Stadttheater Oblomow Emma in Love von Mike Bartlett
Störfaktor Mensch
Emma wird zu einem „Small Talk“ mit ihrer Managerin gebeten. Die sitzt, sehr maskulin wirkend, im schwarzen Anzug und mit freundlicher, aber unverbindlicher Miene in ihrem Büro, das obligatorische Klemmbrett auf den Knien. (Kostüme: Cornelia Meurer) Man bespricht den Arbeitsvertrag, insbesondere die Passagen, in denen zwischenmenschliche Beziehungen am Arbeitsplatz definiert sind. (Ein wenig erinnert die Managerin an einen Stasi-Führungsoffizier.) Man ist sich einig darüber, dass es beiden ausschließlich um das Wohl der Firma geht. Doch schon beim zweiten Gespräch stellt sich heraus, dass sich eine Beziehung mit einem Kollegen anbahnt. Emma gerät in die Mühlen der Firmenjustiz. Verschanzt hinter dem innerbetrieblichen Regelwerk, beginnt die Managerin auf existenzielle Weise in Emmas Leben einzugreifen. Emma ist den Spielregeln neoliberaler Menschenverwaltung ohnmächtig ausgeliefert. Es kommt im Verlauf der Handlung zum Äußersten. Doch am Ende zeigt sich, dass die Firma in ihrer „unendlichen Güte“ keinen ihrer Mitarbeiter fallen lässt, wenn dieser noch funktionstüchtig ist. Schöne neue Welt!
Emma wird zu einem „Small Talk“ mit ihrer Managerin gebeten. Die sitzt, sehr maskulin wirkend, im schwarzen Anzug und mit freundlicher, aber unverbindlicher Miene in ihrem Büro, das obligatorische Klemmbrett auf den Knien. (Kostüme: Cornelia Meurer) Man bespricht den Arbeitsvertrag, insbesondere die Passagen, in denen zwischenmenschliche Beziehungen am Arbeitsplatz definiert sind. (Ein wenig erinnert die Managerin an einen Stasi-Führungsoffizier.) Man ist sich einig darüber, dass es beiden ausschließlich um das Wohl der Firma geht. Doch schon beim zweiten Gespräch stellt sich heraus, dass sich eine Beziehung mit einem Kollegen anbahnt. Emma gerät in die Mühlen der Firmenjustiz. Verschanzt hinter dem innerbetrieblichen Regelwerk, beginnt die Managerin auf existenzielle Weise in Emmas Leben einzugreifen. Emma ist den Spielregeln neoliberaler Menschenverwaltung ohnmächtig ausgeliefert. Es kommt im Verlauf der Handlung zum Äußersten. Doch am Ende zeigt sich, dass die Firma in ihrer „unendlichen Güte“ keinen ihrer Mitarbeiter fallen lässt, wenn dieser noch funktionstüchtig ist. Schöne neue Welt!
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Elisabeth Wasserscheid, Ina Mehling © Hilda Lobinger |
Autor Mike Bartlett zeichnet ein theatralisch gespiegeltes Bild von einer menschenverachtenden und erschütternden Realität, das keinesfalls realitätsfremd ist. Einst dem bürgerlichen Renaissanceideal verpflichtet - der Mensch als Mittelpunkt des Universums - offenbart sich die heutige bürgerliche Wirtschaftsrealität als eine verkappte Form von psychischer Sklaverei. Regelwerke knechten nicht nur den Menschen an sich, sondern auch seine Gefühle und sein Denken. Die Unterschrift des Arbeitnehmers unter den Vertrag entpuppt sich als Pakt mit dem Teufel. Die Diktatur des Kapitals schreitet voran und hinterlässt mehr als nur Kolalateralschäden. Sie verbannt Menschlichkeit in gesellschaftliche Nischen oder gar ins Private. Menschlichkeit muss man sich inzwischen leisten können.
Thomas Flach schuf im Stadttheater Oblomow ein minimalistisches Bühnenbild. Eine kleine Drehbühne inmitten des Raumes, beleuchtet von harten Spots, reichten aus, um in siebzig Minuten eine menschliche Seelenschau wie in einem anatomischen Theater aufzuführen. Regisseur Jochen Schölch wählte die Drehbühne, um den Vorgängen einen Ausstellungscharakter zu verleihen. Er besetzte die Rollen mit Ina Meling (Emma) und Elisabeth Wasserscheid (Managerin) kongenial. Beide agierten auf gleichem, sehr hohem Niveau darstellerischen Ausdrucks. Ina Meling war jede innere Regung Emmas vom Antlitz und an ihrer Körperhaltung abzulesen. Gekonnt steigerte sie ihre anfängliche Irritation über den Ausdruck der Verzweifelung bis hin zum blanken Entsetzen. Obgleich der Fortgang der Geschichte wegen der, an Absurdität grenzenden „Menschlichkeit“, stark komische Züge trug, verblieb das letzte Lachen in den Köpfen der Betrachter.
Elisabeth Wasserscheids Managerin wirkte kontrolliert unterkühlt, bei antrainierter Freundlichkeit. Sehr zielgerichtet demontierte sie die Persönlichkeit Emmas. Ihre Argumente wirkten, bei aller Perfidie, souverän, denn beide Frauen waren der Firmenideologie auf Gedeih und Verderben ausgeliefert. Dennoch huschten in Momenten der schlimmsten inneren Zerrüttung Emmas Anflüge von Menschlichkeit über das Gesicht von Elisabeth Wasserscheid. Diese Augenblicke signalisierten, dass beide Frauen im System gefangen waren. Doch das „allmächtige System“ duldete keine Schwächen und so wurde der Vernichtungsfeldzug bis zum bitteren Ende geführt. Die Darstellerinnen erzeugten mit ihrem sensiblen und facettenreichen Spiel ein großes Maß an Betroffenheit beim Betrachter.
Jochen Schölch brachte eine kleine, sehr intime Geschichte auf die Bühne, die alles andere als kleinlich war. Diese sehr geschlossene, zwingende Inszenierung war nicht nur eine Analyse unserer heutigen Wirtschaftswelt und deren Menschen, sondern hatte durchaus das Potential, Empörung zu erzeugen. Die theatralische Umsetzung gelang auf hohem künstlerischem Niveau. Darum: Unbedingt anschauen und, wenn möglich, die aufkommende Empörung in die reale Welt hinaustragen. Widerstand gegen Gleichgültigkeit und Entmenschlichung muss wieder zu einer Tugend werden. Es kann und darf nicht sein, dass der Mensch als der gravierendste Störfaktor in der Ökonomie angesehen wird.
Wolf Banitzki
Thomas Flach schuf im Stadttheater Oblomow ein minimalistisches Bühnenbild. Eine kleine Drehbühne inmitten des Raumes, beleuchtet von harten Spots, reichten aus, um in siebzig Minuten eine menschliche Seelenschau wie in einem anatomischen Theater aufzuführen. Regisseur Jochen Schölch wählte die Drehbühne, um den Vorgängen einen Ausstellungscharakter zu verleihen. Er besetzte die Rollen mit Ina Meling (Emma) und Elisabeth Wasserscheid (Managerin) kongenial. Beide agierten auf gleichem, sehr hohem Niveau darstellerischen Ausdrucks. Ina Meling war jede innere Regung Emmas vom Antlitz und an ihrer Körperhaltung abzulesen. Gekonnt steigerte sie ihre anfängliche Irritation über den Ausdruck der Verzweifelung bis hin zum blanken Entsetzen. Obgleich der Fortgang der Geschichte wegen der, an Absurdität grenzenden „Menschlichkeit“, stark komische Züge trug, verblieb das letzte Lachen in den Köpfen der Betrachter.
Elisabeth Wasserscheids Managerin wirkte kontrolliert unterkühlt, bei antrainierter Freundlichkeit. Sehr zielgerichtet demontierte sie die Persönlichkeit Emmas. Ihre Argumente wirkten, bei aller Perfidie, souverän, denn beide Frauen waren der Firmenideologie auf Gedeih und Verderben ausgeliefert. Dennoch huschten in Momenten der schlimmsten inneren Zerrüttung Emmas Anflüge von Menschlichkeit über das Gesicht von Elisabeth Wasserscheid. Diese Augenblicke signalisierten, dass beide Frauen im System gefangen waren. Doch das „allmächtige System“ duldete keine Schwächen und so wurde der Vernichtungsfeldzug bis zum bitteren Ende geführt. Die Darstellerinnen erzeugten mit ihrem sensiblen und facettenreichen Spiel ein großes Maß an Betroffenheit beim Betrachter.
Jochen Schölch brachte eine kleine, sehr intime Geschichte auf die Bühne, die alles andere als kleinlich war. Diese sehr geschlossene, zwingende Inszenierung war nicht nur eine Analyse unserer heutigen Wirtschaftswelt und deren Menschen, sondern hatte durchaus das Potential, Empörung zu erzeugen. Die theatralische Umsetzung gelang auf hohem künstlerischem Niveau. Darum: Unbedingt anschauen und, wenn möglich, die aufkommende Empörung in die reale Welt hinaustragen. Widerstand gegen Gleichgültigkeit und Entmenschlichung muss wieder zu einer Tugend werden. Es kann und darf nicht sein, dass der Mensch als der gravierendste Störfaktor in der Ökonomie angesehen wird.
Wolf Banitzki
Emma in Love
von Mike Bartlett
Ina Meling, Elisabeth Wasserscheid |