Metropol Theater Der Golem nach Gustav Meyrink
Auf der Suche nach dem innersten Ich
Eine sonderbare Geschichte wurde dem Besucher der Vorstellung "Der Golem" im Metropoltheater da erzählt, eine Geschichte, die am Ende zwar einen Sinn erhielt, doch vieles unerhört ließ. Ein Mann erwacht in einem Hotel nach nur einstündigem Schlaf und glaubt, in dieser Zeit ein 33jähriges anderes Leben geführt zu haben, das Leben des Gemmenschneiders Athanasius Pernath. Der Traum ließe sich wohl leicht als solcher abtun, wenn er nicht den Hut besagten Pernaths in den Händen hielt.
Jochen Schölch, Stückentwickler, wie er sich selbst nennt, und Regisseur, bediente sich für dieses außerordentliche Theaterereigniss einer Vorlage, die im zweiten Dezennium des 20. Jahrhundert Triumphe feierte. Der Roman "Der Golem" von Meyerink, ein Bestseller seiner Zeit, traf wohl den Nerv derselben. Im Prager jüdischen Viertel, unterhalb des Hradschins angesiedelt, beschreibt es ein Leben voller Düsternis und Armut, in dem Liebe und Leid, Reichtum und Elend und auch Mord Hand in Hand einhergehen.
Das vom Erzähler durchlittene Leben ist voller Dramatik, das ihn immer wieder herausfordert und zu Handlungen zwingt, denen er sich nur widerwillig ergibt. Der Besuch eines Mannes mit schräg stehenden Augen und hervorspringenden Wangenknochen, einem Gang, als würde er gleich vornüberfallen, bringt alles aus dem Lot, denn Pernath erkennt in dieser Erscheinung eigenen Züge. Wer ist er, Pernath, der sich an seine Vergangenheit nur dunkel und bruchstückhaft erinnern kann und von dem behauptet wird, er sei früher wahnsinnig gewesen? Ist er gar der Golem?
Eine sonderbare Geschichte wurde dem Besucher der Vorstellung "Der Golem" im Metropoltheater da erzählt, eine Geschichte, die am Ende zwar einen Sinn erhielt, doch vieles unerhört ließ. Ein Mann erwacht in einem Hotel nach nur einstündigem Schlaf und glaubt, in dieser Zeit ein 33jähriges anderes Leben geführt zu haben, das Leben des Gemmenschneiders Athanasius Pernath. Der Traum ließe sich wohl leicht als solcher abtun, wenn er nicht den Hut besagten Pernaths in den Händen hielt.
Jochen Schölch, Stückentwickler, wie er sich selbst nennt, und Regisseur, bediente sich für dieses außerordentliche Theaterereigniss einer Vorlage, die im zweiten Dezennium des 20. Jahrhundert Triumphe feierte. Der Roman "Der Golem" von Meyerink, ein Bestseller seiner Zeit, traf wohl den Nerv derselben. Im Prager jüdischen Viertel, unterhalb des Hradschins angesiedelt, beschreibt es ein Leben voller Düsternis und Armut, in dem Liebe und Leid, Reichtum und Elend und auch Mord Hand in Hand einhergehen.
Das vom Erzähler durchlittene Leben ist voller Dramatik, das ihn immer wieder herausfordert und zu Handlungen zwingt, denen er sich nur widerwillig ergibt. Der Besuch eines Mannes mit schräg stehenden Augen und hervorspringenden Wangenknochen, einem Gang, als würde er gleich vornüberfallen, bringt alles aus dem Lot, denn Pernath erkennt in dieser Erscheinung eigenen Züge. Wer ist er, Pernath, der sich an seine Vergangenheit nur dunkel und bruchstückhaft erinnern kann und von dem behauptet wird, er sei früher wahnsinnig gewesen? Ist er gar der Golem?
Birthe Wolter, Matthias Grundig, Bernhard Letizky © Hilda Lobinger |
Sein Freund, der Archivar Hillel im Rang eines Rabbis, hilft ihm, diesen Wahn zu überwinden und erklärt nebenher die Legende vom Golem als immer wiederkehrende virulente Erscheinung im Glauben der Menschen:
"Immer einmal in der Zeit eines Menschenalters geht blitzschnell eine geistige Epidemie durch die Judenstadt, befällt die Seelen der Lebenden zu irgendeinem Zweck, der uns verhüllt bleibt, und läßt wie eine Luftspiegelung die Umrisse eines charakteristischen Wesens erstehen, das vielleicht vorjahrhunderten hier gelebt hat und nach Form und Gestaltung dürstet."
Hillel ist ein weiser Mann, der die Menschen kennt und so vermag er dieses Phänomen auch als die verzweifelte und schmerzhafte Suche nach dem innersten Ich zu erklären:
"Auch ein silberner Spiegel, hätte er Empfindung, litte nur Schmerzen, wenn er poliert wird. Glatt und glänzend geworden, gibt er alle Bilder wieder, die auf ihn fallen, ohne Leid und Erregung."
"Wohl dem Menschen", setzte er leise hinzu, "der von sich sagen kann: Ich bin geschliffen."
Jochen Schölch nennt den Vorgang der Dramatisierung zu Recht eine Stückentwicklung, denn er hat den Meyrinkschen Prosatext zu einer Spielfassung arrangiert. So wurde daraus kein Drama, sondern Erzähltheater. Das tat der Sache jedoch keinen Abbruch, denn ihm gelang eine hoch verdichtete atmosphärische Geschichte, die wie ein Krimi fesselte. Zudem und ganz nebenher erbrachte er wieder einmal den Beweis, dass für gutes Theater kaum mehr als eine Handvoll Requisiten und zwei Quadratmeter Spielfläche ausreichend sind. Große Unterstützung erfuhr dieses minimalistische Werk durch die ausgefeilte Lichtregie von Tobias Zohner, die auf suggestive Weise die Aufmerksamkeit des Betrachters lenkte. Zentrales Objekt des Bühnenbildes war ein Konstrukt, das sich durch Kippen und Drehen in ein Bett, eine Tür, einen Innenraum, eine Gefängniszelle und in ein Gartentor verwandeln ließ. Einzig die Verwendung des Materials (Edelstahl o.ä.) störte, denn es erinnerte doch sehr an eine Designerküche und verlieh Schwere. So entstand auch eine Diskrepanz zum restlichen Bühnenbild von Quint Buchholz, bestehend aus Kleiderpuppen, die unaufdringlich im Hintergrund die Bevölkerung des Viertels ins Bewusstsein rückten.
Matthias Grundig als Erzähler und Pernath schien für diese Rolle wohl die Idealbesetzung zu sein. Er schuf eine Gestalt, die in Bezug auf physische Präsenz nichts zu wünschen übrig ließ. Sein gestisches und mimisches Vermögen half unmissverständlich beim Offenlegen der tiefenpsychologischen Vorgänge, soweit sie überhaupt auszuloten waren, denn hier spielte ein Mythos die Hintergrundmelodie. Einzelne Darsteller hervorzuheben hieße, anderen unrecht tun. Die Inszenierung war auf Ensemblespiel angelegt und diesem Anspruch wurden alle Beteiligten gerecht. Eine Besonderheit wäre jedoch noch zu unterstreichen. Regisseur Schölch verpflichtete "Unsere Lieblinge", den Münchnern hinlänglich bekannt. Ihre musikalische und Geräuschunterstützung steigerte die Intensität der Abläufe immens. Einziger Wermutstropfen waren die teilweise englischsprachigen Texte, die dissonant das Bild Prags zu Zeiten Kafkas beeinträchtigten.
Ein Geheimnis blieb auf der Suche des Erzählers und genau das war die dominante Wirkung des Abends, wie man an der aufgeregten Reaktion des Publikums nach der Vorstellung spüren konnte. Als er am Ende zu einem fantastischen Ort gelangte, um Herrn Pernath seinen Hut zurück zu bringen, der versehentlich gegen seinen vertauscht worden war, stand er sich unvermittelt selbst gegenüber. Und als Herr Pernath ihm ausrichten ließ: "Er wolle nur hoffen, daß der seinige Ihnen keine Kopfschmerzen verursacht habe", war alles wieder offen.
Hillel ist ein weiser Mann, der die Menschen kennt und so vermag er dieses Phänomen auch als die verzweifelte und schmerzhafte Suche nach dem innersten Ich zu erklären:
"Auch ein silberner Spiegel, hätte er Empfindung, litte nur Schmerzen, wenn er poliert wird. Glatt und glänzend geworden, gibt er alle Bilder wieder, die auf ihn fallen, ohne Leid und Erregung."
"Wohl dem Menschen", setzte er leise hinzu, "der von sich sagen kann: Ich bin geschliffen."
Jochen Schölch nennt den Vorgang der Dramatisierung zu Recht eine Stückentwicklung, denn er hat den Meyrinkschen Prosatext zu einer Spielfassung arrangiert. So wurde daraus kein Drama, sondern Erzähltheater. Das tat der Sache jedoch keinen Abbruch, denn ihm gelang eine hoch verdichtete atmosphärische Geschichte, die wie ein Krimi fesselte. Zudem und ganz nebenher erbrachte er wieder einmal den Beweis, dass für gutes Theater kaum mehr als eine Handvoll Requisiten und zwei Quadratmeter Spielfläche ausreichend sind. Große Unterstützung erfuhr dieses minimalistische Werk durch die ausgefeilte Lichtregie von Tobias Zohner, die auf suggestive Weise die Aufmerksamkeit des Betrachters lenkte. Zentrales Objekt des Bühnenbildes war ein Konstrukt, das sich durch Kippen und Drehen in ein Bett, eine Tür, einen Innenraum, eine Gefängniszelle und in ein Gartentor verwandeln ließ. Einzig die Verwendung des Materials (Edelstahl o.ä.) störte, denn es erinnerte doch sehr an eine Designerküche und verlieh Schwere. So entstand auch eine Diskrepanz zum restlichen Bühnenbild von Quint Buchholz, bestehend aus Kleiderpuppen, die unaufdringlich im Hintergrund die Bevölkerung des Viertels ins Bewusstsein rückten.
Matthias Grundig als Erzähler und Pernath schien für diese Rolle wohl die Idealbesetzung zu sein. Er schuf eine Gestalt, die in Bezug auf physische Präsenz nichts zu wünschen übrig ließ. Sein gestisches und mimisches Vermögen half unmissverständlich beim Offenlegen der tiefenpsychologischen Vorgänge, soweit sie überhaupt auszuloten waren, denn hier spielte ein Mythos die Hintergrundmelodie. Einzelne Darsteller hervorzuheben hieße, anderen unrecht tun. Die Inszenierung war auf Ensemblespiel angelegt und diesem Anspruch wurden alle Beteiligten gerecht. Eine Besonderheit wäre jedoch noch zu unterstreichen. Regisseur Schölch verpflichtete "Unsere Lieblinge", den Münchnern hinlänglich bekannt. Ihre musikalische und Geräuschunterstützung steigerte die Intensität der Abläufe immens. Einziger Wermutstropfen waren die teilweise englischsprachigen Texte, die dissonant das Bild Prags zu Zeiten Kafkas beeinträchtigten.
Ein Geheimnis blieb auf der Suche des Erzählers und genau das war die dominante Wirkung des Abends, wie man an der aufgeregten Reaktion des Publikums nach der Vorstellung spüren konnte. Als er am Ende zu einem fantastischen Ort gelangte, um Herrn Pernath seinen Hut zurück zu bringen, der versehentlich gegen seinen vertauscht worden war, stand er sich unvermittelt selbst gegenüber. Und als Herr Pernath ihm ausrichten ließ: "Er wolle nur hoffen, daß der seinige Ihnen keine Kopfschmerzen verursacht habe", war alles wieder offen.
Wolf Banitzki
Der Golem
nach Gustav Meyrink
Eine Stückentwicklung von Jochen Schölch Matthias Grundig, Bernhard Letizky, Birthe Wolter, Lilly Forgách, Felix Kuhn, Konstantin Moreth, Stefan Noelle, Alex Haas Regie: Jochen Schölch |