Theater Viel Lärm um Nichts Franziskus - Gaukler Gottes von Dario Fo
Der unheilige Heilige
Franz von Assisi (1182-1226) war der Sohn eines reichen Tuchhändlers und er benahm sich auch so. Ausgelassene Feste bestimmten seinen Alltag. Er warf das Geld, das er nicht selbst verdient hatte, zum Fenster hinaus. Doch dann kam es zu Unruhen in Assisi, denn der plötzliche Tod des Kaiser Heinrich VI. (1197) hat ein Machtvakuum geschaffen, in das hinein das Volk rebellierte. Die Türme der verhassten Adeligen wurden geschleift und der 15jährige erlebte seine erste politische Demonstration, war an vorderster Front dabei. Es kam zu einem Unfall. Franz geriet zwischen die Glocken der Kirche; er wurde, mehr tot als lebendig, geborgen und in die Stille des väterlichen Weinkellers verbracht, wo er eine Woche lang vor sich hindämmerte. Danach war er ein anderer. Er benahm sich seltsam, entkleidete sich in der Kirche, beschenkte die Bettler großzügig und umarmte die Leprakranken. Laut Geschichtsschreibung soll er während einer Messe 1208 eine Stimme vernommen haben, die ihn im Wortlaut des Matthäusevangeliums 10, 5-14 aufforderte, in die Welt zu gehen, allem Besitz zu entsagen und Gutes zu tun.
Narr oder Heiliger? Die Kirche entschloss sich zu letzterem, obgleich ein hoher Würdenträger vierzig Jahre nach seinem Tod sämtliche Aufzeichnungen über das Tun des Ordenstifters vernichten ließ. Von nun an strickte die Kirche die Legende, ganz nach ihrem Gustos.
Trotz des verlogenen Treibens der katholischen Kirche verblieben Überlieferungen in der Welt. Eine der wichtigsten war der Auftritt von Franz in Bologna, einer Stadt, die von Kriegen außerhalb der Mauern und von Bruderzwist innerhalb der Markungen gezeichnet war. Man pflanzte große Hoffnungen in den Mann, dass er Frieden stiften würde. Doch der trat auf und sang ein Loblied auf Krieg, Zerstörung und Gemetzel. Die Bürgerschaft geriet in einen Schockzustand, rang sich aber schließlich durch, einen Friedenvertrag zu schließen. Was war geschehen? Ein heiliger Mann, ein Gaukler, wie er sich selbst nannte, hatte ihnen mit komödiantischen Mittel die Absurdität ihres Tuns vor Augen geführt.
Später baute Franz Kirchen, sprach mit den Vögeln, bekehrte mit der Macht des Wortes und der eigenen Unerschrockenheit, die an Narretei grenzte, Bestien. Schließlich gelangte er vor den Thron von Innozenz III., Stellvertreter Gottes, um von ihm die Genehmigung zu erwirken, das Evangelium verkünden zu dürfen. Das war nur der Kirchenkaste vorbehalten und ansonsten ein strafwürdiger Akt. Innozenz riet ihm, vor den Schweinen zu predigen. Franz predigte vor den Schweinen und war ein glücklicher Mann, denn er hatte begriffen, dass es nicht darum ging, die Tiere zu guten Christenmenschen zu erziehen, sondern die Menschen zu guten Tieren. Die Wirkung war geradezu messianisch und wenn man den Quellen Glauben schenken darf, brach der Papst angesichts dieser christlichen Reinheit und Menschlichkeit in Tränen aus. Das ist allerdings sehr unglaubhaft, denn Innozenz III. rief 1208 zum Kreuzzug gegen die Albigenser auf und war verantwortlich für den 4. Kreuzzug gegen das Heilige Land in dem zahllose Menschen starben oder verstümmelt wurden.
Literaturnobelpreisträger Dario Fo, der wohl wichtigste Vertreter des europäische Volkstheaters, ist im Alter keineswegs einer christlichen Verklärung anheim gefallen. Vielmehr sah er in der Geschichte des ungewöhnlichen Heiligen die Geschichte des Dilemmas, in dem sich der europäische Geist und insbesondere seine Utopien seit zweitausend Jahren befindet. Im Geiste zur letzten Befreiung fähig, wandte sich der Europäer immer wieder seiner erbärmlichen fleischlichen Sündhaftigkeit zu, und begrub die emanzipatorischen Bestrebung für eine lichtere Zukunft immer wieder unter den menschlichen Schlacken aus Gier, Machtlüsternheit und Eitelkeit.
Franz von Assisi (1182-1226) war der Sohn eines reichen Tuchhändlers und er benahm sich auch so. Ausgelassene Feste bestimmten seinen Alltag. Er warf das Geld, das er nicht selbst verdient hatte, zum Fenster hinaus. Doch dann kam es zu Unruhen in Assisi, denn der plötzliche Tod des Kaiser Heinrich VI. (1197) hat ein Machtvakuum geschaffen, in das hinein das Volk rebellierte. Die Türme der verhassten Adeligen wurden geschleift und der 15jährige erlebte seine erste politische Demonstration, war an vorderster Front dabei. Es kam zu einem Unfall. Franz geriet zwischen die Glocken der Kirche; er wurde, mehr tot als lebendig, geborgen und in die Stille des väterlichen Weinkellers verbracht, wo er eine Woche lang vor sich hindämmerte. Danach war er ein anderer. Er benahm sich seltsam, entkleidete sich in der Kirche, beschenkte die Bettler großzügig und umarmte die Leprakranken. Laut Geschichtsschreibung soll er während einer Messe 1208 eine Stimme vernommen haben, die ihn im Wortlaut des Matthäusevangeliums 10, 5-14 aufforderte, in die Welt zu gehen, allem Besitz zu entsagen und Gutes zu tun.
Narr oder Heiliger? Die Kirche entschloss sich zu letzterem, obgleich ein hoher Würdenträger vierzig Jahre nach seinem Tod sämtliche Aufzeichnungen über das Tun des Ordenstifters vernichten ließ. Von nun an strickte die Kirche die Legende, ganz nach ihrem Gustos.
Trotz des verlogenen Treibens der katholischen Kirche verblieben Überlieferungen in der Welt. Eine der wichtigsten war der Auftritt von Franz in Bologna, einer Stadt, die von Kriegen außerhalb der Mauern und von Bruderzwist innerhalb der Markungen gezeichnet war. Man pflanzte große Hoffnungen in den Mann, dass er Frieden stiften würde. Doch der trat auf und sang ein Loblied auf Krieg, Zerstörung und Gemetzel. Die Bürgerschaft geriet in einen Schockzustand, rang sich aber schließlich durch, einen Friedenvertrag zu schließen. Was war geschehen? Ein heiliger Mann, ein Gaukler, wie er sich selbst nannte, hatte ihnen mit komödiantischen Mittel die Absurdität ihres Tuns vor Augen geführt.
Später baute Franz Kirchen, sprach mit den Vögeln, bekehrte mit der Macht des Wortes und der eigenen Unerschrockenheit, die an Narretei grenzte, Bestien. Schließlich gelangte er vor den Thron von Innozenz III., Stellvertreter Gottes, um von ihm die Genehmigung zu erwirken, das Evangelium verkünden zu dürfen. Das war nur der Kirchenkaste vorbehalten und ansonsten ein strafwürdiger Akt. Innozenz riet ihm, vor den Schweinen zu predigen. Franz predigte vor den Schweinen und war ein glücklicher Mann, denn er hatte begriffen, dass es nicht darum ging, die Tiere zu guten Christenmenschen zu erziehen, sondern die Menschen zu guten Tieren. Die Wirkung war geradezu messianisch und wenn man den Quellen Glauben schenken darf, brach der Papst angesichts dieser christlichen Reinheit und Menschlichkeit in Tränen aus. Das ist allerdings sehr unglaubhaft, denn Innozenz III. rief 1208 zum Kreuzzug gegen die Albigenser auf und war verantwortlich für den 4. Kreuzzug gegen das Heilige Land in dem zahllose Menschen starben oder verstümmelt wurden.
Literaturnobelpreisträger Dario Fo, der wohl wichtigste Vertreter des europäische Volkstheaters, ist im Alter keineswegs einer christlichen Verklärung anheim gefallen. Vielmehr sah er in der Geschichte des ungewöhnlichen Heiligen die Geschichte des Dilemmas, in dem sich der europäische Geist und insbesondere seine Utopien seit zweitausend Jahren befindet. Im Geiste zur letzten Befreiung fähig, wandte sich der Europäer immer wieder seiner erbärmlichen fleischlichen Sündhaftigkeit zu, und begrub die emanzipatorischen Bestrebung für eine lichtere Zukunft immer wieder unter den menschlichen Schlacken aus Gier, Machtlüsternheit und Eitelkeit.
Fo lässt die Geschichte des heiligen Mannes erzählen, durchsetzt sie immer wieder mit komödiantischen Szenen, und schafft so einen Torso, der eine Ahnung von der gewaltigen Dimension von dessen Lebenswerk beschreibt. Das Bild von Franz ähnelt dem Bild von einem närrischen Jesus. Dabei wird das theatralische Element zu einem großen Wirkungsprinzip.
Furios gespielt wurde die Rolle des Franz vom italienischen Theatervollblut Alberto Fortuzzi, einem Darsteller der ganz augenscheinlich in Mimik und körperlicher Gestik der Commedia dell arte verpflichtet ist. Regisseurin Winni Victor verzichtete völlig auf ein Bühnenbild. Im schwarzen Theaterraum fanden sich lediglich zwei Hocker und ein geflochtener Weidenkorb. Fortuzzi, gelegentlich auch in den klassischen Halbmasken, tauchte ein in die Rolle des Harlekin, schepperte drauf los, kreischte, schrie, lachte, überzeichnete grotesk, und immer wieder wurden Posen sichtbar, wie man sie von historischen Darstellungen des Harlekin kennt. Das am wohltemperierten deutschen Theater geschulte Auge konnte sich anfangs eines erschreckten Blinzelns nicht erwehren.
Auch war es nicht immer ganz leicht, dem Inhalt genau zu folgen, denn Fortuzzi sprach Deutsch mit starkem italienischen Akzent, Italienisch und Latein. Für diese Multilingualität liefert Fo im Text die Begründung. Im 13. Jahrhundert gab es noch keine einheitliche italienische Sprache. Jede Stadt sprach ihren eigenen, keineswegs allgemein verständlichen Dialekt. Allein die lateinische Sprache herrschte städteübergreifend, allerdings nur in der Oberschicht. Schließlich entpuppte sich dieser Wechsel der Sprache als ein atmosphärischer theatralischer Effekt. Der italienische Singsang und das Sakrale des Lateins wurden Musik.
Die Sprachmusik Fortuzzis echote wider im sparsamen, ganz dem Schönen verpflichteten Spiel von Klaus Wuckelt auf der Lyra und im lieblichen, dem zum Teil zotige und derbe Spiel kontrastierenden Gesang des Countertenors Johannes Reichert. Die Inszenierung brauchte den ersten Teil des Theaterabends, um das Publikum an die ungewohnte Theatralik zu gewöhnen. Im zweiten Teil war die „vierte Wand“ dann gefallen und der Betrachter verschmolz mit der Geschichte und der Figur des unheiligen Heiligen. Am Ende, das Theater verharrte nach dem letzten verklungenen Ton der Lyra lange im völligen Dunkel, war die Vereinnahmung des Publikums vollkommen.
Auch mit diesem Text erbrachte Fo einmal mehr die Rechtfertigung dafür, dass er in den Olymp der Weltliteratur aufgenommen wurde. Auf menschlichste Weise führt der Text und führte die Inszenierung des „Theaters Rotwelsch“ vor Augen, wie erbärmlich das allgemein menschliche Verhalten denen gegenüber ist, die auserwählt sind, die Wahrheiten wie eine schwere Last zu tragen. Es war ein Abend, der berührte und nachdenklich machte.
Furios gespielt wurde die Rolle des Franz vom italienischen Theatervollblut Alberto Fortuzzi, einem Darsteller der ganz augenscheinlich in Mimik und körperlicher Gestik der Commedia dell arte verpflichtet ist. Regisseurin Winni Victor verzichtete völlig auf ein Bühnenbild. Im schwarzen Theaterraum fanden sich lediglich zwei Hocker und ein geflochtener Weidenkorb. Fortuzzi, gelegentlich auch in den klassischen Halbmasken, tauchte ein in die Rolle des Harlekin, schepperte drauf los, kreischte, schrie, lachte, überzeichnete grotesk, und immer wieder wurden Posen sichtbar, wie man sie von historischen Darstellungen des Harlekin kennt. Das am wohltemperierten deutschen Theater geschulte Auge konnte sich anfangs eines erschreckten Blinzelns nicht erwehren.
Auch war es nicht immer ganz leicht, dem Inhalt genau zu folgen, denn Fortuzzi sprach Deutsch mit starkem italienischen Akzent, Italienisch und Latein. Für diese Multilingualität liefert Fo im Text die Begründung. Im 13. Jahrhundert gab es noch keine einheitliche italienische Sprache. Jede Stadt sprach ihren eigenen, keineswegs allgemein verständlichen Dialekt. Allein die lateinische Sprache herrschte städteübergreifend, allerdings nur in der Oberschicht. Schließlich entpuppte sich dieser Wechsel der Sprache als ein atmosphärischer theatralischer Effekt. Der italienische Singsang und das Sakrale des Lateins wurden Musik.
Die Sprachmusik Fortuzzis echote wider im sparsamen, ganz dem Schönen verpflichteten Spiel von Klaus Wuckelt auf der Lyra und im lieblichen, dem zum Teil zotige und derbe Spiel kontrastierenden Gesang des Countertenors Johannes Reichert. Die Inszenierung brauchte den ersten Teil des Theaterabends, um das Publikum an die ungewohnte Theatralik zu gewöhnen. Im zweiten Teil war die „vierte Wand“ dann gefallen und der Betrachter verschmolz mit der Geschichte und der Figur des unheiligen Heiligen. Am Ende, das Theater verharrte nach dem letzten verklungenen Ton der Lyra lange im völligen Dunkel, war die Vereinnahmung des Publikums vollkommen.
Auch mit diesem Text erbrachte Fo einmal mehr die Rechtfertigung dafür, dass er in den Olymp der Weltliteratur aufgenommen wurde. Auf menschlichste Weise führt der Text und führte die Inszenierung des „Theaters Rotwelsch“ vor Augen, wie erbärmlich das allgemein menschliche Verhalten denen gegenüber ist, die auserwählt sind, die Wahrheiten wie eine schwere Last zu tragen. Es war ein Abend, der berührte und nachdenklich machte.
Wolf Banitzki
Franziskus - Gaukler Gottes
von Dario Fo
Alberto Fortuzzi, Johannes Reichert (Countertenor), Klaus Wuckelt (Lyra) Regie: Winni Victor |