Schwere Reiter Germania II - Paradiso von Stefan Kastner
Kunst und Deutschland?
Wie alle Märkte in 2014, so wird auch der Kunstmarkt von Quoten bestimmt, den Zuschauerquoten, die wie die Börsenkurse und andere statistische Mittelwerte die Zustimmung oder Ablehnung einer definierten Schnittmenge aus der Bevölkerung widerspiegeln. Da nun auch die Leitungen von Staatstheatern angehalten werden Kontingente erwirtschaften zu müssen, marktkonform zu agieren, werden gerne die Vorstellungen der aktuellen Gepflogenheiten umgesetzt. An Hör- und Sehgewohnheiten festzuhalten kann, oberflächlich betrachtet, bedeuten die Tradition zu pflegen.
Stefan Kastner verlegte sein Theaterstück „Germania II – Paradiso“ an die Bayerische Staatsoper, einen Olymp in der Szene. Das Bühnenbild von Udo Vollmer brachte das Haus auf eine Ebene, gliederte übersichtlich in das Büro des Direktors Bubi Bachmaier (Dominik Wilgenbus), den Eingangsbereich und die Bar. Alles begann mit dem Schlussapplaus, dem Schlussapplaus für die Premiere von Wagners Rheingold. Die Inszenierung eines iranisches Regisseurs, welcher den Schauplatz der Oper an den Tegernsee verlegt hatte, begeisterte den Staatssekretär ebenso wie den Bayerischen Kultusminister und besonders dessen Frau (Susanne Schroeder), welche sich ganz hervorragend auf die Beurteilung von Musikwerken verstand. Man traf sich an der Bar des Hauses, welche von Charles (Uli Zentner), ganz wie im realen München, geführt wurde und ebenso selbstverständlich bot eine junge Tänzerin ihren Körper dar. Womit auch gleich der Geschlechterkonflikt aufgetan war, denn das Angebot war ein rein visuelles, wie Bubi Bachmaier erfahren musste. Ein bunter Reigen von Szenen veranschaulichte den ganz normalen Alltag des Kulturbetriebes, von der Überforderung des 1,57 m großen argentinischen Heldentenors über die laufend stattfindenden Vorsingen und die üblichen Personalprobleme spannte sich der Bogen. Diamanten Jonny aus Thalkirchen (Markus Herzog) überraschte als Allroundtalent. Unterhaltsam boten die Schauspieler eine geschlossen gute Ensembleleistung. Es war eine gleichmäßige, zwei Stunden dauernde Aufführung deren Höhepunkte die Arien und einige besonders herausgestellte Pointen bildeten. Die Vermischung von Multikulti – „Walchenseewind und Antilopen in der Steppe“ – verdeutlichte praktizierte Kreativität, die noch lange keine neue Qualität oder gar besonderen Inhalt hervorbringt. Und die leere Bühne, wie sie der Komponist namens Hans-Werner Henze (Philipp Brammer) in dem Kastner Stück am Ende forderte, wurde an Spielstätten zu Programm erhoben, also die Grenzen der Kunst ins Nirwana verschoben. Doch, im Elysium sitzen nun wohl Ingeborg Bachmann und Hans-Werner Henze und wundern sich über die Worte, die Kastner ihnen in dem Stück in den Mund legte, posthum. Im Nichts ist alles möglich.
Fatima Dramé, Dominik Wilgenbus, Susanne Schroeder, Uli Zentner, Viktoria Strauss, Philipp Brammer © Franz Kimmel |
C.M.Meier
Germania II - Paradiso
von Stefan Kastner
Dominik Wilgenbus, Michaela May, Philipp Brammer, Isabel Kott, Aline Lettow, Susanne Schroeder, Markus Herzog, Christiane Brammer, Uli Zentner, Fatima Dramé, Inge Rassaerts, Anne Gericke, Dominique Marchand, Viktoria Strauß, Uli Wimmer, Stefan Kastner Müttergesangsverein München: Tina Armbruster, Susanne Barth-Ilg, Dagi Baumgartner, Sandra Danyluk, Svetlana Dietz, Sabine Fink, Christella Fischer, Anne Gericke, Renate Grote-Giersch, Angelika Hornsteiner, Cornelia von Kapff, Dominique Marchand Fässler, Margarita Matrin Huéscar, Christina Neudecker, Mai Nguyen, Margarete Paul, Karen Quan, Vera Schleifer, Bettina von Staden, Evelyn Voigt-Mueller, Moni Willenbrink, Uli Wimmer Regie: Stefan Kastner |