Volkstheater Der Streit von Pierre de Marivaux
Das musste einmal gesagt werden
Beiderlei Geschlechter sind gleichermaßen Schuld am Versagen in der Liebe! Das war die Botschaft des Abends. Peter Stein brachte "Der Streit" von Pierre de Marivaux in eine flüssige, witzige und eingängige Fassung, die Philipp Jescheck, der Vorlage absolut gerecht werdend, auf die Bühne des Münchner Volkstheaters gezaubert hatte.
Um was sonst könnte es bei Pierre de Marivaux gehen, als um die Liebe. Er selbst hatte seine Probleme damit. Doch er verstand es äußerst geschickt, mit diesen für ihn unabänderlichen Schwächen der Menschen seine Brötchen zu verdienen. Er hatte nach einem Börsencrash, der ihn seines kleinen Vermögens beraubte, sein eigenes Hilfspaket geschnürt. Er schrieb fleißig Stücke und katapultierte sich damit in die Position eines leitenden Mitglieds der Académie Française, was ihm eine Dienstwohnung und adelsähnliche Privilegien verschaffte. Das sollte vielleicht zu denken geben, was die wirklichen Werte sind und was flüchtigen. Die Kunst hat sich jedenfalls als wertbeständiger erwiesen als das Geld.
Im Gegensatz zu Moliére, dessen Figuren sich im Wesentlichen auf der Bühne nicht entwickeln, schuf Marivaux Protagonisten, die am Ende völlig verwandelt zu Einsichten gelangen, die sie sich anfangs kaum vorstellen konnten. Und um die handelnden Personen dorthin zu bringen, schuf Marivaux Laboratorien. In "Der Streit" wird dies überdeutlich. Der Prinz und Hermiane geraten über die Beständigkeit der Liebe in einen Streit. Sie beschließen, Eglé und Azor in eine völlig isolierte natürliche Welt zu pflanzen, um Beweise zu erbringen. Und, um mit den Probanten auf Augenhöhe verhandeln zu können, ohne das Versuchsergebnis zu beeinträchtigen, verwandeln sie sich in Mesrou und Carise, Personen mit schwarzer Hautfarbe. Wie nicht anders zu erwarten, bricht die hemmungslose Liebe über beide herein. Sie können von einander nicht mehr lassen. Doch nun wird es prickelnd. Mesrou und Carise bringen ein zweites Paar, Adine und Mesrin, ins Spiel und erlegen den Liebenden Trennungen auf. Auch jetzt, wie nicht anders zu erwarten, entsteht das große Gefühlstohuwabohu. Es scheint klar, Liebe unterliegt keinem Imperativ. Und wer jetzt meint, er kenne die Geschichte, dem sei gesagt, dass es sehr fraglich ist, ob Marivaux Shakespeare und dessen "Mitsommernachtstraum" kannte. Die Geschichte um den Streit hat damit den Höhepunkt noch nicht erreicht und es geschieht etwas erstaunliches. Ein drittes Paar Liebender, Dina und Meslis, müsste jetzt eigentlich das Chaos vollkommen machen. Weit gefehlt, denn beide reagieren nicht auf andere Personen. Sie genügen sich in ihrer Liebe. Das kann getrost als Optimismus in Liebesdingen verstanden werden.
Beiderlei Geschlechter sind gleichermaßen Schuld am Versagen in der Liebe! Das war die Botschaft des Abends. Peter Stein brachte "Der Streit" von Pierre de Marivaux in eine flüssige, witzige und eingängige Fassung, die Philipp Jescheck, der Vorlage absolut gerecht werdend, auf die Bühne des Münchner Volkstheaters gezaubert hatte.
Um was sonst könnte es bei Pierre de Marivaux gehen, als um die Liebe. Er selbst hatte seine Probleme damit. Doch er verstand es äußerst geschickt, mit diesen für ihn unabänderlichen Schwächen der Menschen seine Brötchen zu verdienen. Er hatte nach einem Börsencrash, der ihn seines kleinen Vermögens beraubte, sein eigenes Hilfspaket geschnürt. Er schrieb fleißig Stücke und katapultierte sich damit in die Position eines leitenden Mitglieds der Académie Française, was ihm eine Dienstwohnung und adelsähnliche Privilegien verschaffte. Das sollte vielleicht zu denken geben, was die wirklichen Werte sind und was flüchtigen. Die Kunst hat sich jedenfalls als wertbeständiger erwiesen als das Geld.
Im Gegensatz zu Moliére, dessen Figuren sich im Wesentlichen auf der Bühne nicht entwickeln, schuf Marivaux Protagonisten, die am Ende völlig verwandelt zu Einsichten gelangen, die sie sich anfangs kaum vorstellen konnten. Und um die handelnden Personen dorthin zu bringen, schuf Marivaux Laboratorien. In "Der Streit" wird dies überdeutlich. Der Prinz und Hermiane geraten über die Beständigkeit der Liebe in einen Streit. Sie beschließen, Eglé und Azor in eine völlig isolierte natürliche Welt zu pflanzen, um Beweise zu erbringen. Und, um mit den Probanten auf Augenhöhe verhandeln zu können, ohne das Versuchsergebnis zu beeinträchtigen, verwandeln sie sich in Mesrou und Carise, Personen mit schwarzer Hautfarbe. Wie nicht anders zu erwarten, bricht die hemmungslose Liebe über beide herein. Sie können von einander nicht mehr lassen. Doch nun wird es prickelnd. Mesrou und Carise bringen ein zweites Paar, Adine und Mesrin, ins Spiel und erlegen den Liebenden Trennungen auf. Auch jetzt, wie nicht anders zu erwarten, entsteht das große Gefühlstohuwabohu. Es scheint klar, Liebe unterliegt keinem Imperativ. Und wer jetzt meint, er kenne die Geschichte, dem sei gesagt, dass es sehr fraglich ist, ob Marivaux Shakespeare und dessen "Mitsommernachtstraum" kannte. Die Geschichte um den Streit hat damit den Höhepunkt noch nicht erreicht und es geschieht etwas erstaunliches. Ein drittes Paar Liebender, Dina und Meslis, müsste jetzt eigentlich das Chaos vollkommen machen. Weit gefehlt, denn beide reagieren nicht auf andere Personen. Sie genügen sich in ihrer Liebe. Das kann getrost als Optimismus in Liebesdingen verstanden werden.
Robin Sondermann, Justin Mühlenhardt © Gabriela Neeb |
David Hohmanns gelungenes Bühnenbild hielt sich durchaus an die Bilder des Rokoko. (Antoine Watteau war in der Malerei das Pendant zu Marivaux.) Im Hintergrund ein Prospekt mit einer unberührten Waldlandschaft. Mittendrin war ein Bach zu sehen, der sich auf der Bühne fortsetzte. Einige Büsche mit prallen Früchten versinnbildlichten ein intaktes Paradies. Die zeitlosen in pastellfarben gehaltenen Kostüme von Anna Rehm komplettierten den Eindruck von unverstellter Urschönheit in der Wildnis. Rousseau hätte es wohl abgenickt.
Regisseur Philipp Jescheck hatte die Schönheiten der Ironie im Text entdeckt und sie mit viel Augenzwinkern inszeniert. Das naive, sehr körperbetonte Spiel entsprach ganz dem Habitus des Unbefleckten. Erkennen und Entdecken ging mit sehr viel Komik einher. Dabei preschten die Darsteller in die Vollen und es gelang. Einmal mehr konnten sie zeigen, über welche Qualitäten sie verfügen, wenn sie denn gefordert und geführt werden. Es war ein hervorragendes Ensemblespiel ohne Eitelkeiten und überflüssigen theatralischen Ausfallschritten. Das tolldreiste Treiben hatte Maß und ging weder auf Kosten der Verständlichkeit der Geschichte, noch auf die des gesprochenen Wortes. Regisseur Jescheck vermied jegliche modernistische Zusätze in Spiel und Sprache. Wozu auch, sind doch Eitelkeit, sexuelle Lust und Lüge Grundpfeiler des menschlichen Lebens. Sich daran zu halten heißt, sich an Wahrheiten zu halten. Noch schöner wird es, wenn diese Wahrheiten permanent geleugnet werden. Es ist in jedem Fall eine sicheres Terrain für gutes Theater.
Das Ergebnis war eine ästhetisch in sich geschlossene, leichtfüßige und witzige Inszenierung, die ahnen ließ, dass das Rokoko, das Zeitalter des Genusses, durchaus Tiefen hatte. Was über Liebe an sich gesagt werden musste, wurde gesagt.
Wolf Banitzki
Regisseur Philipp Jescheck hatte die Schönheiten der Ironie im Text entdeckt und sie mit viel Augenzwinkern inszeniert. Das naive, sehr körperbetonte Spiel entsprach ganz dem Habitus des Unbefleckten. Erkennen und Entdecken ging mit sehr viel Komik einher. Dabei preschten die Darsteller in die Vollen und es gelang. Einmal mehr konnten sie zeigen, über welche Qualitäten sie verfügen, wenn sie denn gefordert und geführt werden. Es war ein hervorragendes Ensemblespiel ohne Eitelkeiten und überflüssigen theatralischen Ausfallschritten. Das tolldreiste Treiben hatte Maß und ging weder auf Kosten der Verständlichkeit der Geschichte, noch auf die des gesprochenen Wortes. Regisseur Jescheck vermied jegliche modernistische Zusätze in Spiel und Sprache. Wozu auch, sind doch Eitelkeit, sexuelle Lust und Lüge Grundpfeiler des menschlichen Lebens. Sich daran zu halten heißt, sich an Wahrheiten zu halten. Noch schöner wird es, wenn diese Wahrheiten permanent geleugnet werden. Es ist in jedem Fall eine sicheres Terrain für gutes Theater.
Das Ergebnis war eine ästhetisch in sich geschlossene, leichtfüßige und witzige Inszenierung, die ahnen ließ, dass das Rokoko, das Zeitalter des Genusses, durchaus Tiefen hatte. Was über Liebe an sich gesagt werden musste, wurde gesagt.
Wolf Banitzki
Der Streit
von Pierre de Marivaux
Deutsch von Peter Stein Jean-Luc Bubert, Sophie Wendt, Xenia Tiling, Robin Sondermann, Kristina Pauls, Justin Mühlenhardt, Lenja Schultze, Tobias Schormann Regie: Philipp Jescheck |