Residenz Theater Antonius und Cleopatra von William Shakespeare


 

 

Warlords und das Karussell der Gewalt

„Das Stück ist schwer zu besetzen und mit seinen vielen kontrastreichen Schauplätzen schwer auf die Bühne zu bringen; es wird selten gespielt und hat selten Erfolg.“ So die lapidare Einschätzung von Georg Hensel in „Spielplan“ zum Shakespeare-Stück. Das Historiendrama ist die Fortsetzung von Shakespeares „Julius Cäsar“. Folgendes zum geschichtlichen Hintergrund: Julius Cäsar wurde von Marcus Iunius Brutus und Gaius Cassius Longinus ermordet. Der Tyrannenmord hatte ein Machtvakuum hinterlassen, in dem sich die republikanischen Tyrannenmörder und die Caesarianer Marcus Antonius, Octavius und der Verbündete Marcus Aemilius Lepidus als Aspiranten auf die Herrschaft gegenüber standen. Aus der Schlacht von Philippi gingen die Caesarianer als Sieger hervor und bildeten ein Triumvirat, um das Reich zu regieren. Antonius indes frönte in Alexandria seiner wollüstigen Liebe zu Cleopatra und kümmerte sich wenig um seine Ämter als Staatsmann. Als seine Frau Fulvia starb und Antonius nach Rom reisen musste, vertieften die drei Triumvirn ihren brüchig gewordenen Bund, indem Antonius Octavia, die Schwester von Octavius Caesar, besser bekannt als Augustus, heiratete. Bald schon kehrt Antonius, der Lust seiner Lenden gehorchend, wieder in das Bett Cleopatras zurück und das Triumvirat begann zu kriseln. Als erster, weil der schwächste, wurde Lepidus von Oktavius vom Schachbrett der Geschichte gefegt. Dann kam es zur Konfrontation zwischen dem jungen, machtgierigen Oktavian und dem älteren, der Liebe zur Ptolomäerkönigin verfallenen Antonius. Die Liebe hatte „sein Schwert weich gemacht“ und fatale Kriegsentscheidungen beschleunigten Antonius´ Untergang. Antonius musste erkennen, dass er mit seiner Liebe sein Lebenswerk ausgelöscht hatte. Seine Vermutung, dass die geliebte Cleopatra ihn verraten hätte, bestätigte sich zudem und er zürnt ihr derartig, dass sie ihm aus Furcht vor seinem Zorn hinterbringen lässt, sie habe sich getötet. Daraufhin stürzt sich der Kriegsheld ins Schwert. Doch die Verletzung war nicht sofort tödlich und so versöhnte sich das Paar wieder, um gemeinsam zu sterben, Antonius an seiner Verletzung durch sein Schwert und Cleopatra an einem Schlangenbiss, den sie sich selbst zugefügt hatte.

„Antonius und Cleopatra“ ist eine der am häufigsten adaptierten Liebesgeschichten. Shakespeare, der zumeist sein Augenmerk auf Machtkonstellationen und Kabalen legte, folgte bei diesem Thema vornehmlich der Psychologie der einzelnen Protagonisten und nicht den staatspolitischen Vorgängen. Die sind ja ohnehin bekannt. Es bedarf eigentlich nicht des Hinweises, dass es sich um ein brandaktuelles Thema handelt, denn recht besehen, war es zu allen Zeiten aktuell. Regisseur Thomas Dannemann gestaltete seine Inszenierung als einen Krieg zwischen Warlord, wie er in vielen Ländern heute nach dem „Tyrannenmord“ herrscht, Irak, Afghanistan, Libyen…Tatsächlich hat sich eine neue Kultur des Bürgerkrieges entwickelt, in der viele Vorgänge nach einem und demselben, effizienten Schema ablaufen. Eine neue Qualität ist dabei, dass diese Kriegsherren zumeist von Hotels aus operieren, die sie zu ihren Hauptquartieren gemacht haben. Folgerichtig entwarf  Stefan Hageneier auf der Drehbühne drei beinahe identische Räume, die sich unwesentlich unterschieden. Damit löste man geschickt und sinnfällig das Problem mit den „vielen kontrastreichen Schauplätzen“, wie Hensel es beschrieb. Zeitbezüge waren unübersehbar, wenngleich nicht unbedingt immer schlüssig, wie zum Beispiel die langen Bärte der uniformierten Kämpfer, die im Mittelteil getragen wurden und dann wieder verschwanden. Derartige Zitate brauchte es eigentlich nicht. Sie stifteten eher Verwirrung.

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Hanna Scheibe, Manfred Zapatka

© Matthias Horn

 

Gespielt wurden die Texte (Übersetzung von Frank-Patrick Steckel) heutig, weitestgehend frei von Pathos und natürlich. Manfred Zapatkas Antonius war furios und berserkerhaft, ein echtes Alphatier, der trotz seiner Jahre noch gut im Saft stand und dessen sexuelle Leistungsfähigkeit Ehrensache zu sein schien. Fragil hingegen wirkte Simon Werdelis als Octavius Caesar. Er war der Kopfmensch, leise, kalt kalkulierend und stets hellwach, den physischen Auseinandersetzungen geschickt ausweichend. Einen von Antonius angebotenen Zweikampf schlug er wohlweislich aus. Gerhard Peilsteins Lepidus, der dritte Triumvirn war, obgleich er die Vorzüge der Macht genüsslich auskostete, ein politisch impotenter Beau, der eher darauf bedacht war, gut auszusehen als Herrscher.

Hanna Scheibe gab eine schrille, launische und selbstverliebte Cleopatra, deren Gebaren allerdings nicht unbedingt königlich, sondern nicht selten einfach nur zickig war. Auszuhalten hatte ihre Launen und Emotionen die Hofdamen Charmian (Andrea Wenzl) und  Iras (Valerie Pachner). Sie waren ganz und gar die willige Gefolgschaft ihrer Herrin, schön anzuschauen in ihren schrillen Kostümen (Regine Standfuss), und dabei keinesfalls weniger kapriziös und exotisch.

Bei den Nebenrollen stachen Bijan Zamani als Maecenas und René Dumont als Agrippa ins Auge. Sie verkörperten das verbeamtete Verwaltungsprinzip, ohne das inzwischen auch ein Bürgerkrieg nicht mehr auskommt. Thomas Loibl hingegen verkörperte den Typus Krieger in der Rolle des Domitius Enobarbus überzeugend heutig. Ihm gelang der beeindruckende Spagat zwischen einem rohen Rambo und einem menschlichen Wesen mit tiefgehenden Gefühlen. Konrad Hempel, der die Rolle des  Mardian, ein Diener der Cleopatra, gab, trug mit seinen Riffs auf der Gitarre nicht unwesentlich zur bedrückenden und unheilvollen Grundstimmung der Inszenierung bei.

Die Inszenierung hatte ein gutes und tragfähiges Konzept und hätte durchaus überzeugen können, auch und vor allem durch die zeitgemäße Anlage der Rollen. Die Leistungen der Darsteller waren nicht zu tadeln. Dennoch funktionierte die Inszenierung nicht in dem gewünschtem Maße, denn es stellte sich kein wirklicher Fluss der Geschichte ein. Zu viele unmotiviert erscheinende Gänge durch die monotonen Kulissen der Drehbühne streckten den Abend über Gebühr. Wilder Aktionismus im kaum einsehbaren Mittelteil der Drehbühne verführte zu spekulativen Überlegungen, die jedoch keine Ergebnisse zeitigten und lediglich die Konzentration des Betrachters grundlos über Gebühr strapazierten. Weniger wäre deutlich mehr gewesen, vor allem wirkungsvoller. Exzessives Zerstören ist ohne Frage eine Nebenerscheinung des Krieges, allein, auf der Bühne des Residenztheaters, die am Ende einem unvollendeten Abriss glich, wurden zu viele Energien damit vergeudet, die sinnvoller und konzentrierter hätten eingesetzt werden können. Die Zuschauer kennen die Bilder der Zerstörung aus den Nachrichten hinlänglich, die die Warlords und ihre marodierenden Henkersknechte allenthalben hinterlassen, wenn sich das Karussell der Gewalt dreht. Den Part hätte man getrost der Fantasie der Zuschauer überlassen können. Leider ist auch diese Inszenierung eine verschenkte Chance, den Ruf des Stückes, wie ihn Georg Hensel beschrieb, und seinen Erfolgsmöglichkeiten entschieden entgegen zu treten.

 

Wolf Banitzki

 


Antonius und Cleopatra

von William Shakespeare
Deutsch von Frank-Patrick Steckel

Manfred Zapatka, Thomas Loibl, Steffen Lehmitz, Michele Cuciuffo, Simon, Friederike Ott, Bijan Zamani, René Dumont, Gerhard Peilstein, Jeff Wilbusch, Götz Argus, Hanna Scheibe, Andrea Wenzl, Valerie Pachner, Konrad Hempel, Dominik Jedryas, Daron Yates

Regie: Thomas Dannemann

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