Residenz Theater Die Geburtstagsfeier von Harold Pinter
Pinter oder kein Ausweg
Alles scheint im Lot, in der kleinen Pension eines englischen Seebades. Familiär geht es zu, denn neben Meg, Frau des Hauses, und Ehemann Petey, Liegestuhlwächter des Urlaubsortes, lebt lediglich ein Gast seit einem Jahr in der Pension: Stanley. Der Kostgänger ist sagenumwittert, soll ein berühmter Pianist sein, der nach eigenen Angaben schon ein Konzert gegeben hat. Ein einziges, wohlgemerkt! Danach haben finstere Mächte, er selbst hat nur eine vage Ahnung davon, der Karriere ein abruptes Ende bereitet. Also hat sich Stanley in die Pension zurückgezogen, wo er in den Tag hineindämmert, rauchend, trinkend und auf dem besten Weg zur völligen Verwahrlosung.
Eines Tages ziehen zwei neue Gäste ein, Goldberg und McCann. Das ist für alle überraschend, denn eigentlich ist diese Pension keine Pension, gleichwohl die Einrichtung in einem Verzeichnis als solche gelistet ist, und tatsächlich ist man bislang recht zufrieden gewesen mit dem einzigen Gast. Zumindest Meg genießt die Anwesenheit des jungen Mannes, der sie durch sein bloßes Dasein daran erinnert, dass sie auch ein sexuelles Wesen ist. Komplettiert wird das kleine Universum durch die junge Nachbarin Lulu, einer sexuell aufreizenden Person.
Beim Eintreffen von Goldberg und McCann wird offenkundig, dass Stanley Geburtstag hat. Goldberg erbietet sich sogleich, eine Geburtstagsparty auszurichten. Konkret bedeutet dies, dass große Mengen Whiskey herbeigeschafft werden. Es kommt vor der abendlichen Party zu einem verhörähnlichen Gespräch zwischen Goldberg, McCann und Stanley, das bedrückende Ahnungen freisetzt. Sind die beiden Neuankömmlinge seinetwegen da? Wer sind sie überhaupt? Steht hinter allem eine Organisation? Sind es Mörder oder Polizisten, Geheimbündler oder ideologische Partisanen? Die Antworten darauf bleiben im Dunkeln, ebenso die wahre Identität Stanleys. Am Morgen nach der Party erscheint Stanley geschniegelt und gebügelt, gibt nur noch unartikulierte Laute von sich und wird von Goldberg und McCann schließlich mitgenommen. Wohin? Auch das bleibt ein Rätsel.
Dass dieses Stück bereits ein Jahr nach seiner Entstehung (1957) das Bühnenlicht des Art Theatre Cambrigde erblickten konnte, verdankte Pinter wohl dem Schaffen Becketts, der mit „Warten auf Godot“ derartige Theaterstücke auf der Bühne erst möglich machte. Doch ein zweiter Name drängt sich unmittelbar auf: Franz Kafka. Parallelen zu dessen „Prozess“ drängen sich förmlich auf, denn wie Josef K. ist auch Stanley in den Sog von Mächten geraten, die sich nicht packen lassen.
Harold Pinter zeichnete sich anderen Autoren gegenüber dadurch aus, dass in seinen Stücken eigentlich keine wirklichen Dialoge stattfinden, sondern jeder aufs Geratewohl vor sich hinschwätzt, und zwar in einer sozial determinierten Sprache. Also, so möchte man meinen, kann es nicht das Ziel der Protagonisten sein, irgendwo anzukommen. Allein diese Auffassung macht deutlich, wie aktuell das Stück eigentlich ist. Wichtig ist nur, dass es irgendwie weitergeht. Das Wohin wird geflissentlich, auch Dank einer umfassenden Einfallslosigkeit, verdrängt. Utopien fehlen und Verschwörungstheorien sind allgegenwärtig.
Alles scheint im Lot, in der kleinen Pension eines englischen Seebades. Familiär geht es zu, denn neben Meg, Frau des Hauses, und Ehemann Petey, Liegestuhlwächter des Urlaubsortes, lebt lediglich ein Gast seit einem Jahr in der Pension: Stanley. Der Kostgänger ist sagenumwittert, soll ein berühmter Pianist sein, der nach eigenen Angaben schon ein Konzert gegeben hat. Ein einziges, wohlgemerkt! Danach haben finstere Mächte, er selbst hat nur eine vage Ahnung davon, der Karriere ein abruptes Ende bereitet. Also hat sich Stanley in die Pension zurückgezogen, wo er in den Tag hineindämmert, rauchend, trinkend und auf dem besten Weg zur völligen Verwahrlosung.
Eines Tages ziehen zwei neue Gäste ein, Goldberg und McCann. Das ist für alle überraschend, denn eigentlich ist diese Pension keine Pension, gleichwohl die Einrichtung in einem Verzeichnis als solche gelistet ist, und tatsächlich ist man bislang recht zufrieden gewesen mit dem einzigen Gast. Zumindest Meg genießt die Anwesenheit des jungen Mannes, der sie durch sein bloßes Dasein daran erinnert, dass sie auch ein sexuelles Wesen ist. Komplettiert wird das kleine Universum durch die junge Nachbarin Lulu, einer sexuell aufreizenden Person.
Beim Eintreffen von Goldberg und McCann wird offenkundig, dass Stanley Geburtstag hat. Goldberg erbietet sich sogleich, eine Geburtstagsparty auszurichten. Konkret bedeutet dies, dass große Mengen Whiskey herbeigeschafft werden. Es kommt vor der abendlichen Party zu einem verhörähnlichen Gespräch zwischen Goldberg, McCann und Stanley, das bedrückende Ahnungen freisetzt. Sind die beiden Neuankömmlinge seinetwegen da? Wer sind sie überhaupt? Steht hinter allem eine Organisation? Sind es Mörder oder Polizisten, Geheimbündler oder ideologische Partisanen? Die Antworten darauf bleiben im Dunkeln, ebenso die wahre Identität Stanleys. Am Morgen nach der Party erscheint Stanley geschniegelt und gebügelt, gibt nur noch unartikulierte Laute von sich und wird von Goldberg und McCann schließlich mitgenommen. Wohin? Auch das bleibt ein Rätsel.
Dass dieses Stück bereits ein Jahr nach seiner Entstehung (1957) das Bühnenlicht des Art Theatre Cambrigde erblickten konnte, verdankte Pinter wohl dem Schaffen Becketts, der mit „Warten auf Godot“ derartige Theaterstücke auf der Bühne erst möglich machte. Doch ein zweiter Name drängt sich unmittelbar auf: Franz Kafka. Parallelen zu dessen „Prozess“ drängen sich förmlich auf, denn wie Josef K. ist auch Stanley in den Sog von Mächten geraten, die sich nicht packen lassen.
Harold Pinter zeichnete sich anderen Autoren gegenüber dadurch aus, dass in seinen Stücken eigentlich keine wirklichen Dialoge stattfinden, sondern jeder aufs Geratewohl vor sich hinschwätzt, und zwar in einer sozial determinierten Sprache. Also, so möchte man meinen, kann es nicht das Ziel der Protagonisten sein, irgendwo anzukommen. Allein diese Auffassung macht deutlich, wie aktuell das Stück eigentlich ist. Wichtig ist nur, dass es irgendwie weitergeht. Das Wohin wird geflissentlich, auch Dank einer umfassenden Einfallslosigkeit, verdrängt. Utopien fehlen und Verschwörungstheorien sind allgegenwärtig.
Dieter Mann, Cornelia Froboess, Robert Joseph Bartl © Thomas Dashuber |
Thomas Langhoff zielte mit seiner Inszenierung am Residenz Theater vornehmlich auf eine Aussage, die Petey an Stanley richtet: „Stan, lass dir von denen nicht sagen, was du tun sollst!“ Das impliziert: Wenn du dich darauf einlässt, bist du verloren. Darin liegt immerhin eine Aufforderung zum Widerstand.
Thomas Langhoff ist ein Regisseur, der sich gern auf den künstlerischen und intellektuellen Gehalt eines Dramas verlässt und keine ästhetischen Experimente bevorzugt. So kommen seine Arbeiten gelegentlich konventionell und auch altbacken daher. Wer auf visuelle Effekte oder verblüffende szenische Lösungen hofft, wird leer ausgehen. Bühnenbildner Stefan Hageneier schuf einen gut einsehbaren Schnitt durch das Wohnzimmer von Meg und Petey, das naturalistisch eingerichtet war und den maroden Charme der fünfziger Jahren verströmte.
Darin wuselte Cornelia Froboess sehr überzeugend hausfraulich und geschäftig herum. Sie war zweifelsohne eine gute Besetzung für diese Rolle. Küchenarbeit schien ihr nicht fremd zu sein. Gelegentlich hielt sie in ihrer Geschäftigkeit innen und sonderte durchaus komisch wirkende Einsichten über das Leben und die Welt, die Meg gar nicht kannte, ab. Helmut Stange war als Petey aufgrund seiner Arbeit der Einzige, der Kontakt zur Außenwelt hielt. Ihm schien die Häuslichkeit (gut überspielten) Verdruss zu bereiten und so kommentierte er die Vorgänge nur, wenn das Wort an ihn gerichtet war und dann stets aus einer deutlichen geistigen Abwesenheit heraus. Robert Gallinowski gab einen gehetzten, sich bedrängt fühlenden Stanley, der durch diese Haltung das kommende Grauen, und als solches konnte die Anwesenheit von Goldberg und McCann gesehen werden, vortrefflich vorbereitete. Nadine Germann fiel der Part einer sexuell anziehenden Provinzschönheit zu. Ihre Lulu war ein Marilyn Monroe-Verschnitt, der dieser Aufgabe durchaus gerecht wurde.
Für die Rolle des Goldberg hatte sich Thomas Langhoff den Berliner Granden Dieter Mann mitgebracht. Der spielte den Part des undurchsichtigen Vorgesetzten von McCann auf diabolische Weise. Die unterschwellige Brutalität wurde immer wieder von oberflächlicher freundlicher Zuneigung gegen jeden Mitspieler aufgehoben und dadurch deutlich verstärkt. Robert Josef Bartl gab als McCann den treuen Famulus und Vollzugsbeamten, hörig und gleichsam wie ein gezähmte Bestie, zu jeder, auch der undenkbarsten Tat fähig. Bartls physische Präsenz war wohl das Sehenswerteste des Abends. Massig, skurril, verschroben und unberechenbar agierte er wie ein Pitbull im Streifenanzug. Dabei kam es im ganzen Stück eher selten zu physischer Expression. Die pure Anwesenheit beider Figuren und deren geheimnisvolle Hatz gegen Stanley sollte das verstörende Element sein.
Das Unsichtbare, das Unbekannte verbreitet Angst und Schrecken. Und der devote Kniefall vor dem Unsichtbaren führt in die Katastrophe. Das könnte eine mögliche Interpretation des Abends sein. Die Inszenierung am Residenz Theater vermittelte in jedem Fall die Größe der Pinterschen Vorlage. Pinter schrieb Stücke für ein Startheater, in dem die Darsteller ihre Vorzüge ausstellen können. Das wurde in der Bühneneinrichtung durch Thomas Langhoff sichtbar. Dennoch verharrte die Gesamtansicht in Konventionen, durchaus unterhaltsam und gut gespielt, doch nicht wirklich verstörend.
Thomas Langhoff ist ein Regisseur, der sich gern auf den künstlerischen und intellektuellen Gehalt eines Dramas verlässt und keine ästhetischen Experimente bevorzugt. So kommen seine Arbeiten gelegentlich konventionell und auch altbacken daher. Wer auf visuelle Effekte oder verblüffende szenische Lösungen hofft, wird leer ausgehen. Bühnenbildner Stefan Hageneier schuf einen gut einsehbaren Schnitt durch das Wohnzimmer von Meg und Petey, das naturalistisch eingerichtet war und den maroden Charme der fünfziger Jahren verströmte.
Darin wuselte Cornelia Froboess sehr überzeugend hausfraulich und geschäftig herum. Sie war zweifelsohne eine gute Besetzung für diese Rolle. Küchenarbeit schien ihr nicht fremd zu sein. Gelegentlich hielt sie in ihrer Geschäftigkeit innen und sonderte durchaus komisch wirkende Einsichten über das Leben und die Welt, die Meg gar nicht kannte, ab. Helmut Stange war als Petey aufgrund seiner Arbeit der Einzige, der Kontakt zur Außenwelt hielt. Ihm schien die Häuslichkeit (gut überspielten) Verdruss zu bereiten und so kommentierte er die Vorgänge nur, wenn das Wort an ihn gerichtet war und dann stets aus einer deutlichen geistigen Abwesenheit heraus. Robert Gallinowski gab einen gehetzten, sich bedrängt fühlenden Stanley, der durch diese Haltung das kommende Grauen, und als solches konnte die Anwesenheit von Goldberg und McCann gesehen werden, vortrefflich vorbereitete. Nadine Germann fiel der Part einer sexuell anziehenden Provinzschönheit zu. Ihre Lulu war ein Marilyn Monroe-Verschnitt, der dieser Aufgabe durchaus gerecht wurde.
Für die Rolle des Goldberg hatte sich Thomas Langhoff den Berliner Granden Dieter Mann mitgebracht. Der spielte den Part des undurchsichtigen Vorgesetzten von McCann auf diabolische Weise. Die unterschwellige Brutalität wurde immer wieder von oberflächlicher freundlicher Zuneigung gegen jeden Mitspieler aufgehoben und dadurch deutlich verstärkt. Robert Josef Bartl gab als McCann den treuen Famulus und Vollzugsbeamten, hörig und gleichsam wie ein gezähmte Bestie, zu jeder, auch der undenkbarsten Tat fähig. Bartls physische Präsenz war wohl das Sehenswerteste des Abends. Massig, skurril, verschroben und unberechenbar agierte er wie ein Pitbull im Streifenanzug. Dabei kam es im ganzen Stück eher selten zu physischer Expression. Die pure Anwesenheit beider Figuren und deren geheimnisvolle Hatz gegen Stanley sollte das verstörende Element sein.
Das Unsichtbare, das Unbekannte verbreitet Angst und Schrecken. Und der devote Kniefall vor dem Unsichtbaren führt in die Katastrophe. Das könnte eine mögliche Interpretation des Abends sein. Die Inszenierung am Residenz Theater vermittelte in jedem Fall die Größe der Pinterschen Vorlage. Pinter schrieb Stücke für ein Startheater, in dem die Darsteller ihre Vorzüge ausstellen können. Das wurde in der Bühneneinrichtung durch Thomas Langhoff sichtbar. Dennoch verharrte die Gesamtansicht in Konventionen, durchaus unterhaltsam und gut gespielt, doch nicht wirklich verstörend.
Wolf Banitzki
Die Geburtstagsfeier
von Harold Pinter
Aus dem Englischen von Michael Walter Regie: Thomas Langhoff |