Halle 7 Wildnis und Casinos von Robert Woelfl


 

 

Rien ne va plus

Grau. Grau war die Wildnis in Claus Peter Seiferts Inszenierung von Robert Woelfls Stück, welches 2006 uraufgeführt worden war und bis heute nichts von seiner Aktualität einbüßte. Nach wie vor beherrschen die Meldungen über den Casino-Kapitalismus die Medien und beachtliche Teile der Bevölkerung zittern täglich mit. Die natürliche Wildnis wandelte sich im Laufe der letzten Jahrhunderte vom Grün oder Sandgelb und der darin lebenden gefährlichen Tierwelt in einen behüteten Bereich, während sich eine unüberschaubare Wildnis in der industriellen Zivilisation breitmacht. Betongrau, Maschinengrau, Bürokratengrau, Bankengrau und dieses vehement um sich greifende Grau lässt auch die Lebendigkeit ergrauen. Dies ist der Raum in dem sich die Figuren aufhalten, sich befinden „in Situationen … nicht in meinem Leben“, wie Woelfl Rita feststellen lässt. Auch wenn der graue Filz, der die Bühne bestimmte (Frank Campoi, Elena Thodria) weich ist und die darunter gelegten Matten den Schritt oder die Körper auffingen, Sicherheit suggerierten, so blieb doch das Grau dominierend.
 
  wildniscasinos  
 

Elisa Ottersberg, Andreas Mayer, Natascha Heimes

© Hilda Lobinger

 

 

Die gleich Halbwilden ausstaffierten Darsteller agierten in der mit Steinen und einer Pipeline gestalteten Bühnenlandschaft, bekleidet mit Fellresten und Filz über roten Dessous und lila Satinsporthosen. Carlos wartete ungeduldig auf seine Stunde, klopfte sich an die Brust, auf die Schenkel, richtete sich mächtig auf. Lucy, 24zigjährige Praktikantin, hatte längst reagiert auf ihn, der eine Etage aufgestiegen war in der Firma und das vorgelegte Tempo halten musste. Mit Tee steigerte er seine Kreativität, „bis zur Gelegenheitskriminalität“, wie Rita es nannte. Rita, die versuchte ihr Leben in einen Lebenslauf zu bringen und auf Nick ansprang. In deren Mittelpunkt stand der Vertrag, den sie bedienten mit ihrer Beziehung, ein Vertrag zur Vermögensbildung, der sie einander verband. Dagegen war Jana ihrem Konto verbunden und dem Abbau von Rohstoffen vermittels einer lila Kreditkarte beschäftigt, die die Beraterin an der Bank für sie extra kreierte. „Kaufen sie … kaufen sie sich eine Uhr … eine teure Uhr“, empfahl diese. „Benutzen sie die Karte sooft wie möglich …“  Nick hatte eine Schatzkarte erstanden, ein Gelegenheitskauf wie er versicherte, wollte er doch mindest ein Abenteuer erleben und erst später den vertraglichen Verpflichtungen nachkommen. „… du hast das Geld nicht verloren, es ist nur verschwunden …“ erklärte Carlos Lucy den Verlust nach einem kreativen Deal zur wundersamen Vermehrung. Die Schauspieler boten nuanciertes  ausgewogenes Ensemblespiel und ausgefeilt differenzierte Charaktere: Steve Walter als Carlos machohaft, Elisa Ottersberg als Lucy sexy, Natascha Heimes als Rita vernünftig, Katharina Romanenko als Jana verzweifelt, Andreas Mayer als Nick sensibel. Alle Fünf waren einander über Vertrauensverhältnisse, Freundschaften, verbunden und schwankten zeitgemäß zwischen Ver- und Misstrauen, schwankten zwischen den benannten Eigenschaften und deren Gegenteil. Am Ende gleichzeitig?

Authentizität, Abenteuer, Vertrag, Vertrauensverhältnis, Kreativität und Kriminalität sind die Begriffe mit denen Robert Woelfl spielt und die er in ihren verschiedenen Schattierungen aufleuchten lässt. Nicht zu vergessen das „Über-Ich“, das mittlerweile in fast jeder …tasche zu finden ist und das Termine und Gefühle verwaltet, doch keineswegs Auswege aus dem Dilemma zu finden in der Lage ist. Doch das Unternehmen um der Unternehmung willen ist auch kein Abenteuer und so begnügt man sich mit der Verwaltung des gewaltigen …

Traurig. Traurig ist es in dieser Wildnis, auch wenn die ausgezeichnete Aufführung schmunzeln und gelegentlich erhaben lächeln ließ in den Momenten, die Wiedererkennung überdeutlich weckten. So blieb eben ein zwiespältiger Eindruck von der kurzweiligen Inszenierung: einerseits ein angenehmer, auf Grund des intelligenten Textes und der gelungenen Umsetzung, andererseits ein unangenehmer, auf Grund der bedrückenden Realitätsnähe.
 
 
C.M.Meier

 

 


Wildnis und Casinos

von Robert Woelfl

Natascha Heimes, Elisa Ottersberg, Katharina Romanenko, Andreas Mayer, Steve Walter

Regie: Claus Peter Seifert