Schwere Reiter Heraklits letzte Tage von Stefan Kastner
Wozu Philosophie
... wenn sich doch alles Fleisch einfach in der Pfanne verbraten lässt. Stefan Kastners Heraklit lieferte das Schnitzel zum Kartoffelsalat, veranschaulichte dies als letzte Weisheit des Heute. In einer Welt, die fast ausschließlich an der Materie klebt, auch dem abstrakten Materiellen huldigt in vielen Formen, könnte die Aussage als Bestätigung verstanden werden, wären da nicht Humor und Zweideutigkeit, die zum Nachdenken anregten.
Die Welt ist ewig und durch den logos, die geistige Einheit mit den gegensätzlich wirkenden Prinzipien zu einem Spannungsfeld verbunden. Dies definierte der Philosoph Heraklit aus Ephesos vor zweitausendfünfhundert Jahren. Da stehen sich also Krieg und Frieden, Freude und Leid, Glück und Pech, Verzicht und Genuss, Leben und Tod wie beim Tauziehen gegenüber. Durch seinen Ausspruch „... der Krieg ist der Vater aller Dinge ...“ ging Heraklit nachhaltig in die Geschichte ein, wurde er auch nachhaltig missverstanden und oft fehlinterpretiert, meinte er doch den raumgreifenden Drang eines Prinzips zur Alleinherrschaft und keinesfalls die körperliche Auseinandersetzung mit Waffen. Allein die Erkenntnisbereitschaft und – fähigkeit vieler Nachdenker ist begrenzt, befördert Missverständnisse. Das unterscheidet die umfassenden Geister, Menschen, von den anderen, zeichnet Führer aus und bestimmt Nachfolgende. Der wo das vielfältige Spannungsfeld leugnet, oder gar, meist religiös geleitet, unterdrückt, hat das Leben nicht erfasst. Der wo es in seiner Mannigfaltigkeit nicht erkennt, dessen Verbindung zum logos ist einseitig, wohl in purem Materialismus oder in Harmonie oder Spaß gefangen. Der wo das Geistige nicht pflegt wie das Fleischliche, oder dieses Lebensfeuer nicht wie das Geistige, der ist auch schon längst einem Gevatter Tod anheim gefallen.
„Ach ... oh weh ... ach ... ach ... oh weh ... herrje ...“, sangen die drei Parzen und entpuppten Heraklit auf der Bühne. Der Wehgesang bildete seinen Empfang in der Welt. Ein Stein stand für ihn bereit, der Stein, der schon zuvor von seinem Vater besetzt war und nun Heraklits harrte. So erstand die Lebensgeschichte des Philosophen in ihren Schwerpunkten. Im Bühnenhintergrund erhob sich eine braune Rampe, die Küste von Ephesos, an deren Gestade er lebte. Die Zeit verging – mit dem sinnfälligen Spiel des Lichtes in Tag und Nacht verdeutlicht – und Besucher kamen vorbei. Heraklit harrte aus auf dem Stein, denn das Ausharren, Aussitzen verbindet nach wie vor zwischen Völkern und manche sind besonders geübt darin. Man könnte sie auch besonders heimatverbunden nennen. „Das Gehen und das Stehen sind zwei Stiefel ...“, wussten die beiden Krieger und Wanderer aus dem Kaukasus festzustellen, die auf der Suche nach Abenteuer waren. Und Heraklit (traurig, still, zurückgenommen dargestellt von Philipp Brammer) ganz als wäre er Wanderarbeiter, erhob sich, rutschte über die Rampe, verließ Kleinasien, landete in der Hansastraße in Minga. Drei Nutten standen am Straßenrand, warteten auf Freier, tranken Tee. Hier rollte er seinen Teppich aus, eröffnete einen Laden, handelte mit Gemüse, oder genauer mit einem Kürbis. Der Kürbis steht nicht nur für die Heraklit’sche Erde, rund und doch nicht ganz, denn ein Auswuchs verbindet ihn mit dem grünen Stengel- und Blattwerk, den anderen. Heraklit unterhielt sich mit dem Käufer (bayerisch, ernsthaft, realistisch verkörpert von Stefan Kastner), der seinen Kürbis erwerben wollte. „Ich habe einen Fehler gemacht. Ich habe eine Frau kennengelernt.“ „Ich habe auch einen Fehler gemacht, aber die Frau nicht kennengelernt.“, erwiderte dieser ganz im Stile Heraklits, nachdem er zuvor gegen die Überlassung eines Fernsehers mit einer Nutte verschwunden war. Und so konnte es nicht anders sein, als dass auch schon zwei Zuhälter (machohaft Gabriel Raab, mitmachend Uli Zentner) in einem schnittigen Gefährt nach Geschäften Ausschau hielten. Sandy (mädchenhaft Sarah-Lavinia Schmidbauer) zog mit ihrer älteren Freundin Fini (welterfahren vorsorgend sicherheitsbewusst gespielt von Michaela May) bei Heraklit dem Gemüsehändler ein. Das Glück währte nur kurz. „Das Leben zeigt sich hier ...“ Die Riege gstandener Schauspieler, alle von Theater und Film bekannt, kehrte die Eigenheiten der einzelnen Figuren hervor und boten so bestes charakteristisches, den Text unterstützendes Spiel.
... wenn sich doch alles Fleisch einfach in der Pfanne verbraten lässt. Stefan Kastners Heraklit lieferte das Schnitzel zum Kartoffelsalat, veranschaulichte dies als letzte Weisheit des Heute. In einer Welt, die fast ausschließlich an der Materie klebt, auch dem abstrakten Materiellen huldigt in vielen Formen, könnte die Aussage als Bestätigung verstanden werden, wären da nicht Humor und Zweideutigkeit, die zum Nachdenken anregten.
Die Welt ist ewig und durch den logos, die geistige Einheit mit den gegensätzlich wirkenden Prinzipien zu einem Spannungsfeld verbunden. Dies definierte der Philosoph Heraklit aus Ephesos vor zweitausendfünfhundert Jahren. Da stehen sich also Krieg und Frieden, Freude und Leid, Glück und Pech, Verzicht und Genuss, Leben und Tod wie beim Tauziehen gegenüber. Durch seinen Ausspruch „... der Krieg ist der Vater aller Dinge ...“ ging Heraklit nachhaltig in die Geschichte ein, wurde er auch nachhaltig missverstanden und oft fehlinterpretiert, meinte er doch den raumgreifenden Drang eines Prinzips zur Alleinherrschaft und keinesfalls die körperliche Auseinandersetzung mit Waffen. Allein die Erkenntnisbereitschaft und – fähigkeit vieler Nachdenker ist begrenzt, befördert Missverständnisse. Das unterscheidet die umfassenden Geister, Menschen, von den anderen, zeichnet Führer aus und bestimmt Nachfolgende. Der wo das vielfältige Spannungsfeld leugnet, oder gar, meist religiös geleitet, unterdrückt, hat das Leben nicht erfasst. Der wo es in seiner Mannigfaltigkeit nicht erkennt, dessen Verbindung zum logos ist einseitig, wohl in purem Materialismus oder in Harmonie oder Spaß gefangen. Der wo das Geistige nicht pflegt wie das Fleischliche, oder dieses Lebensfeuer nicht wie das Geistige, der ist auch schon längst einem Gevatter Tod anheim gefallen.
„Ach ... oh weh ... ach ... ach ... oh weh ... herrje ...“, sangen die drei Parzen und entpuppten Heraklit auf der Bühne. Der Wehgesang bildete seinen Empfang in der Welt. Ein Stein stand für ihn bereit, der Stein, der schon zuvor von seinem Vater besetzt war und nun Heraklits harrte. So erstand die Lebensgeschichte des Philosophen in ihren Schwerpunkten. Im Bühnenhintergrund erhob sich eine braune Rampe, die Küste von Ephesos, an deren Gestade er lebte. Die Zeit verging – mit dem sinnfälligen Spiel des Lichtes in Tag und Nacht verdeutlicht – und Besucher kamen vorbei. Heraklit harrte aus auf dem Stein, denn das Ausharren, Aussitzen verbindet nach wie vor zwischen Völkern und manche sind besonders geübt darin. Man könnte sie auch besonders heimatverbunden nennen. „Das Gehen und das Stehen sind zwei Stiefel ...“, wussten die beiden Krieger und Wanderer aus dem Kaukasus festzustellen, die auf der Suche nach Abenteuer waren. Und Heraklit (traurig, still, zurückgenommen dargestellt von Philipp Brammer) ganz als wäre er Wanderarbeiter, erhob sich, rutschte über die Rampe, verließ Kleinasien, landete in der Hansastraße in Minga. Drei Nutten standen am Straßenrand, warteten auf Freier, tranken Tee. Hier rollte er seinen Teppich aus, eröffnete einen Laden, handelte mit Gemüse, oder genauer mit einem Kürbis. Der Kürbis steht nicht nur für die Heraklit’sche Erde, rund und doch nicht ganz, denn ein Auswuchs verbindet ihn mit dem grünen Stengel- und Blattwerk, den anderen. Heraklit unterhielt sich mit dem Käufer (bayerisch, ernsthaft, realistisch verkörpert von Stefan Kastner), der seinen Kürbis erwerben wollte. „Ich habe einen Fehler gemacht. Ich habe eine Frau kennengelernt.“ „Ich habe auch einen Fehler gemacht, aber die Frau nicht kennengelernt.“, erwiderte dieser ganz im Stile Heraklits, nachdem er zuvor gegen die Überlassung eines Fernsehers mit einer Nutte verschwunden war. Und so konnte es nicht anders sein, als dass auch schon zwei Zuhälter (machohaft Gabriel Raab, mitmachend Uli Zentner) in einem schnittigen Gefährt nach Geschäften Ausschau hielten. Sandy (mädchenhaft Sarah-Lavinia Schmidbauer) zog mit ihrer älteren Freundin Fini (welterfahren vorsorgend sicherheitsbewusst gespielt von Michaela May) bei Heraklit dem Gemüsehändler ein. Das Glück währte nur kurz. „Das Leben zeigt sich hier ...“ Die Riege gstandener Schauspieler, alle von Theater und Film bekannt, kehrte die Eigenheiten der einzelnen Figuren hervor und boten so bestes charakteristisches, den Text unterstützendes Spiel.
Philipp Brammer, Stefan Kastner © Franz Kimmel |
Einfach hingschaut: Die sogenannten Männer stehen an den Kochtöpfen, handeln mit Gemüse und die Frauen feiern und treiben es mit den Auswärtigen bis zum ... das kommt uns doch bekannt vor, da wechselten die Geschlechter nur die Rollen ... und alles ist wie gehabt! Nein, eine Dimension der Gegensätze, ein Spannungsfeld der Vollkommenheit wurde damit verzerrt, es herrscht gnadenlose Oberflächlichkeit, platter Spaß in der Partygesellschaft. Und ja, da die Frauen doch nun nur fremden Fleischhändlern in die Arme fallen ... nur keine Traurigkeit aufkommen lassen, nur keine Lebensdimensionen ... Heraklit, der „weinende“ Philosoph gerät in Vergessenheit und mit ihm all sein Wissen. Im Theaterstück überließ er die Welt, den Kürbis dem Käufer. Er selbst löste sich auf im logos, entschwand von der Bühne mit einem Donnerschlag. Aufwachen ...
Stefan Kastner schuf mit seinem Stück eine feinsinnig bayerisch humorvolle Betrachtung der herrschenden Zustände, er baute dazu eine Brücke aus der Hochzeit der Erkenntnisse über das Leben und die Natur in die Gegenwart. Sein Werk ist, neben zeitlos gültigen Aussagen, voll der kleinen und großen alltäglichen Tatsachen, die längst zu einem fragwürdigen Selbstverständnis mutierten. Bei allem inszenierte er dennoch eine wundervolle heitere Betrachtung, betonte das Augenzwinkern, denn Humor zeigt sich durch Geist und Wissen.
Stefan Kastner schuf mit seinem Stück eine feinsinnig bayerisch humorvolle Betrachtung der herrschenden Zustände, er baute dazu eine Brücke aus der Hochzeit der Erkenntnisse über das Leben und die Natur in die Gegenwart. Sein Werk ist, neben zeitlos gültigen Aussagen, voll der kleinen und großen alltäglichen Tatsachen, die längst zu einem fragwürdigen Selbstverständnis mutierten. Bei allem inszenierte er dennoch eine wundervolle heitere Betrachtung, betonte das Augenzwinkern, denn Humor zeigt sich durch Geist und Wissen.
C.M.Meier
Heraklits letze Tage
von Stefan Kastner
Philipp Brammer, Sarah-Lavinia Schmidbauer, Michaela May, Gabriele Graf, Judith Huber, Gabriel Raab, Uli Zentner, Inge Rassaerts, Stefan Kastner Regie: Stefan Kastner |