Marstall Katzelmacher von Rainer Werner Fassbinder
Das Fremde oder Ein Gespenst geht um
In einem Dorf unweit von München hängen 10 Jugendliche ihren verkümmerten, rudimentären Träumen nach. Diese sind angesiedelt zwischen Aufbegehren und dem Wertesystem der Eltern, zwischen Sehnsucht nach einer Ordnung und Anarchie. Angeheizt wird dieser Konflikt, als der Grieche Jorgos als Gastarbeiter in das Dorf kommt. Der Fremde, der gleichsam für das Fremde steht, verunsichert, schürt Abneigung und Selbstzweifel. Die Mädchen finden den Fremden anziehend, und das erst recht, als sich herumspricht, dass er auch unter der Gürtellinie attraktiver ist als die Dorfjungen.
Die Ordnung, oder das, was die Jugendlichen darunter verstehen, ist gestört. „Eine Ordnung muss wieder her“, hetzt Helga, das Mädchen aus dem Nachbardorf. Als Gunda mit dem Versuch, sich Jorgos zu angeln, scheitert, lässt sie lapidar wissen: „Totschlagen solche Leut, glatt totschlagen.“ Besonders leidet Erich unter der Situation, denn er hat Marie an den „Katzelmacher“, wie man die griechischen Gastarbeiter dereinst nannte, verloren. „Niemand hat mir was getan. Einen Zorn hab ich, sonst nichts.“ Die Begehrlichkeiten und Animositäten nach und gegen Jorgos wachsen sich unaufhaltsam aus. Als selbst die junge Unternehmerin Elisabeth ihrem ausländischen Angestellten Avancen macht („Jeder ist besser wie keiner.“), hat sich der Mob bereits formiert und aufgerüstet. Die Spirale der Gewaltbereitschaft hat den „Point of no Return“ erreicht. Das Unausweichliche findet statt.
Was als „Junges Resi“ im Marstall offeriert wurde, war in der Sache so neu nicht, denn drei der jungen Laiendarsteller (Michel Kopmann, Loris Kubeng und Tamara Theisen) waren bereits in der überaus bemerkenswerten und gelungenen Inszenierung „Dreck“ von Robert Schneider in der Regie von Manuela Kücükdag im Marstall zu sehen. Die als „Intergroup“ bezeichnete Schauspielformation hat sich nun unter der Leitung der Regisseurin Anja Sczilinski des Szenarios von „Katzelmacher“ von Rainer Werner Fassbinder angenommen, um einerseits das internationale Projekt „POSTPARADISE FASSBINDER NOW“ zum Abschluss zu bringen und andererseits auf ein sehr aktuelles Thema zu reagieren. Die elf Jugendlichen aus fünf Nationen im Alter zwischen 16 und 24 Jahren setzten sich in dieser Arbeit mit Problemen auseinander, die durchaus auch ihre eigenen sein können oder die ihrer Altersgenossen sind. So kann davon ausgegangen werden, dass diese Arbeit zuerst die Protagonisten über die Auseinandersetzung mit ihren Rollen formte und dann das Publikum. Es ist ein lobenswerter Ansatz, der darüber hinaus eine Vielzahl Jugendlicher ins Theater bringt und Berührungsängste abbaut.
In einem Dorf unweit von München hängen 10 Jugendliche ihren verkümmerten, rudimentären Träumen nach. Diese sind angesiedelt zwischen Aufbegehren und dem Wertesystem der Eltern, zwischen Sehnsucht nach einer Ordnung und Anarchie. Angeheizt wird dieser Konflikt, als der Grieche Jorgos als Gastarbeiter in das Dorf kommt. Der Fremde, der gleichsam für das Fremde steht, verunsichert, schürt Abneigung und Selbstzweifel. Die Mädchen finden den Fremden anziehend, und das erst recht, als sich herumspricht, dass er auch unter der Gürtellinie attraktiver ist als die Dorfjungen.
Die Ordnung, oder das, was die Jugendlichen darunter verstehen, ist gestört. „Eine Ordnung muss wieder her“, hetzt Helga, das Mädchen aus dem Nachbardorf. Als Gunda mit dem Versuch, sich Jorgos zu angeln, scheitert, lässt sie lapidar wissen: „Totschlagen solche Leut, glatt totschlagen.“ Besonders leidet Erich unter der Situation, denn er hat Marie an den „Katzelmacher“, wie man die griechischen Gastarbeiter dereinst nannte, verloren. „Niemand hat mir was getan. Einen Zorn hab ich, sonst nichts.“ Die Begehrlichkeiten und Animositäten nach und gegen Jorgos wachsen sich unaufhaltsam aus. Als selbst die junge Unternehmerin Elisabeth ihrem ausländischen Angestellten Avancen macht („Jeder ist besser wie keiner.“), hat sich der Mob bereits formiert und aufgerüstet. Die Spirale der Gewaltbereitschaft hat den „Point of no Return“ erreicht. Das Unausweichliche findet statt.
Was als „Junges Resi“ im Marstall offeriert wurde, war in der Sache so neu nicht, denn drei der jungen Laiendarsteller (Michel Kopmann, Loris Kubeng und Tamara Theisen) waren bereits in der überaus bemerkenswerten und gelungenen Inszenierung „Dreck“ von Robert Schneider in der Regie von Manuela Kücükdag im Marstall zu sehen. Die als „Intergroup“ bezeichnete Schauspielformation hat sich nun unter der Leitung der Regisseurin Anja Sczilinski des Szenarios von „Katzelmacher“ von Rainer Werner Fassbinder angenommen, um einerseits das internationale Projekt „POSTPARADISE FASSBINDER NOW“ zum Abschluss zu bringen und andererseits auf ein sehr aktuelles Thema zu reagieren. Die elf Jugendlichen aus fünf Nationen im Alter zwischen 16 und 24 Jahren setzten sich in dieser Arbeit mit Problemen auseinander, die durchaus auch ihre eigenen sein können oder die ihrer Altersgenossen sind. So kann davon ausgegangen werden, dass diese Arbeit zuerst die Protagonisten über die Auseinandersetzung mit ihren Rollen formte und dann das Publikum. Es ist ein lobenswerter Ansatz, der darüber hinaus eine Vielzahl Jugendlicher ins Theater bringt und Berührungsängste abbaut.
Carina Wiedemann, Sarah Thonig, Paul Langemann, Michel Kopmann © Frank Stolle |
Peter N. Schultzes Bühne ist vornehmlich ein praktikabler Spielraum. Zwei bewegliche Wände wurden genutzt, um innere Konstellationen wie Zusammenhalt, Front machen oder Fallen errichten, zu verdeutlichen. Die Kostüme unterstrichen den jugendlichen Drang, Individualismus zu demonstrieren, der nicht selten, wenn innere Einheiten wie gemeinsame Gewaltbereitschaft entstand, uniform werden. Regisseurin Anja Sczilinski nutzte den Spielraum wie eine Arena, aus der die Darsteller heraustreten konnten, um gleichsam zu Zuschauern zu werden. Michael Emanuel Bauer lieferte life musikalische Kommentare, zitierte zeitgenössische Schlager, aber auch klassenkämpferische Attitüden, wenn es um weltanschauliche Ansätze ging. Der Kommunismus wurde (recht platt und ohne Effekt) diskutiert, aber auch die aktuelle Finanzkrise, für die Griechenland wie kaum ein anderes Land steht. Erstaunlich immerhin, wie sich die Vorurteile in Krisensituationen gleich einem Phönix aus der Asche wieder erheben. ‚Die faulen Griechen, die verlogenen Griechen, die Deutsche für Nazis halten, die auf unsere Kosten lebenden Griechen, und, und ...’
Obgleich allen beteiligten jungen Darstellern ein Höchstmaß an Spiellust und auch eine deutliche, von echter Begabung zeugenden, darstellerische Präsenz zugestanden werden kann und muss, fühlten sich die eine Stunde und zehn Minuten deutlich länger an. Zwar war es der Regisseurin gelungen, den Schauspielern zu wirklichen, präzise agierenden Bühnencharakteren zu verhelfen, doch die Geschichte als solche blieb faserig und nicht stringent genug. Das lag vielleicht auch daran, dass das Spiel räumlich nicht selten soweit auseinander driftete und wichtige Zusammenhänge, wie die einzelnen Beziehungen der Rollen untereinander, aus dem Focus gerieten. Dennoch war es eine Lust, dem lustvollen, agilen und engagierten Spiel zu folgen. Verglichen mit den anderen, in München zur Zeit laufenden Fassbinder-Inszenierungen bestach diese Arbeit durch ihre unmittelbare Aktualität. Es bleibt zu hoffen, dass sich dieses Format als eines neben anderen am Staatstheater etablieren kann, denn an solchen Abenden, wie dem hier beschriebenen, fühlt sich der Zuschauer auf angenehmste Weise als Partner des Theaters.
Obgleich allen beteiligten jungen Darstellern ein Höchstmaß an Spiellust und auch eine deutliche, von echter Begabung zeugenden, darstellerische Präsenz zugestanden werden kann und muss, fühlten sich die eine Stunde und zehn Minuten deutlich länger an. Zwar war es der Regisseurin gelungen, den Schauspielern zu wirklichen, präzise agierenden Bühnencharakteren zu verhelfen, doch die Geschichte als solche blieb faserig und nicht stringent genug. Das lag vielleicht auch daran, dass das Spiel räumlich nicht selten soweit auseinander driftete und wichtige Zusammenhänge, wie die einzelnen Beziehungen der Rollen untereinander, aus dem Focus gerieten. Dennoch war es eine Lust, dem lustvollen, agilen und engagierten Spiel zu folgen. Verglichen mit den anderen, in München zur Zeit laufenden Fassbinder-Inszenierungen bestach diese Arbeit durch ihre unmittelbare Aktualität. Es bleibt zu hoffen, dass sich dieses Format als eines neben anderen am Staatstheater etablieren kann, denn an solchen Abenden, wie dem hier beschriebenen, fühlt sich der Zuschauer auf angenehmste Weise als Partner des Theaters.
Wolf Banitzki
Katzelmacher
von Rainer Werner Fassbinder
Felix Erbersdobler, Lena Heiß, Michel Kopmann, Loris Kubeng, Paul Langemann, Arber Mucolli, Carlotta Riesser, Tamara Theisen, Sarah Thonig, Carina Wiedemann, Naemi Wolf Regie: Anja Sczilinski |