Volkstheater Ein Sommernachtstraum von W. Shakespeare




Wenn Leidenschaft leiden schafft

Selten war ein Programmheft so wichtig und erhellend für ein Theaterspektakel wie das zur "Sommernachtstaum"-Inszenierung von Christian Stückl am Volkstheater. Die beiden kurzen Beiträge von Jan Kott und Stephen Greenblatt vermitteln mehr notwendiges Wissen über dieses Drama als die lange Inszenierungsgeschichte es vermochte. Das liegt nicht zuletzt daran, dass diese Inszenierungsgeschichte eine Historie der Irrungen und geschmäcklerischen Verwirrungen war. Wenngleich dieses Bühnenstück märchenhaft anmutet, so ist es doch ganz und gar kein Märchen. Shakespeares Dramatik zeichnet sich durch Authentizität und Realismus menschlichen Denkens, Fühlen und Handelns aus. Dabei ist die Tatsache, dass weder Orte, Zeiten, noch die dargestellten Handlungen historisch richtig eingeordnet sind, kein Widerspruch zum Wahrheitsgehalt. Und da bei Shakespeare nichts zufällig oder ungewollt oder gar einer künstlerischen Laune entsprungen ist, muss gerade dieses märchenhafteste seine Werke auf die Metaphorik und den Hintersinn befragt werden.

Es geht um Liebe und Sexualität im komplexesten Sinn. Gerade deren Schattenseiten werden in diesem Werk beleuchtet und wer genau hinschaut, der bemerkt, wie aktuell das Stück ist. Ein Blick in die einschlägigen Internetseiten beweist, das von platonischer Verzückung bis hin zur Sodomie alles praktiziert wird und genau diese Elemente finden sich im Stück allesamt wieder. Unerhörte Liebe trifft auf erhörte. Triebhaftigkeit explodiert von einem zum anderen Augenblick in alle Richtungen und tabuisierte sexuelle Begehrlichkeiten (homoerotische und sodomitische) blühen in den verborgenen Sphären einer faunischen Welt. Nebenher konfrontiert der Dichter sein Publikum mit den gesellschaftlichen Schranken, denen Liebende unterworfen sind und er rechnet mit der Theaterkultur seiner Zeit ab. Dies alles herauszufinden ist nicht schwer, wenn man sich dem Text nur unvoreingenommen und mit Fantasie (!) nähert. Das hat die Truppe um Christian Stückl getan und heraus kam eine erfrischende und unverstellte Sicht auf das Drama.

 

Alexander Duda, Benjamin Mährlein

© Arno Declair


Drei Paare sind auf der Suche nach ihrem Partnerglück. Die Geschichte wirkt wie ein gordischer Knoten, denn die Liebenden finden ihre Liebe auf fatalste Weise unerwidert. Erst das Eingreifen Oberons mittels einer Zauberblume bringt das Happyend. Christian Stückl mag es deutlich, ohne sich auf unzulässige Vereinfachungen einzulassen. Und er mag es direkt. Heraus kam eine spritzige, turbulente, saft-und kraftvolle Inszenierung, die streckenweise einem Feuerwerk glich. Die komischen Angebote Shakespeares wurden ausgebeutet und das Publikum erlebte streckenweise eine wahre Hatz nach dem Glück. Alexander Duda umgarmte göttlich donnernd und schmeichelnd als Theseus seine Hippolyta und als Oberon seine Titania. Beide Damen wurden von Ursula Burkhard gegeben. Die jungen Paare, gestaltet von Elisabeth Müller (Hermia), Stephanie Schadeweg (Helena), Markus Brandl (Demetrius) und Gabriel Raab (Lysander), gerieten streckenweise in echte Raserei. Sie agierten mit großem körperlichen Einsatz, und gestalteten die charakterlichen Feinheiten der Figuren in aller notwendigen Deutlichkeit. Die reizvollste Rolle im Stück ist natürlich die des Puck und Benjamin Mährlein wurde ihr mehr als gerecht.

Lieder wies die einfallsreiche Inszenierung im zweiten Teil einige Längen auf, in denen die Spannung deutlich abfiel. Schade. Zu bedauern ist auch das Experiment Christina Stückls, einige Rollen der Handwerkerrüpel mit Laien zu besetzen. Zweifellos wollte er damit den Intentionen des Autors gerecht werden, der Klage wider das dilettierende und unprofessionelle Theater führte. Doch Shakespeare wollte seine Texte nicht vorgeführt wissen, sondern gespielt. Es sind hochartifizielle Sätze, mit ungeheurer Komik angefüllt, die gestaltet werden wollen. Hier wurde zu großzügig verschenkt.

Entschädigt wurde der Zuschauer doch immerhin durch das witzige und sehr hintersinnige Bühnenbild von Christof Hetzer. Auf einer weitestgehend kahlen Bühne stand eine futuristische hölzerne Blüte, in der Eingangsszene Thron von Theseus und Hippolyta. In der nachfolgenden Szene, in der das Spiel in den nahe gelegenen Wald, Wohnstatt der Geister, verlagert wird, öffnet sie sich und lässt einen solchen erkennen. Hetzer definiert mit diesem Vorgang eine innere und eine äußere Welt, was der Psychologie des Stücke trefflich entspricht.

Die Inszenierung ist ein gelungener Auftakt der neuen Spielzeit im Volkstheater und wird ihre Anhänger finden.


Wolf Banitzki

 

 


Ein Sommernachtstraum

von W. Shakespeare

Alexander Duda, Ursula Burkhart, Benjamin Mährlein, Gabriel Raab, Markus Brandl, Elisabeth Müller, Stephanie Schadeweg, Stefan Murr, Timur Isik, Georg Staber, Franz Maier, Martin Norz, Marinus Strasser, David Rehbehn, Feenchor

Regie: Christian Stückl