Theater Viel Lärm um Nichts Die Goldspinner


 

 

 
Glanz und Elend des Theaters

Im Rahmen „Paarlaufmarathon“ präsentiert das Theater Viel Lärm um Nichts in der Pasinger Fabrik ein wenig amüsantes Kapitel zum Thema Glanz und Elend des Theaters. Eine Premiere wird abgesagt, „der Stecker wurde gezogen“. Zurück auf der Bühne bleiben ein altes Clownspaar und ein jungdynamisches Paar aus der Entertainmentbranche. Es ist der letzte Tag im Dasein des Theaterbaus. Der Abbruch ist beschlossene Sache. Eine letzte Show soll den „Alten“ des Unterhaltungsgeschäftes gelten, die, wie das Vinyl nur noch Museumswert haben. Abgeschrieben und vergessen sind die, die davon lebten, dass sie sich die Torten ins Gesicht schleudern ließen. Es ist wenig übrig vom einstiegen Glanz, der möglicherweise nur Einbildung war. Ein neuer Wind weht und wer sich ihm aus künstlerischen Gründen entgegenstellt, wird weggeblasen. Alternde Komödianten: es gibt kaum ein traurigeres Kapitel.

Die Klage, und als solche kann das menschliche Drama um die „Beschäftigen“ des Kulturbetriebes durchaus genannt werden, ist eine Mischung aus Robert Altmans „Last Radio Show“, Neil Simons „Sonnyboys“ und Federico Fellinis „Ginger und Fred“. Die Witze sind abgegriffen, die Pointen peinlich und das Bemühen der Protagonisten lächerlich. Bedauerlicherweise hat diese Inszenierung einen traurigen Hintergrund. Es ist eine Reaktion auf einen Akt von Kunstverhinderung. Das Theater Viel Lärm Um Nichts beabsichtigte die Aufführung einer Bühnenfassung des Films „Ginger und Fred“ zum Ende der Spielzeit 2009/10. Nur wenige Tage vor der Premiere verhinderte der Verlag Fellinis die Aufführung. Schon Fritz Kortner sprach angewidert vom Kulturbetrieb, einer Blase aus künstlerisch inkompetenten Kunstverhinderern und ignoranten Geschäftsleuten. Das Theater in der Pasinger Fabrik, ein Theater mit Tradition und zugleich ein Theater, dessen Überleben von Subventionen abhängt, traf es hart. Darum beschlossen Margrit Carls und Andreas Seyferth auf diesen Willkürakt zu reagieren.
 
diegoldspinner

Margrit Carls, Andreas Seyferth

© Hilda Lobinger

 
Die Goldspinner sind Künstler, die aus Dreck Gold machen müssen, da sie nicht anderes zur Verfügung haben. Nur wer dazu fähig ist, kann überleben. Gute Kunst ist es in den seltensten Fällen, schlechte Kunst ist chancenlos, weil nicht selten noch schlechtere Kunst Mainstream ist. Allein das Bemühen der Künstler, sich der Welt auf besondere Weise mitzuteilen, führt sie immer wieder in die düstere Sackgasse, an deren Ende immer ein großes ökonomisches Fragezeichen steht. Nur selten nimmt der „Konsument“ wahr, dass es sich um existenzielle Problem der Kunst handelt. Kultur war leider noch nie ein Selbstverständnis.

So darf es nicht verwundern, dass Lebenswege durch die Labyrinthe der Kunst nicht selten im Elend endet. Dem alten Clownspaar steht der Niedergang ins Antlitz geschrieben. Auguste (Margrit Carls) musste nach fünfzehn Jahren erkennen, das ihre Traurigkeit, denn die schönen Kleider trugen immer nur die anderen, nur den Glanz ihres Partners Rudolfo beförderte. Nach der Trennung suchte sie sich in bescheidener Bürgerlichkeit einzurichten. Allein, die Sehnsucht nach dem Rampenlicht wollte nicht weichen. Rudolfo knatterte sich durch Tiefen des geschmähten Künstlerdaseins und ließ dabei keine Niederung des Lebens aus. Das junge Paar, Deborah Müller und Emre Akal, gläubig den Botschaften des hippen, coolen und eitlen Kulturmanagements verfallen, waren stets bemüht, Witterung aufzunehmen, um überhaupt erst einmal ins Geschäft zu kommen. Der „Kulturbetrieb“ und sein Management, für den Außenstehenden auf mystische Weise unsichtbar wie ein kafkaesker Vollstreckungsmechanismus, benutzte sie nach Gutdünken und spie sie wieder aus, wenn kein Bedarf mehr an ihnen bestand. Ihr Leben spiegelte gleichsam das Chaos, welches der Beruf für sie bereit hielt.

Eos Schopohls Inszenierung basierte auf Abwesenheit von Chancen, auf  Traurigkeit und auch auf Erbärmlichkeit von aus der (Kunst-) Welt gefallenen Künstlern. Ein Bühnebild gab es nicht. Warum auch, war doch das Schicksal des Varietes längst besiegelt. Die Abrissbirne ersetzte das Damoklesschwert. Beinahe der ganze Bühnenraum wurde bespielt. Als erwartete man das auf der Bühne gespielte Schicksal, war die Bestuhlung äußerst dürftig. Die Textvorlage war tatsächlich nicht mehr als Improvisationsbemühungen, durchsetzt mit Gags, Plots und Geschichtchen, die den Zuschauer nur sehr selten erreichten. Wenige, sehr schöne Sentenzen zum Thema an sich und im besonderen gingen unter. Übrig blieb das krampfhaft anmutende Bemühen, im Publikum mit allen erdenklichen Mitteln Anteilnahme zu wecken.

Diese Inszenierung war gewiss keine Sternstunde in der Geschichte des Theaters Viel Lärm Um Nichts. Bei Kenntnis des Hintergrundes dieser Arbeit befiel den Betrachter  allerdings eine große Traurigkeit. Das existenzielle Bemühen wurde augenscheinlich, gilt es doch immer wieder aufs Neue, den Bestand des Theaters zu sichern. Dass Kultur in Deutschland dies nicht aus sich selbst heraus und selbstbestimmt tun kann, verweist nicht zuletzt auf eine Gesetzeslücke. Kultur ist im Land der Dichter und Denker noch immer keine staatliche Pflicht. Mit der Inszenierung von „Goldspinner“ können die Macher kaum auf euphorische Theaterbegeisterung hoffen, höchstens auf Solidarität. Wenn nicht, kann der letzte Tanz von Ginger und Fred bald in Vergessenheit geraten. Immerhin verriet diese Tanzeinlage, was das Publikum erwartet hätte, wenn Fellinis Geschichte auf die Bühne gekommen wäre. Schade.

 
Wolf Banitzki

 

 


Die Goldspinner

EIN LETZTER TANZ? ... !

Margrit Carls, Andreas Seyferth, Deborah Müller, Emre Akal

Regie: Eos Schopohl