Theater Viel Lärm um Nichts  Der grüne Kakadu von Arthur Schnitzler


 

 

Viel blutiger Ernst

 

Ort der Handlung: Paris. Zeit: 14. Juli 1789. Impresario Prospère hat sein Theater verloren. Es ist pleite gegangen. Eine Gastronomie scheiterte ebenso. Die zündende Idee war die Fusion beider Vorhaben im Wirtshaus „Zum grünen Kakadu“: Eine theatralische Gastronomie oder Event-Gastronomie, wie man heutzutage sagt. Wie bekannt einem das doch vorkommt in Zeiten von Kulturabbau! Prospère hat die Mitglieder seiner alten Truppe wieder zusammengetrommelt, die sich nun in der verruchten Kaschemme als Verbrecher outen und haarsträubende Geschichten zum Besten geben. Die Idee funktioniert, der Laden läuft gut. Es ist vornehmlich der Adel, der sich nächtens einfindet und sich eine Gänsehaut bereiten lässt. Dem wirklichen Leben, und dazu zählt nun mal das Verbrechen, ein bisschen näher sein, hatte schon immer eine große Anziehungskraft. Das Fatale an diesem Abend ist allerdings, dass, während der Adel Prospères Spitzen, bezügliche einer baldigen Bestrafung für ihre parasitäre Existenz über sich ergehen lassen muss, draußen das Pariser Volke die Bastille stürmt und den Kopf des Kommandanten auf einer Stange durch die Straßen trägt. Es war der Beginn der bedeutendsten Revolution der Menschheitsgeschichte, die sehr viel Blaues Blut fließen ließ.

 

Die Geschichte beschreibt die Blauäugigkeit der morbiden Gesellschaft, die in ihren eigenen Untergang hineinfeiern. Höhepunkt ist der Auftritt Henri, Zugpferd der Truppe, der gesteht, er habe den Herzog de Cadignan in der Garderobe seiner Gattin erdolcht. Die Anwesenden sind überzeugt davon, dass die Tat geschehen ist, denn einige Personen wissen, dass die Ehefrau Henris die Geliebte des Herzogs war. Henri erfährt nun sein Motiv für die Tat. Als der Herzog plötzlich doch erscheint, ...

 

Schnitzler, der ein eher abstoßendes Bild von den Vorgängen und Hintergründen zeichnete, wollte darum die Ziele der Revolution nicht verraten sehen. Das zumindest beteuerte er nach dem Ersten Weltkrieg. Er schuf lediglich eine Groteske, in der Maskerade stattfand, Seelenzustände beschrieben wurden und der Untergang der „Fin de siècle“-Gesellschaft einem beißenden Spott ausgesetzt wurde. Im Übrigen ist es seit dem Barock das erste Theaterstück, das sich wieder mit dem Thema Sein und Schein auseinander setzte. Die Uraufführung fand am 1. März 1899 am Wiener Burgtheater statt. Das Stück wurde nach nur drei Vorstellungen auf Wunsch der Erbherzogin abgesetzt. Wen wunderts?

 

Andreas Seyferth brachte das Stück zum Jahresabschluss auf die Bühne des Theater „Viel Lärm um Nichts“ in der Pasinger Fabrik. Das in viel roten Samt gewandete Etablissement hatte eher etwas heimeliges und war weniger verrucht. Der Haupteingang in die Kaschemme erfolgte von oben, so dass jedermann deutlich wurde, es handelte sich um einen Keller. Für einige Darsteller wurden ein große Auftritte inszeniert. Allen voran Stephan Joachim, der seinem Eintreten einen beeindruckenden Ton voranschmetterte. Damit war er als Henri und Star der Truppe eingeführt. Berückend schön und fragil an seiner Seite Judith Bopp, die als Lèocardie und Ehefrau Henris immerhin noch ein Engagement an einem „richtigen Theater“ hatte. Marion Niederländer fiel als selbstbewusster und tatkräftiger Prospère aus allen Wolken, als dieser von der Eheschließung und dem geplanten Rückzug der beiden aufs Land und in den „ewigen Frieden“ hörte. Theresa Bendel gab einen verwirrten jungen Chevalier, der erstmals in Paris war und sichtlich überfordert mit den Sitten und Gebräuchen. Der Chevalier wurde allerdings auch mit drei wahren Blüten der Pariser Aristokratie konfrontiert: Ute Pauer gab die hemmungslos libidinöse und nicht gerade feine Ehefrau des Marquis von Lansac. Der wurde von Walter von Hauff auf sehenswerteste Weise karikiert. Sven Schöckers Dichter Rollin schien den Leningrad Cowboys entlaufen zu sein. Sein Talent als Dichter war eher Behauptung, ein Beweis blieb er schuldig. Immerhin funktionierten seine Instinkte noch, als er darauf drängte, sich zurück zu ziehen. Alle drei hinterließen einen bleibenden Eindruck, um wes Geistes Kinder es sich hier handelte.

 

Es war alles in allem eine artige Inszenierung, die leider erst zum Ende hin die Fahrt aufnahm, die erahnen ließ, dass hier die Weltgeschichte beschleunigt wurde. Der Komödiantik der meisten Darsteller fehlte die Verve, so dass die Gags und Wortwitze, die allemal hörbar waren, den Zuschauern nicht in die Glieder fuhren. Die Inszenierung von Andreas Seyferth, er vermag das Komödiantische herauszukitzeln, wie er mehrfach bewies, beschwor viel blutigen Ernst und ließ das Groteske, dass dem Komischen näher ist als dem Tragischen, zu sehr in den Hintergrund treten. Schnitzlers Stück ist dennoch ein besonderes und wunderbares Stück, das man gesehen haben sollte.

 

 

Wolf Banitzki



 

 


Der grüne Kakadu

von Arthur Schnitzler

Judith Bopp, Theresa Bendel, Marion Niederländer, Ute Pauer, Walter von Hauff, Stephan Joachim, Robert Ludewig, Sven Schöcker

Regie: Andreas Seyferth