Reise ins Innere des Zimmers von Michal Walczak
Alle .. Jahre wieder
Bisweilen scheint es, das Leben bewege sich im Kreis. Doch sieht man genauer hin, so stellt man fest, dass es eine Spirale sein könnte, der die Bewegung folgt. Und der Blick zurück ist bisweilen unerlässlich, will man Gegenwärtigem näher kommen - so auch bei dem Werk des jungen polnischen Dramatikers Michal Walczak.
In den 60ziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts schrieb der polnische Schriftsteller Tadeusz Rózewicz, Jahrgang 1921, das Theaterstück „Die Kartothek“, welches nicht nur auf Grund seiner Perspektive eine neue Richtung eröffnete und das polnische Theater in die Moderne führte. Rózewicz interessierte vor allem das „innere Theater“ und sein Blick darauf, den er mit poetischen Mitteln artikulierte, erfasst vor allem das Groteske, das Absurde. Das Stück: Ein Zimmer, ein Mann liegt darin im Bett und leidet an sich, an seiner Generation und an der nach dem Krieg veränderten Welt. Durch das Zimmer scheint eine Straße zu führen, auf der Begegnungen stattfinden.
Michal Walczak, Jahrgang 1979, nahm 50 Jahre später den Faden dieses Stückes auf und führt mit „Die Reise ins Innere des Zimmers“ in die postmoderne Gegenwart. Es scheint Rózewicz Zimmer aus „Kartothek“ zu sein, das er heraufbeschwört, auf das er Bezug nimmt und in dem er ein weiteres „Drama“ sichtbar macht. Dazu personifiziert Walzcak einen Vorhang, der den Zuschauer empfängt, einführt und durch das Werk begleitet. Der Vorhang ist weitestgehend ein Relikt der Vergangenheit. Der Eiseren Vorhang ist längst aufgegangen, nur noch in wenigen Inszenierungen findet der Theatervorhang Verwendung und aus den meisten Häusern und Wohnungen ist er ebenfalls verschwunden. Doch der von Michal Walczak angesprochene Vorhang ist in Wirklichkeit ein anderer. Es ist der Vorhang zwischen dem Innen und dem Außen im Mensch selbst.
Die durch Haltung, Moral und Bildung entwickelte Abgrenzung zwischen Bewusstem (Das Unterbewusste ist Bestandteil des Bewusstseins.) und Unbewusstem geht nun in diesen Jahren immer wieder weiter auf, bleibt vielfach offen. Die Ebenen verwischen und der auf sich zurückgeworfene Mensch verliert sich selbst im vermischten Innen und Außen. Grenzenlos wähnt er sich allmächtig und ist doch nur dem Wahn anheim gefallen. Konnten hinter einem Vorhang noch verborgene Welten entstehen, aus denen der eine oder andere Gedanke, das eine oder andere Bild durch Öffnen desselben einen Betrachter erreichen, nachhaltig bewegen, so ist die offene Szene nichts als der Tummelplatz des gleichzeitigen Widerspruchs.
Bisweilen scheint es, das Leben bewege sich im Kreis. Doch sieht man genauer hin, so stellt man fest, dass es eine Spirale sein könnte, der die Bewegung folgt. Und der Blick zurück ist bisweilen unerlässlich, will man Gegenwärtigem näher kommen - so auch bei dem Werk des jungen polnischen Dramatikers Michal Walczak.
In den 60ziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts schrieb der polnische Schriftsteller Tadeusz Rózewicz, Jahrgang 1921, das Theaterstück „Die Kartothek“, welches nicht nur auf Grund seiner Perspektive eine neue Richtung eröffnete und das polnische Theater in die Moderne führte. Rózewicz interessierte vor allem das „innere Theater“ und sein Blick darauf, den er mit poetischen Mitteln artikulierte, erfasst vor allem das Groteske, das Absurde. Das Stück: Ein Zimmer, ein Mann liegt darin im Bett und leidet an sich, an seiner Generation und an der nach dem Krieg veränderten Welt. Durch das Zimmer scheint eine Straße zu führen, auf der Begegnungen stattfinden.
Michal Walczak, Jahrgang 1979, nahm 50 Jahre später den Faden dieses Stückes auf und führt mit „Die Reise ins Innere des Zimmers“ in die postmoderne Gegenwart. Es scheint Rózewicz Zimmer aus „Kartothek“ zu sein, das er heraufbeschwört, auf das er Bezug nimmt und in dem er ein weiteres „Drama“ sichtbar macht. Dazu personifiziert Walzcak einen Vorhang, der den Zuschauer empfängt, einführt und durch das Werk begleitet. Der Vorhang ist weitestgehend ein Relikt der Vergangenheit. Der Eiseren Vorhang ist längst aufgegangen, nur noch in wenigen Inszenierungen findet der Theatervorhang Verwendung und aus den meisten Häusern und Wohnungen ist er ebenfalls verschwunden. Doch der von Michal Walczak angesprochene Vorhang ist in Wirklichkeit ein anderer. Es ist der Vorhang zwischen dem Innen und dem Außen im Mensch selbst.
Die durch Haltung, Moral und Bildung entwickelte Abgrenzung zwischen Bewusstem (Das Unterbewusste ist Bestandteil des Bewusstseins.) und Unbewusstem geht nun in diesen Jahren immer wieder weiter auf, bleibt vielfach offen. Die Ebenen verwischen und der auf sich zurückgeworfene Mensch verliert sich selbst im vermischten Innen und Außen. Grenzenlos wähnt er sich allmächtig und ist doch nur dem Wahn anheim gefallen. Konnten hinter einem Vorhang noch verborgene Welten entstehen, aus denen der eine oder andere Gedanke, das eine oder andere Bild durch Öffnen desselben einen Betrachter erreichen, nachhaltig bewegen, so ist die offene Szene nichts als der Tummelplatz des gleichzeitigen Widerspruchs.
Hannes Liebmann, Sebastian Winkler © Thomas Dashuber |
Der Vorhang und Judas begegnen einander auf der Straße, fünfzig Jahre sind vergangen seit ihrer letzten Zusammenkunft. Endlich ist wieder einer gefunden, der geeignet erscheint in das besagte Zimmer einzuziehen. Jerzy Haut, der Protagonist, ist 32 Jahre alt und noch Student. Er möchte endlich erwachsen werden, mietet eine Wohnung, nimmt einen Job an, um für sich und seine Freundin Elka eine Perspektive mit Zukunft zu schaffen. Sein Freund Gold führt ihm nochmals die Vorzüge des Studentenlebens vor Augen, doch ohne Erfolg. Haut mietet das Single-Appartement, ein Zimmer in der „Leeren Straße“ von Herrn von Außen. Doch der erste Anruf, den er erhält, ist die Absage seines Jobs und Elka fühlt sich noch zu jung, um sich zu binden. Als Elka sich in Gold verliebt, der einen Goldzahn trägt wie Elkas Vater, brechen für Haut die Perspektiven außen zusammen. Er erkennt sich, als auf sich zurückgeworfen und Judas findet Einlass. „Ich bin das Ich. – Du bist das Du.“, sagt Jerzy Haut zu ihm und teilt seine Wohnung und Welt mit ihm, verrät sich selbst. Nur ein Mal kommt Besuch, Gold und Elka.
Jerzy Haut, dargestellt von Oliver Möller, war ein verlorener, zerrissener junger Mann. Eingangs hoffnungsvoll, musste er erkennen, dass seine Bemühungen vergeblich waren und so ergab er sich, mit bloßer Haut angetan, gefasst seinem Schicksal. Katharina Gebauer verkörperte seine Freundin Elka als feine leichte Person, die Spaß und Unterhaltung bevorzugte. Spitz und ein wenig schrill, zu schrill, verwies sie auf die allgemein auftretende, wohl schon zur Gewohnheit gewordene Hysterie (was sich sicherlich noch einspielen wird). Frederic Linkmann gab pfiffig und lebendig, lässig modern Hauts Freund Gold. Angemessen zurückhaltend, doch aufmerksam wach erschien Sebastian Winkler als Judas. Brillant in seiner Rolle war Hannes Liebmann als Vorhang. Vielfältig, hinterhältig und offensichtlich gestaltete er, passend gekleidet in hautfarbenen Samt und mit Goldquaste, das „Requisit“. Auch schlüpfte Hannes Liebmann wendig in Mantel und Mütze und damit in die Figur des Vermieters namens von Außen, oder mit Kopfschal in die Doppelgestalt VaterMutter.
Regisseur Sebastian Linz ließ in seinem Konzept wenig Raum für Missverständnisse. Er setzte auf klare Struktur der Szenen und der Personen. Es gelang ihm innere Vorgänge sichtbar zu machen, von der Steigerung des Wahns bis zur Bluttat und dem letzten Schuss. Die Bühne (Aylin Kaip) wurde von dem Zimmer beherrscht. Es kam in seiner Holperigkeit einer gebirgigen Landschaft gleich. Hautfarben war der Stoff, mit dem alles überdeckt war, eine Grube - es könnte der Magen sein, in dem das von außen Zugeführte umgewandelt und verwertet wird - bildete den Mittelpunkt. Es ist die Haut, dieses lederartige Gewebe, welche das Innere des Menschen zusammenhält, ihn bedeckt und abgrenzt. Sie ist sein größtes Sinnesorgan. Aufgebreitet lag sie vor dem Zuschauer. An den Rändern verbildlichten Drahtskulpturen weitere Organe, aber auch die Bäume vor dem Haus und die Wände des Zimmers. Die Musik (Ben Knabe) in den Szenenwechsel imitierte Herzschlag und Geräusche aus dem Inneren des Körpers. Bedrohlich und unheimlich füllten die Klänge den Raum, in dem es dunkel, schwarz war für einen Moment.
Im Marstall kam mit „Die Reise ins Innere des Zimmers“ ein, das Absurde und die menschliche Verstörung sichtbar machendes Stück in einer plastisch realistischen Inszenierung auf die Bühne.
C.M.Meier
Jerzy Haut, dargestellt von Oliver Möller, war ein verlorener, zerrissener junger Mann. Eingangs hoffnungsvoll, musste er erkennen, dass seine Bemühungen vergeblich waren und so ergab er sich, mit bloßer Haut angetan, gefasst seinem Schicksal. Katharina Gebauer verkörperte seine Freundin Elka als feine leichte Person, die Spaß und Unterhaltung bevorzugte. Spitz und ein wenig schrill, zu schrill, verwies sie auf die allgemein auftretende, wohl schon zur Gewohnheit gewordene Hysterie (was sich sicherlich noch einspielen wird). Frederic Linkmann gab pfiffig und lebendig, lässig modern Hauts Freund Gold. Angemessen zurückhaltend, doch aufmerksam wach erschien Sebastian Winkler als Judas. Brillant in seiner Rolle war Hannes Liebmann als Vorhang. Vielfältig, hinterhältig und offensichtlich gestaltete er, passend gekleidet in hautfarbenen Samt und mit Goldquaste, das „Requisit“. Auch schlüpfte Hannes Liebmann wendig in Mantel und Mütze und damit in die Figur des Vermieters namens von Außen, oder mit Kopfschal in die Doppelgestalt VaterMutter.
Regisseur Sebastian Linz ließ in seinem Konzept wenig Raum für Missverständnisse. Er setzte auf klare Struktur der Szenen und der Personen. Es gelang ihm innere Vorgänge sichtbar zu machen, von der Steigerung des Wahns bis zur Bluttat und dem letzten Schuss. Die Bühne (Aylin Kaip) wurde von dem Zimmer beherrscht. Es kam in seiner Holperigkeit einer gebirgigen Landschaft gleich. Hautfarben war der Stoff, mit dem alles überdeckt war, eine Grube - es könnte der Magen sein, in dem das von außen Zugeführte umgewandelt und verwertet wird - bildete den Mittelpunkt. Es ist die Haut, dieses lederartige Gewebe, welche das Innere des Menschen zusammenhält, ihn bedeckt und abgrenzt. Sie ist sein größtes Sinnesorgan. Aufgebreitet lag sie vor dem Zuschauer. An den Rändern verbildlichten Drahtskulpturen weitere Organe, aber auch die Bäume vor dem Haus und die Wände des Zimmers. Die Musik (Ben Knabe) in den Szenenwechsel imitierte Herzschlag und Geräusche aus dem Inneren des Körpers. Bedrohlich und unheimlich füllten die Klänge den Raum, in dem es dunkel, schwarz war für einen Moment.
Im Marstall kam mit „Die Reise ins Innere des Zimmers“ ein, das Absurde und die menschliche Verstörung sichtbar machendes Stück in einer plastisch realistischen Inszenierung auf die Bühne.
C.M.Meier
Die Reise ins Innere des Zimmers
von Michal Walczak
Oliver Möller, Frederic Linkemann, Katharina Gebauer, Hannes Liebmann, Sebastian Winkler Regie: Sebastian Linz |