Theater Viel Lärm um Nichts The Beggar 's Opera von John Gay (Text) und Johann Christoph Pepusch (Musik)


 

 

Eine feine Gesellschaft

Es gab und gibt theatrale Ereignisse, die in ihrer Wirkung Theatergeschichte schreiben, ohne dass jemand im Vorfeld auch nur die geringste Ahnung hatte. Eines dieser Werke ist die „Beggar’s opera“, von John Gay aus dem Jahr 1728. Derartige Ereignisse fallen jedoch nicht vom Himmel, sondern sie deuten sich tendenziell an. In Englands Philosophie hatte sich der Empirismus breit gemacht und das Theater folgte dieser Tendenz. „Decency, propriety, order und common sense“ waren die Leitworte für die Texte und auch die darstellerische Umsetzung. In dieses Klima aus Sentimentalität und Satire brach ein Autor mit besonderer Wucht ein: Henry Fielding. Seine aggressiv-satirische Dramatik brachte einige Theater, die Stücke wie „Tragedy of Tragedies or the Life and Death of Tom Thumb the Great“ zur Aufführung brachten, immer wieder in arge Bedrängnis. So glaubte auch niemand an einen Erfolg, als John Rich Gays „Beggar’s opera“ zur Aufführung brachte. John Rich war der Sohn von Christopher Rich, einem „patentierten“ Theatermanager neuen Typus. Christopher war Geschäftsmann und kein Künstler, bei vielen Theaterkollegen verhasst. John Rich, selbst ein herausragender Harlekin-Darsteller und Pantomimen-Regisseur,  trat erfolgreich in die Fußstapfen des Vaters und erbaute 1731 das Theater „Covent Garden“, das G.F. Händel anmietete, um seine Prunkopern aufzuführen.

Tatsächlich galt die theatrale Attacke gar nicht vordergründig den herrschenden politischen Verhältnissen, sondern in erster Linie dem von der italienischen Oper geprägten Musiktheater. Es war ebenso ein Rachefeldzug John Gays, der immer wieder versucht hatte, in der „besseren Gesellschaft“, also bei Hof, Aufnahme zu finden. Er wurde immer wieder abgewiesen. Als der Siegeszug seiner „Bettleroper“ auf Richs Theater in Lincoln’s Inn Field begann, klingelten zuallererst die Kassen kräftig. John Rich konnte aufgrund der Nachfrage die Eintrittspreise um ein Viertel erhöhen und steigerte die wöchentlichen Einnahmen von 600 auf 1000 Pfund. Daher auch das Witzwort, die „Bettleroper“ habe „Gay rich“ und „Rich gay“ gemacht. Das Publikum stürmte die Vorstellungen geradezu, doch nicht wegen der ästhetischen Seitenhiebe auf die Unsitten der italienischen, und insbesondere der Händelschen Prunkopern, sondern wegen der politischen Demaskierung der „vornehmen Welt“, die das Publikum zu erkennen glaubte. Zuallererst sahen sie im Werk eine Parodie auf das Ministerium Walpole und das unter seiner Ägide entstandene und grassierende „privilegierte Gaunertum“. Walpole selbst saß in der Premiere und sah sich bei jeder Anspielung den Blicken des Publikums gnadenlos ausgesetzt. Er war immerhin klug genug, am Ende mitzuklatschen und das Stück nicht zu verbieten. Das tat er erst beim Nachfolgewerk „Polly“ womit er die Lektüre des Stückes in der Bevölkerung befeuerte.

Im Werk stellte Gay die Zusammenhänge zwischen der „feinen Gesellschaft“ und der Unterwelt, repräsentiert von dem Hehler Peachum und seiner Frau dar. Sie betreiben eine Firma mit Netzwerkcharakter, in der von Diebstahl, über Veräußerung des Diebesgutes, oder Rückgabe gegen Obolus, Erpressung, wenn kompromittierendes Material vorhanden war, bis hin zum Verrat der Diebe alles in einer Hand, der von Peachum, lag. Die Satire entstand, da die Aufgeblasenheit der italienischen Oper im Grundton, durchsetzt mit groben Vulgarismen, beibehalten wurde. So erschien auf dem ersten Blick die Unterwelt als eine durchaus wohlorganisierte „feine“ Gesellschaft mit Regeln, was implizierte, dass die „Feine Gesellschaft“ sich nicht wirklich von der Unterwelt unterschied. Heraus kam die bittere Wahrheit, dass die damalige englische Gesellschaft nicht „in Moral, sondern von Moral!“ lebte.

Die Geschichte beginnt, als die Peachums erfahren, dass ihre Tochter sich heimlich mit dem Gangster Macheath verehelicht hat. Der Mann muss weg, und da alles Geschäft ist, kassiert man erst die Prämie für den Verrat und behält für den Fall der Hinrichtung den Besitz des Gangsters im Auge. Schließlich ist Polly die rechtmäßige Ehefrau und Erbin. Doch Macheath trifft in der Haftanstalt auf die Tochter des Direktors Lockits, dem Geschäftspartner Peachums. Das Mädchen heißt Lucy und ist bereits hochschwanger von der letzten Begegnung mit Macheath. Sie verhilft ihm zur Flucht, doch am Ende wird Macheath in einer Spielhölle erneut festgesetzt. Während die Väter der beiden Mädchen auf die Auslöschung des Ganoven drängen, treten ihre Töchter vehement für eine Begnadigung ein. Schließlich erscheinen vier weitere Frauen mit Sprösslingen des Gangsters. Ein Bettler tritt auf und erklärt das Spiel für beendet, da das Publikum keine Hinrichtung auf der Bühne möchte. Im Theater Viel Lärm um Nichts geschah das durch Abstimmung mit Handzeichen. Schön, wenn ein Happy End so einfach herbeigeführt werden kann.

 

  BettlersOper  
 

Martin Cambeis, Elisabeth Grünebach. Hannes Berg, Luise Weber, Sven Schöcker

© Hilda Lobinger

 

 

Regisseur Andreas Seyferth bescherte dem Publikum in Pasing einen kurzweiligen und heiteren Abend, der großes Lob verdient hat. Margrit Carls hatte ihm dafür eine Fassung bereitet, die radikal und mutig in heutige und hiesige Zustände leuchtete und der mindestens genau so viel Lob gebührt. Peter Schultzes Bühne war aus Pappkarton und Spanholzplatten gefertigt. Es glich einem Lagerhaus, in der das Diebesgut aufbewahrt wurde. Die Bühne war von einem Laufsteg umringt, hinter dem die Musiker (Musikalische Leitung: Kai Taschner und Marcus Tronsberg) logierten. Die Kostüme von Johannes Schrödl waren eine Mischung aus Barocken Formen und heutigen (Verpackungs-) Materialien. Diese Überzeichnungen wurden durch kräftige Schminkmasken komplettiert. Und so wurde dann auch gesungen und gespielt: direkt, unverblümt, mit lächerlichen Verzierungen und Schnörkel, aber auch mit explosionsartigen Ausbrüchen.

Martin Cambeis Peachum war ein grobschlächtiger, ergebnisorientierter BWLer, der auch bereit gewesen wäre Weib und Tochter zu verscherbeln, wenn es Zuwachs bedeutet hätte. Sven Schöckers Knastdirektor Lockit, je nach Situation Partner oder Gegenspieler von Peachum, gab sich hingegen schrill und manieriert. Der Macheath von Hannes Berg war eine schräge Mischung aus entlaufenem „Leningradcowboy“ und „Captain Jack Sparrow“, ein lendengesteuerter Vorstadtcasanova, dem man zu Füßen lag, insbesondere Elisabeth Grünebach als puppenhafte, leichtfüßige Polly Peachum und Luise Weber als sehr, sehr schwangere, aber der Schwerkraft tapfer trotzende Lucy Lockit. Maria Maschenka leitete als Bettlerin den Abend ein und aus. Zwischendrin begeisterte sie mit Gesang und Spiel als rothaarig, verruchte Mrs. Peachum. Andreas Seyferths Regie entfesselte ein Feuerwerk an szenischen Bonmot, die die Darsteller ohne Mühe und flüssig umsetzten. Heraus kam ein intelligentes, ideenreiches und überaus witziges Musiktheater.

Dass Margit Carl aktuelle Politikerpersönlichkeiten in das Stück hineinschrieb, entspricht durchaus der Geschichte der „Bettlers Oper“, denn Gay hatte nichts anderes getan. So haben Joaquine von Bellevue, Hosen Angie und Haubitzen-Uschi Auftritte als Prostituierte. Eine Prostituierte ist eine gewerbsmäßige Anbieterin von besonderen Leistungen. Eine Übertreibung? Hier kommt es wohl auf den Blickwinkel an, aus dem man die Sache betrachtet. Das Allgemeingültige dieses Werks ist und bleibt unbestritten. Die schmissige und eingängige Musik, geschrieben von einem Hamburger namens Johann Christoph Pepusch, dessen balladesken Songs nach der Uraufführung 1728 schnell Ohrwürmer wurden, war alles andere als antiquiert und bereitete großen Spaß.

Es bleibt zu hoffen, dass dieser Inszenierung widerfährt, was der Uraufführung widerfuhr, ein Run der Zuschauer auf die Theaterkasse. Lohnenswert ist es allemal und es schadet dem Theater bestimmt nicht, wenn dieser künstlerische Erfolg sich auch in einen wirtschaftlichen ummünzen ließe.

Wolf Banitzki

 


The Beggar 's Opera
Ein prekäres Spektakel von John Gay (Text) und Johann Christoph Pepusch (Musik)

Hannes Berg, Maria Maschenka, Martin Cambeis, Elisabeth Grünebach, Sven Schöcker, Luise Weber, Marcus Tronsberg

Regie: Andreas Seyferth