Metropol Theater Die Grönholm Methode von Jordi Galceran


 

 
Die Gesetze der Macht und was vom Menschen übrig bleibt

Ein gewisser Grönholm, Chefpsychologe eines Konzerns, hat sie entwickelt, die nach ihm benannte Methode. Ihr Ziel besteht darin, geeignete Mitarbeiter für den multinationalen Konzern zu finden. Das Profil des idealen Manager: stark, dominant, kreativ und entscheidungsfähig auch unter extremen Druck. Vier Kandidaten haben sich in der Filiale eingefunden, um in der vierten und wahrscheinlich letzten Auswahlrunde den zu ermitteln, der den Anforderungen des Jobs und der Konzernleitung entspricht. Der Job ist nicht irgendeiner, es handelt sich um eine Stellung im Topmanagement, verbunden mit viel Macht und Geld. Folglich sind auch die Auswahlmethoden besonders. Der Laie wundert sich. Die Vorgänge sind zum Teil surreal und muten nicht selten pathologisch an. Dennoch weiß Autor Jordi Galceran wovon er spricht.

Der Vorgang spielte in einem so genannten Assessment Center. Hier wurden die Kandidaten mit Aufgaben konfrontiert, über deren Sinn sie bestenfalls spekulieren konnten. Sie befanden sich in einem existenziellen Dschungel, wussten nicht, wer Freund noch Feind war. Die Orientierungslosigkeit war Programm. Archaische Instinkte waren gefragt, soziales Verhalten war fadenscheinig und letztlich nicht mehr als Feigenblatt, denn es ging ums Überleben. Wer freiwillig passen würde, weil er die Aufgabenstellung als entwürdigend und unmenschlich empfand, der war endgültig raus. Am Ende musste sich denn auch der Zuschauer eingestehen, dass er allen möglichen Fährten gefolgt war, ohne wirklich hinter die Geschichte zu steigen. Alles kam ganz anders und der Betrachter war wieder einmal Opfer seiner eigenen Klischeevorstellung.
 
 

 
 

David Baalcke, Markus Eberhardt, Judith Toth, Matthias Grundig

© Hilda Lobinger

 
 
Dabei wäre es ganz einfach gewesen. Wir sollten, wenn wir über die Führungseliten nachdenken, immer vom Schlimmsten ausgehen. Allein, wir haben kaum ein Vorstellung davon, dass das vermeintlich Schlimmste längst nicht das Schlimmste ist, denn in uns schlummert immer noch ein Rest Anständigkeit. Anstand aber ist kontraproduktiv, ab einer bestimmten Sprosse der Karriereleiter. (Siehe Anhang) Jordi Galceran verfasste einen kunstvollen Krimi, witzig, ironisch, perfekt gebaut und gleichsam bedrückend, da Realität. Für Regisseurin Cordula Jung, die sich mit dieser Inszenierung um ihr Regiediplom bewarb, eine schwerstmögliche Herausforderung. Das Ergebnis überzeugte nicht nur, es begeisterte.

In einem kühlen, perfekt durchgestylten Raum ohne menschliche Haltepunkte von Tanja Pfeiffer/ Barbara Schwarz blieben die Schauspieler auf intimste Mittel angewiesen. Mimik, Gestik und das gesprochene Wort waren die einzigen verlässlichen Instrumente. Aktion fand kaum statt. Fernando Porta war der erste Kandidat. Matthias Grundig empfing das Publikum in dieser Rolle bei offener Bühne, die Financial Times lesend. In Nadelstreifen gewandet, schien er schon auf den ersten Blick der geeignete Mann zu sein, hart, asozial und mit ungebrochenem Willen zur Macht. Hinzu stieß Enrique Fond. Markus H. Ebert gestaltete die Rolle vielschichtig. Er zeigte Unsicherheit, Kompromissbereitschaft und wurde mehr als einmal von Fernando Porta in die emotionale Enge getrieben. Das Quartett vervollkommneten Mercedes Degás (Judith Toth) und Carlos Bueno (David Baalcke). Judith Toth erspielte sich in ihrer Rolle schnell die Sympathie des Publikums, das unentwegt mutmaßte, wer das Rennen wohl machen würde. Ihr Stil war weiblich, jedoch nicht ohne Nachdruck und verriet deutliche menschliche Züge. Sie versuchte unentwegt, die Vorgänge auf humane Weise zu objektivieren. David Baalcke hingegen verlieh seiner Rolle einen Pragmatismus, der an das verhalten einer Laborratte erinnerte. Als jedoch die Firmenleitung sein intimes Geheimnis lüftete, er befinde sich im Prozess einer Geschlechtsumwandlung, sich alle einhellig gegen ihn verschworen, brach eine tiefe Verzweifelung aus ihm heraus und er verließ die modere Gladiatorenarena vorzeitig.

Sämtliche schauspielerischen Leistungen waren außergewöhnlich, nuanciert, präzise und höchst einfallsreich. Für diese aus einem Guss bestehende Inszenierung erntete Regisseurin Cordula Jung mit Sicherheit und zu Recht beste Noten - zumindest beim Publikum. Sie leistete ein gutes Stück Aufklärung über eine gesellschaftliche Kaste, die hochangesehen und -bezahlt ist, deren Verfehlungen im Rahmen der Eventkultur nicht ohne Bewunderung bleiben und die in ihrer menschlichen Verkümmerung zutiefst erbärmlich ist. Mit gesundem Verstand und Abstand betrachtet, kann der Zuschauer an einem Degenerationsprozess teilhaben, der Menschlichkeit längst ausgespart hat. Das System gebiert Homunculi, deren Unfreiheit nicht mehr zu toppen ist, obgleich sie sich frei wie kein anderer dünken. Hier wird die Absurdität des Neoliberalismus und ihre Folgen sichtbar. Armes Land, wenn das deine Helden sind.

 
Wolf Banitzki



Anhang

Zehn Gebote für Manager

I. Ich bin der Herr und dulde keine anderen Götter neben mir!
II. Du sollst meinen Namen nie vergessen!
III. Du sollst den Mammon heiligen!
IV. Du sollst mich ehren!
V. Du sollst nicht töten den Rivalen, sondern nur seinen Ruf!
VI. Du sollst nicht Verträge brechen, denn es gibt Ausstiegsklauseln!
VII. Du sollst nicht stehlen, solange dir etwas besseres einfällt!
VIII. Du sollst falsch Zeugnis reden wider Deinen Nächsten, denn er tut es auch!
IX. Du sollst begehren Deines Nächsten Job!
X. Du sollst begehren Deines Nächsten Weib und alles, was der Mistkerl noch besitzt!

(Zitat Programmheft: Günter Ogger in "Macher im Machtrausch", München 1999)

 


Die Grönholm Methode

von Jordi Galceran

Judith Toth, David Baalcke, Markus Eberhardt, Matthias Grundig

Regie: Cordula Jung