Residenz Theater Rose Bernd von Gerhart Hauptmann
Die Welt ist ein Dorf
Zeiten drastischer Umbrüche und gesellschaftlichen Wandels sind auch Zeiten, in denen in der Kunst Realismus und Naturalismus zu Blüte gelangen. Der Rückgriff auf die letzten verbindlichen oder klar erkennbaren Beweggründe und Werte mutet wie eine Sicherstellung einer Basis an. Den Beginn des vergangenen Jahrhunderts prägten nachhaltig die aufkommenden sozialistischen Bewegungen, welche das gesellschaftliche Gleichgewicht zum Wanken brachten. Gerhart Hauptmann, dem bürgerlichen deutschen Humanismus verpflichtet, schrieb im Jahre 1903 das naturalistische Drama Rose Bernd. Dieses, auf einer wahren Begebenheit beruhende Werk, berührt besonders durch die Fähigkeit Hauptmanns, menschliches Leid sichtbar zu machen und über die Darstellung Mitleid erstehen zu lassen. Das Mitleid und die menschlichen Triebe, Wünsche, Schwächen und Fehler sind es, die das Trauerspiel auch heute aktuell erscheinen lassen. Schon in der Ankündigung des Stückes wird deutlich auf diese Bezug genommen. Allein in dieser Zeit wird ein wenig anders damit umgegangen. Blickt man heute in die Medien, so nehmen Sensationsberichte über Fehltritte, Erpressung, Betrug und Gerichtsverfahren einen breiten Raum ein und werden von einer Vielzahl von Sensationshungrigen wahrgenommen. Sie sind die moderne „Dorfgemeinschaft“, die die Geschehnisse weiterträgt. Den Beginn dieses Jahrhunderts prägt die Globalisierung und die damit verbundenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen. Doch Mensch ist Mensch.
Rose Bernd, eine junge Frau, steht im Mittelpunkt einer kleinen Gemeinschaft, in der Bigotterie, Vorstellungen und Erwartungen die Szene beherrschen. Der Vater möchte sie mit August Keil, einem ordentlichen Buchbinder, verheiraten. Der Dorfvorsteher Flamm, dessen Frau bisweilen Mutterstelle bei Rose vertritt, hat ein Verhältnis mir ihr. Der Vorarbeiter Streckmann sucht sein Heil in Erpressung, um ebenfalls in den Genuss von Roses Aufmerksamkeit zu kommen. Doch auch der brave Keil macht seinen Anspruch geltend, erwartet Lohn.
Das Dorf, die Welt, war eine schmucklose braune schiefe Ebene, auf der das Spiel ausgetragen wurde (Bühne Hugo Gretler). Silbern glänzende verzinkte Eimer standen auf ihr, gefüllt mit Wasser, gefüllt mit den Kirschen des Baumes, in dessen hohlem Stamm Rose und Flamm sich begegnen. Ein Schrei. Rose betrat die Bühne, einige Eimer kippten, das Wasser ergoss sich über die Fläche und sie rutschte hinab. Ihr helles Sommerkleid wurde dunkel am Saum.
Zeiten drastischer Umbrüche und gesellschaftlichen Wandels sind auch Zeiten, in denen in der Kunst Realismus und Naturalismus zu Blüte gelangen. Der Rückgriff auf die letzten verbindlichen oder klar erkennbaren Beweggründe und Werte mutet wie eine Sicherstellung einer Basis an. Den Beginn des vergangenen Jahrhunderts prägten nachhaltig die aufkommenden sozialistischen Bewegungen, welche das gesellschaftliche Gleichgewicht zum Wanken brachten. Gerhart Hauptmann, dem bürgerlichen deutschen Humanismus verpflichtet, schrieb im Jahre 1903 das naturalistische Drama Rose Bernd. Dieses, auf einer wahren Begebenheit beruhende Werk, berührt besonders durch die Fähigkeit Hauptmanns, menschliches Leid sichtbar zu machen und über die Darstellung Mitleid erstehen zu lassen. Das Mitleid und die menschlichen Triebe, Wünsche, Schwächen und Fehler sind es, die das Trauerspiel auch heute aktuell erscheinen lassen. Schon in der Ankündigung des Stückes wird deutlich auf diese Bezug genommen. Allein in dieser Zeit wird ein wenig anders damit umgegangen. Blickt man heute in die Medien, so nehmen Sensationsberichte über Fehltritte, Erpressung, Betrug und Gerichtsverfahren einen breiten Raum ein und werden von einer Vielzahl von Sensationshungrigen wahrgenommen. Sie sind die moderne „Dorfgemeinschaft“, die die Geschehnisse weiterträgt. Den Beginn dieses Jahrhunderts prägt die Globalisierung und die damit verbundenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen. Doch Mensch ist Mensch.
Rose Bernd, eine junge Frau, steht im Mittelpunkt einer kleinen Gemeinschaft, in der Bigotterie, Vorstellungen und Erwartungen die Szene beherrschen. Der Vater möchte sie mit August Keil, einem ordentlichen Buchbinder, verheiraten. Der Dorfvorsteher Flamm, dessen Frau bisweilen Mutterstelle bei Rose vertritt, hat ein Verhältnis mir ihr. Der Vorarbeiter Streckmann sucht sein Heil in Erpressung, um ebenfalls in den Genuss von Roses Aufmerksamkeit zu kommen. Doch auch der brave Keil macht seinen Anspruch geltend, erwartet Lohn.
Das Dorf, die Welt, war eine schmucklose braune schiefe Ebene, auf der das Spiel ausgetragen wurde (Bühne Hugo Gretler). Silbern glänzende verzinkte Eimer standen auf ihr, gefüllt mit Wasser, gefüllt mit den Kirschen des Baumes, in dessen hohlem Stamm Rose und Flamm sich begegnen. Ein Schrei. Rose betrat die Bühne, einige Eimer kippten, das Wasser ergoss sich über die Fläche und sie rutschte hinab. Ihr helles Sommerkleid wurde dunkel am Saum.
Regisseur Enrico Lübbe setzte auf einen stringent gekürzten, doch dem Original verbundenen Text und gestaltete mit sensibler Hand eine auf das Wesentliche beschränkte Inszenierung. Der niederschlesische Dialekt, in dem das Stück geschrieben ist, ließ vor dem Auge des Zuschauers Land erstehen. Doch die Inszenierung ging über Land und Bevölkerungsschicht hinaus, könnte überall spielen und in jeder Gesellschaftsschicht. Die große Intensität, die die Schauspieler in die Darstellung legten, wirkte bewegend und angemessen. Lucy Wirth gab eine leidgeprüfte Rose Bernd, die still duldete in Gestik und Haltung, deren Schrei das einzige Aufbegehren kundtat. Ihre Bekenntnis der Kindstötung wirkte wie eine wohlüberlegte Konsequenz. Nur ihr Verlobter August Keil (Thomas Gräßle) vollzog als einziger im Stück eine Katharsis, wandelte sich erkennbar vom kleingläubigen Moraldogmatiker zum bekennenden gereiften Christen. Diese Wandlung blieb dem bigotten Bernd, konsequent dargestellt von Ulrich Beseler, versagt. Markus Calvin als skrupelloser Streckmann, verstand es überzeugend mitleidlos, aus seinem Wissen um das Verhältnis von Rose und Flamm persönlichen Profit zu schlagen, sein Ego zu nähren damit. Dirk Ossig und Juliane Köhler brachten das Ehepaar Flamm auf die Bühne. Durch Jahre und Leid verbunden, bestimmte beruhigende Langeweile ihr Leben. Von verständnisvoll und Rose scheinbar wohlwollend zugetan, bis in Lüge und Sprachlosigkeit verfangen reichte ihre Palette. Gabi Geist, Alfred Kleinheinz und Franziska Rieck spielten die beobachtenden Dorfbewohner, und kommentierten auf ihre Weise.
Lucy Wirth, Franziska Rieck, Marcus Calvin, Alfred Kleinheinz, Gabi Geist © Thomas Dashuber |
Enrico Lübbe ließ auch die Pausen spielen in denen die einzelnen Figuren deutlich erkennbar hervortraten, einen Striptease der Psyche vollführten. In den Pausen erreichte auch Text das Publikum, bisweilen bekannte Volksweisheiten, die jedoch nichts an Gültigkeit verloren haben. Allein die metaphorische Sprache, in der sie verfasst sind, weist auf die Vergangenheit hin. Ihre Inhalte sind nach wie vor gültig, berühren nach wie vor. Auch wurden die Charaktere dadurch fassbarer und somit befördert.
Wie wenig die Menschen sich in ihrem Verhalten, ihren Lebensrollen verändert haben in der Zeit seit der Entstehung von Hauptmanns Werk bis heute, konnte man in dieser Inszenierung erkennen. Sie bot einen unverstellten Blick auf Urgründe und verdient schon deshalb Aufmerksamkeit.
C.M.Meier
Rose Bernd
von Gerhart Hauptmann
Gabi Geist, Juliane Köhler, Franziska Rieck, Lucy Wirth, Ulrich Beseler, Marcus Calvin, Thomas Gräßle, Alfred Kleinheinz, Dirk Ossig und Ines Hollinger Regie: Enrico Lübbe |