Residenztheater Pinocchio nach Carlo Collodi
Alles Schön und Gut
Christoph Schubiger gestaltete für die Show eine überzeugende märchenhafte Bühnenwelt. Er griff tief in die Zauberkästen des Theaters, versprühte kunstvoll mit den Kulissen des kleinen Ortes Camorra süditalienisches Flair. Über den Häusern leuchteten die Sterne und strahlend zog der Mond Aufmerksamkeit in seinen Bann.
Flibb, ein Showtalent, kommt nach seinem Soloauftritt auf dem weiteren Weg zu Weltruhm in diese kleine Stadt. Hier begegnet er Geppetto dem Sargtischler, der bei Vollmond nicht schlafen kann und sich mit einer Flasche Wein in einem Sarg ausruht. Seine Geschäfte laufen schlecht, da niemand mehr sterben will. Als eine strahlende Sternschnuppe über den Nachthimmel zieht und folglich die Fantastische Fantasma im Heißluftballon erscheint, wünscht sich Gepetto einen Sohn. Aus dem Stamm einer Pinie zaubert die Tussi den Jungen – Pinocchio.
Hölzern stakste Philip Dechamps als junge Marionette in sein Leben. Die ersten Schritte, die ersten Worte gelangen ihm ebenso, wie eine alles übertreffende Naivität. Wenn er auch „die erste Puppe ohne Fäden“ war, so zogen die anderen doch erfolgreich an seinen unsichtbaren Fäden. Da hatte es der angestrengte Vater Geppetto, Michael Tregor, deutlich schwerer dem Kleinen sein Weltbild zu vermitteln. Und wäre nicht die Kakerlake Flibb, Gunther Eckes, so beharrlich und gewissenhaft, von so einnehmender Bühnenpräsenz, also weltgewandt, so wäre sicherlich alles anders gekommen.
Es waren einfache Weisheiten – Lügen sind von der Nasenspitze abzulesen; mit Geld kann man keine Freunde kaufen; auch Spaß hat seinen Preis, wenn man sich damit zum Esel macht; um das Gute muss stets gerungen werden, während das Böse scheinbar immer leicht fällt; erst wer tatsächlich in einer Sackgasse (auf der Bühne ein wundervoll erkennbarer Walmagen) gelandet ist, entschließt sich zu Umkehr; usw. – die den sichtbaren Faden der Geschichte hinterlegten.
In der Lektüre des Originals von Carlo Collodi, die sowohl für Kinder als auch für Erwachsene, die mitunter gar nicht so weit voneinander entfernt sind, eine Botschaft enthält, werden viele kulturelle und abenteuerliche Dimensionen erfahrbar. Die Bühnenfassung von Thomas Birkmeir war auf die Sprache und auf die Aktionsgewohnheiten im Heute abgestimmt. Also deutlicher eindimensionaler und effektiver. So wurde beispielsweise der Name Pinocchio mit Pinienkern übersetzt, was nur ansatzweise der Dimension der Namensbedeutung nahe kommt, aber eine nette Idee ausdrückt. Die Zeiten in denen Worten einvernehmlich metaphorische Bedeutungen beigemessen wurden, sind wohl vorbei. Larifari nimmt allzu oft diesen Platz ein. So hieß der Freizeitpark „Welt der Wunder“, in dem technische Konstruktionen wie Achterbahn und Karussell standen und Pinocchio der Genuss von Zigarren und Alkohol schmackhaft gemacht wurde. Welche Wunder! Und so ist wohl auch die Namensgebung der beiden Bösewichte, dem Fuchs Arschloch und der Katze Dumme, eher einer Art Simpelpädagogik zuzuordnen. Die Worte sind heute gewöhnlich dem liberalen Spaßvokabular zugeordnet. Die Zeiten kultivierter klarer Sprache und Sprechkultur sind in Auflösung begriffen, also einfach cool bleiben. Am Ende drängte sich die Frage auf: Was würde diese Inszenierung tragen, wenn die in den Songs verbreiteten Klischees über Italien und die Italiener wegfielen? Es waren die fulminanten Kulissen.
Die Aufführung „Pinocchio“ im Residenztheater suchte als Bühnenshow zu überzeugen. Jeder Song, jede dekorative Szene wurde mit heftigem Zwischenapplaus beantwortet. Es war ein Team von Claqueuren, wie bei Fernsehshows üblich, engagiert worden, um für eine gewollt begeisterte Stimmung zu sorgen. Damit bot man den alten Kindern einer Spaßgesellschaft Bekanntes, die jungen Kinder galt es an die Spaßkultur heranzuführen und sie von dieser zu überzeugen. Auch wenn in dieser Spaßordnung nur bestehen kann, wer ihre Regeln befolgt … und viele kleine Zuschauerkinder am Ende der Vorstellung einfach nur überspaßt waren.
Wie toll ist die Welt, wenn jeder macht was ihm gefällt.
C.M.Meier
Pinocchio
nach Carlo Collodi
Bühnenfassung von Thomas Birkmeir
Regie: Thomas Birkmeir |