Theater Viel Lärm um Nichts Der Schatten von Margit Carls nach Texten von H. Ch. Andersen
Wenn der Komparativ von gescheit gescheiter(t) ist ...
Es ist eine Geburtstagshommage auf einen großen Dichter. Nein, nicht Schiller, der starb vor 200 Jahren. Gemeint ist Andersen, ein großer, ein ganz großer Dichter, auch wenn es die wenigsten wissen. Gemeinhin ist dieser Dichter als Märchenschreiber bekannt und wird nicht selten mit den Gebrüdern Grimm in eine Lade geschoben. Das ist ungerecht, denn im Gegensatz zu den Brüdern, die nur sammelten und aufbereiteten, schuf Andersen Werke von Weltruhm aus sich heraus. Dem "Theater Viel Lärm um Nichts", in persona Margit Carls und Andreas Seyfert, kommt das Verdienst zu, daran zu erinnern, dass auch dieser Dichter am 2. April einen runden Geburtstag hätte feiern können, nämlich seinen 200.
In der Ankündigung wird dem Besucher folgende Geschichte offeriert: When dream turns into nightmare. Das ist eine gewaltige Untertreibung. Zugegeben, die zugkräftige Geschichte von dem Mann, der seinen Schatten verliert und von diesem Jahre später auf albtraumhafte Weise wieder eingeholt wird, ist eine dramaturgisch geschickte Lösung und allemal fesselnd. Tatsächlich aber erlebt der Zuschauer ein brillante Beschreibung des inneren Lebens und Leidens einer überragenden Künstlerpersönlichkeit, die exemplarische Züge trägt.
Andersen, Sohn eines Schuhmachers, wurde in bitterste Armut hineingeboren. Eine Schulbildung blieb dem wissbegierigen Knaben lange Zeit verwehrt. Seine Zuflucht waren Bücher und sein eigener fantastischer Geist, der schön frühzeitig ein Reich erschuf, aus dem der Dichter lebenslang schöpfen konnte. König Friedrich IV., dem die besondere Begabung des Knaben immerhin auffiel, ermöglichte ihm 1822 bis 1828 den Besuch der Lateinschule in Slagelse und ein anschließendes Studium an der Universität in Kopenhagen. Bald schon erntete Andersen seine ersten literarischen Meriten. Doch einen Durchbruch könnte er nicht erzielen, denn seine Denkungsart war zu eigenwillig. Hinzu trat ein sich bis zur Sucht auswachsender Geltungsdrang. Gescheit war er, doch letztlich gescheitert zu Lebzeiten, wie er selbst glaubte.
Es ist eine Geburtstagshommage auf einen großen Dichter. Nein, nicht Schiller, der starb vor 200 Jahren. Gemeint ist Andersen, ein großer, ein ganz großer Dichter, auch wenn es die wenigsten wissen. Gemeinhin ist dieser Dichter als Märchenschreiber bekannt und wird nicht selten mit den Gebrüdern Grimm in eine Lade geschoben. Das ist ungerecht, denn im Gegensatz zu den Brüdern, die nur sammelten und aufbereiteten, schuf Andersen Werke von Weltruhm aus sich heraus. Dem "Theater Viel Lärm um Nichts", in persona Margit Carls und Andreas Seyfert, kommt das Verdienst zu, daran zu erinnern, dass auch dieser Dichter am 2. April einen runden Geburtstag hätte feiern können, nämlich seinen 200.
In der Ankündigung wird dem Besucher folgende Geschichte offeriert: When dream turns into nightmare. Das ist eine gewaltige Untertreibung. Zugegeben, die zugkräftige Geschichte von dem Mann, der seinen Schatten verliert und von diesem Jahre später auf albtraumhafte Weise wieder eingeholt wird, ist eine dramaturgisch geschickte Lösung und allemal fesselnd. Tatsächlich aber erlebt der Zuschauer ein brillante Beschreibung des inneren Lebens und Leidens einer überragenden Künstlerpersönlichkeit, die exemplarische Züge trägt.
Andersen, Sohn eines Schuhmachers, wurde in bitterste Armut hineingeboren. Eine Schulbildung blieb dem wissbegierigen Knaben lange Zeit verwehrt. Seine Zuflucht waren Bücher und sein eigener fantastischer Geist, der schön frühzeitig ein Reich erschuf, aus dem der Dichter lebenslang schöpfen konnte. König Friedrich IV., dem die besondere Begabung des Knaben immerhin auffiel, ermöglichte ihm 1822 bis 1828 den Besuch der Lateinschule in Slagelse und ein anschließendes Studium an der Universität in Kopenhagen. Bald schon erntete Andersen seine ersten literarischen Meriten. Doch einen Durchbruch könnte er nicht erzielen, denn seine Denkungsart war zu eigenwillig. Hinzu trat ein sich bis zur Sucht auswachsender Geltungsdrang. Gescheit war er, doch letztlich gescheitert zu Lebzeiten, wie er selbst glaubte.
Hubert Bail, Achim Grauer |
Margit Carls gelang es auf wunderbare Weise, die Figuren des Dichters zu einem lebendigen Kaleidoskop des Andersen'schen Lebens zu verweben und zugleich den metaphorischen Hintergrund zu entschlüsseln. Das hässliche Entlein begleitet den Dichter lebenslang stellvertretend für sein Ringen um die absolute Schönheit. Der Schatten, bei Hoffmann und seinem Schlemihl leistet man gleich eingangs Abbitte, denn man möchte kein Plagiator sein, offenbart die andere Seite Andersens, die qualvolle, nach Anerkennung buhlende. Die Prinzessin auf der Erbse wird in ihrer Dummheit zur Scharfrichterin des Zeitgeistes, der in Dänemark seinerzeit verheerend wütete. An einen anderen Zeitgenossen, an Kierkegaard sei erinnert. Und so weiter und so weiter ... Der Wiedererkennungseffekt der Figuren ist deutlich und zugleich psychologisch erhellend.
Andreas Seyfert baute ganz auf die Magie der von den Besuchern mitgebrachten märchenhaften Vorstellungen und verhalf den darüber hinausgehenden Erläuterungen Margit Carls mit Humor und feinsinnigen Anspielungen zu fantasievollen Bildern. Das ganz in Schwarz und Weiß gehaltene Bühnenbild von Ernst Klünner, zumeist aus verschiebbaren Wänden bestehend und für Schattenspiele bestens geeignet, war eine kongeniale Lösung.
Hubert Bails Sicht auf die Figur des Dichters war eine sehr lebendige, ohne die Skurrilität des Menschen Andersen auszusparen. Seine Darstellung glich einem Auferstehungsakt, ohne dabei den Anspruch auf Realismus einzufordern. Achim Grauer vervollkommnete dieses Bild als sein Schatten auf diabolische Weise. Als erbarmungsloser Gegenspieler, gänzlich unpoetisch und frei von Skrupel, immaterielles Geschöpf einer zunehmend vermaterialisierten Welt, vertilgt er den Dichter zu Lebzeiten. Das schließlich war der Albtraum von Andersen und allen Künstlern vor und nach ihm.
Ein Wermutstropfen floss schließlich doch noch ein in die Inszenierung, nämlich als Wolf Friedrich, seines Zeichens Entertainer durch die Geschichte, den Zuschauer in eine vordergründig heutige Welt zerrte musste, um die Poesie- und Kunstfeinfeindlichkeit der neoliberalen Welt ins Bewusstsein zu tragen. Damit wich ein Teil der von der Poesie der Vorgänge erzeugten Wirkung einer Nüchternheit des banalen Alltags, gegen den Andersen sich lebenslang auflehnte oder ihn zumindest kritisch begleitete. Dennoch, es ist eine gelungene Geschichte, die anzuschauen sich lohnt.
Und noch etwas ist wert, dass es zur Kenntnis genommen wird, nämlich das obskure Verschwinden des Kopfes von Hans Christian Andersen nach seinem Ableben. Ein PR-Gag war diese Geschichte wohl nicht, wenngleich ungeheurer wirkungsvoll auch bei Nichtlesern. Vielleicht war es nur das i-Tüpfelchen auf ein sonderbares Leben.
Andreas Seyfert baute ganz auf die Magie der von den Besuchern mitgebrachten märchenhaften Vorstellungen und verhalf den darüber hinausgehenden Erläuterungen Margit Carls mit Humor und feinsinnigen Anspielungen zu fantasievollen Bildern. Das ganz in Schwarz und Weiß gehaltene Bühnenbild von Ernst Klünner, zumeist aus verschiebbaren Wänden bestehend und für Schattenspiele bestens geeignet, war eine kongeniale Lösung.
Hubert Bails Sicht auf die Figur des Dichters war eine sehr lebendige, ohne die Skurrilität des Menschen Andersen auszusparen. Seine Darstellung glich einem Auferstehungsakt, ohne dabei den Anspruch auf Realismus einzufordern. Achim Grauer vervollkommnete dieses Bild als sein Schatten auf diabolische Weise. Als erbarmungsloser Gegenspieler, gänzlich unpoetisch und frei von Skrupel, immaterielles Geschöpf einer zunehmend vermaterialisierten Welt, vertilgt er den Dichter zu Lebzeiten. Das schließlich war der Albtraum von Andersen und allen Künstlern vor und nach ihm.
Ein Wermutstropfen floss schließlich doch noch ein in die Inszenierung, nämlich als Wolf Friedrich, seines Zeichens Entertainer durch die Geschichte, den Zuschauer in eine vordergründig heutige Welt zerrte musste, um die Poesie- und Kunstfeinfeindlichkeit der neoliberalen Welt ins Bewusstsein zu tragen. Damit wich ein Teil der von der Poesie der Vorgänge erzeugten Wirkung einer Nüchternheit des banalen Alltags, gegen den Andersen sich lebenslang auflehnte oder ihn zumindest kritisch begleitete. Dennoch, es ist eine gelungene Geschichte, die anzuschauen sich lohnt.
Und noch etwas ist wert, dass es zur Kenntnis genommen wird, nämlich das obskure Verschwinden des Kopfes von Hans Christian Andersen nach seinem Ableben. Ein PR-Gag war diese Geschichte wohl nicht, wenngleich ungeheurer wirkungsvoll auch bei Nichtlesern. Vielleicht war es nur das i-Tüpfelchen auf ein sonderbares Leben.
Wolf Banitzki
Der Schatten
von Margit Carls nach Texten von H. Ch. Andersen
Hubert Bail, Ala Freyberg, Wolf Friedrich, Achim Grauer, Elisabeth Wasserscheid Regie: Andreas Seyferth |