Metropol Theater Die Anleitung zum Unglücklichsein das Stück zum Buch von Paul Watzlawick


 

 

Psychologie light

Das Theater in München hat eine neue Qualität erreicht. Stückeschreibern gibt man immer häufiger den Laufpass, "das Stück zum Buch" erobert virulent die Bühnen. Hoffentlich wird damit auch die letzte Phase des Regie-(Star oder Sternchen)) Theaters eingeläutet, denn der Sinn ist mit der vorliegenden Arbeit ein weiteres Mal in Frage gestellt. Andere Beispiele in der jüngsten Vergangenheit sind "Der Golem" (Gustav Meyrink), ein durchaus gelungener Versuch im selben Haus und "Der Gehülfe" (Robert Walser) im Marstall.

Paul Watzlawick schrieb mit seiner "Anleitung zum Unglücklichsein" einen Millionenbestseller. Diese Tatsche sollte eigentlich stutzig machen bezüglich des Wertes des Buches. Watzlawick ist Wissenschaftler, auch, wenn er sich seine Sporen am C.G. Jung Institut in Zürich verdient hat. Immerhin arbeitet er in Palo Alto und an der Stanford Universität.

Es leuchtet durchaus ein, dass ein guter Roman von einem begabten Dramatiker oder Dramaturgen in eine Theaterform gebracht werden kann. Aber ein wissenschaftliches Werk? Nun, so wissenschaftlich ist es gar nicht und der Umstand des Erfolges unterstreicht das auch. Watzlawick hat auf unterhaltsame Weise beschrieben, was wir eigentlich schon wussten oder ahnten, ohne es uns eingestehen zu wollen, nämlich, dass wir die Fähigkeit zum Unglücklichsein erworben und verbissen kultiviert haben. Wenn er diese Mechanismen in Fallbeispielen offen legt, gibt es im Publikum einhellig ein Déjàvu-Erlebnis und die Freude ist groß.
 
   
 

Julia Koschitz, Jacques Breuer, Susanne von Medvey, David Baalcke

© Hilda Lobinger

 

Nun gibt die Aneinanderreihung von wissenschaftlichen Exkursen zum Thema noch keine dramatische Struktur. Regisseur Martin Östreicher schuf Abhilfe und einen Rahmen. Das Publikum war zu einem Workshop von Prof. Dr. Theodor-Maria Schwarz geladen. Diese Situation ist hinlänglich bekannt und für einige Zeitgenossen schon eine Lebensform. Nun ist aber diese Prämisse immer noch nicht ausreichend, eine griffige Dramaturgie herzustellen und so erklärt Östreicher kurzerhand das Chaos zur selbigen. Schwarz kommt nicht. Es heißt, er sei im Verkehr stecken geblieben, später erfährt das Publikum, Schwarz gibt es gar nicht. So ergreifen die Assistenten das Wort und scheitern unentwegt. Die Realität ihrer eigenen Leben vermischt sich mit den Realitäten der dargestellten Fälle. Und was lernt das Publikum daraus? Alle Menschen sind auch nur Menschen.

Dass Regisseur Östreicher wider den tierischen Ernst bei der Selbsterkenntnis antrat, war unübersehbar und dagegen ist grundsätzlich auch nichts einzuwenden. Wenn er aber einen philosophisch-psychologischen Exkurs abhält, sollte er zumindest das Wissen unserer Vorfahren respektieren. Spätestens, wenn er Descartes zum Mechanisten erklärt, bleibt dem der Philosophie verbundenen Zuschauer das Lachen im Halse stecken. Durch das Austauschen des Namens Descartes gegen La Mettrie ließe sich der Satz retten. Doch es geht nicht um derartige Spitzfindigkeiten, sondern um den seriösen Umgang mit der Sache an sich. Denken im universalen Sinn und in historischen Kategorien ist zugegebener Maßen nicht der Zug unserer Zeit und gerade darum sollte sich das Theater nicht auf das Niveau von Late Night Shows hinab begeben. Und nicht viel anderes geschah am Premierenabend. Vielmehr lieferte dieser Abend einen gelungenen Beitrag zur allgemeinen Orientierungslosigkeit. Davor schützen auch Texte und Zitate von Philosophen der Antike über Shakespeare bis hin zu Lasker-Schüler nicht.

Darüber hinaus erweckte die Inszenierung gelegentlich den Eindruck des Unfertigen. So hatten die Schauspieler nicht selten unüberhörbar mit dem Text zu ringen. Doch das Premierenpublikum (Alle Verwandten, Bekannten und Freunde waren anwesend!) spendete mehr als einmal Szenenapplaus und forcierte so eine Laxheit, die die Schauspieler sogar ermutigte, eine Gesangsnummer, die eben Mal danebengegangen war, zu wiederholen. An Aktionismus fehlte es wahrlich nicht und bei viel Stühle- und Tischerücken im Workshopbühnenbild von Sandra Hauser, gaben die Schauspieler viel. Sie entwickelten deutliche Charaktere und ließen Komödiantentum aufblitzen. Allein, den Problemen, die diese Stückentwicklung aufwarfen, konnten sie beim besten Willen nicht gewachsen sein. Bleibt abzuwarten, ob das Publikum der nachfolgenden Vorstellungen ebenso geneigt ist. Für die Premiere gab es jedenfalls kräftigen Zuspruch.

Und falls es sich noch nicht herumgesprochen hat, Philosophen sind schlechte Witze-Erzähler. Zum Beweis hier einer der bekanntesten Philosophenwitze: Warum hatte Kant keine Kinder? - Antwort eines Philosophen: Er kam mit dem "Ding an sich" nicht klar.

 
 
Wolf Banitzki

 

 


Die Anleitung zum Unglücklichsein

das Stück zum Buch von Paul Watzlawick

Susanne von Medvey, Jacques Breuer, Julia Koschitz, David Baalcke

Regie und Stückentwicklung: Martin Östreicher