Metropol Theater Nach der Hochzeit nach einem Film von Susanne Bier


 

 
Mehr als nur eine Familiengeschichte

Jacob, vor gut zwei Jahrzehnten vermutlich im Drogenrausch in Indien gestrandet, hat sein Leben in den Dienst karitativer Arbeit gestellt. Er betreibt ein Waisenhaus und sucht Finanziers. Jörgen, ein reicher Geschäftsmann, sucht seinerseits nach förderungswürdigen Projekten und bittet Jacob, nach Europa zu kommen, um die Formalitäten zu besprechen. Jacob staunt nicht schlecht, als er in Helene, der Ehefrau Jörgens, seine Jugendliebe wiedererkennt. Sie hatte ihn in Indien verlassen, nachdem Jacob mit ihrer besten Freundin geschlafen hatte. Die Überraschungen reißen nicht ab, als Jacob zur Hochzeit von Anna, Helenes Tochter, eingeladen wird und erkennen muss, dass er ihr leiblicher Vater ist. Der frischgebackene Ehemann der Tochter Anna erweist sich nicht als Glücksfall. Schnell wird deutlich, dass es sich um eine Mesalliance handelt, mit der Christian seinen Aufstieg in die Reihen der Reichen und Schönen forcieren will. Alle Mitwirkenden versichern, dass es sich bei dem Zusammentreffen um einen unglaublichen Zufall handelt. Doch spätestens als alle Beteiligten erfahren, dass Jörgen todkrank ist und seine Tage gezählt sind, kommen Zweifel an der Zufälligkeit auf. Hat Jörgen, der erfolgreiche und dominante Geschäftsmann, die Fäden gezogen?

Die Geschichte beschreibt das Leben in seiner Unerfindlichkeit. Auch wenn das Sujet konstruiert erscheint, ist es doch möglich und glaubhaft. Die Auseinandersetzung mit dem scheinbar unglaublichen Geschehen ist zwingend, denn es werden Fragen aufgeworfen, die sich alltäglich einstellen können. Den wichtigsten Vorwurf artikuliert Helene, wenn sie Jörgen empört zur Rede stellt: "Du kannst uns nicht alle in deinem kranken Zirkus herumtanzen lassen!"

Die Inszenierung der gut einstündigen Familiengeschichte von Felix Bärwald ist minimalistisch, stark verkürzt und sehr direkt. In einem Rondell, das einer Festung glich, gab es kein Entrinnen. Die Szenenwechsel mussten nicht einmal wahrgenommen werden, denn die Verstrickungen der Personen waren so eng, dass man in diesem dramatischen Konflikt keine Person von der anderen trennen konnte. Für das ansehnliche und gut funktionierende Bühnenbild, das einen sehr intimen Charakter hatte, zeichnete Claudia Walter verantwortlich.
 
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Steffen Nowak, Thomas Meinhardt, Axel Meinhardt, Christiane Bärwald

© Hilda Lobinger

 
 
Die fünf Darsteller waren nur mit dem nötigsten Text ausgestattet. Der Rest, und der hatte gehörige Dimensionen, hing vom Spielgestus ab. Thomas Meinhardts Jacob war mit der Situation, in die er ohne Vorwarnung geworfen wurde, völlig überfordert. Meinhardt spielt sehr intensiv, gab einen emotional vibrierenden, gehetzten Entwicklungshelfer, der aber dennoch von Zärtlichkeit für seine gerade empfangene Tochter erfüllt war. Lilly Forgách gestaltet ihre Helene unterkühlt. Diese Frau war ebenso wie jeder andere mit den neu errungenen Wahrheiten überfordert. Sie igelte sich verzweifelt ein, um die errungenen emotionalen Heimaten nicht zu verlieren. Axel Meinhardt gab einen beeindruckenden Jörgen, jovial, großzügig und keineswegs kopflos oder gar larmoyant im Angesicht seines eigenen bevorstehenden Todes. Am Ende steht das schlichte Bekenntnis: „Ich will nicht sterben.“ Doch so lakonisch, wie diese Geschichte erzählt wurde, so emotional aufgeladen wirkten die einfachen Sätze.

Ein Highlight im szenischen Ablauf  war die Entlarvung des Schwiegersohns Christian (Steffen Nowak), der im Flagranti ertappt lediglich anzudeuten weiß: „Es ist nicht so wie es ...“ Hier ist männliches Versagen auf den Punkt gebracht. Etwas zu linkisch, gelegentlich auch zu ungenau agierte leider Christiane Bärwald als Tochter Anna.

Die unspektakuläre, auf das Nötigste reduzierte und hochverdichtete Einrichtung des Dramas, das einem Film der dänischen Regisseurin Susanne Bier entlehnt ist, vermittelte ein großes Thema. Felix Bärwalds Umsetzung schaffte es, diese Überdimensionalität im Betrachter zu verankern. Man war beeindruckt vom Plot der Geschichte, gleichsam aber in eine Unruhe versetzt, die signalisierte: Hinter diesem Stoff verbergen sich existenzielle Fragen, die den Rahmen einer Familiengeschichte sprengt. Es ist ein anregendes Stück, das in bester Theatermanier vermittelt wurde. Das Denken wird, den Machern sei Dank, dem Betrachter überlassen. So sollte Theater wirken.


 
Wolf Banitzki

 

 


Nach der Hochzeit

nach einem Film von Susanne Bier / für das Theater eingerichtet von Felix Bärwald und Sven Hasselberg

Thomas Meinhardt, Axel Meinhardt, Lilly Forgách, Christiane Bärwald, Steffen Nowak

Regie: Felix Bärwald