Teamtheater Tankstelle Nathans Dackel von Franzobel




Wenn Sterben zum Privileg wird

Wenn Sterben zum Privileg wird, dann haben wir es geschafft. Ewige Jugend, das Denken weitestgehend abgeschafft, der Lebensraum bis auf den letzten Millimeter verplant und der Große Bruder, der alles im Auge hat - ist das nicht der Weg, den wir längst beschritten haben? Bei genauerem Hinsehen werden einige Parallelen deutlich, auch wenn wir bei "Nathans Dackel" einer Farce zuschauen. Der Österreicher Franzobel verrät mit seinem Werk, das auch als "Geradebiegung der Ringparabel" verstanden werden will, ein gehöriges Maß an Fantasie, wenn er seine Figuren von Fettleibigkeit, von uneingeschränkter Bewegung und von dem vorzeitlichen Begriff "Natur" träumen lässt.

Wenn ein Österreicher über den Tod philosophiert, verliert dieser naturgemäß seinen Schrecken, sollte man meinen. Aber das vermeintliche Privileg stellt sich alsbald als Horror heraus. Als Hans Nat, Zugewanderter, Arzt und Proletenzüchter, endlich dieser zweifelhaften Gnade teilhaftig wird, packt ihn die Angst und er schleunigst seine Habseligkeiten nebst Tochter Aphrodite und sucht die Weite, die es nicht mehr gibt. Er landet schließlich in der Wohnzelle von Frau Zucker, alt wie Methusalem, und deren Sohn Herbert, Jüngling seines Zeichens und noch keine hundert Jahre alt? Der Polizeiobere Hallawachel, mit Frau Zucker liiert, entdeckt die beiden "zugewanderten Subjekte", die von Herbert als Schauspieler vorgestellt werden, um vom Verdacht, es handele sich um die Flüchtigen, abzulenken. Ein Buch wird von der geisterhaften Hand Zylinders, einer Unperson mit schicksalhaften Zügen, ins Spiel gebracht und endlich ist man bei Lessing und seiner Ringparabel. Die "Geradebiegung" erfolgt dann auch ziemlich brachial.

 

Michael Schernthaner, Sylvia Eisenberger

© Stephan Rumpf


Am Ende wir müssen erkennen, dass, wenn wir nur weit genug zurück gehen in der Genealogie des Fleisches und bei Adam und Eva ankommen, wir alle vom selben Fleische stammen und das war proletarisch.
Was sich im Titel so abenteuerlich anpreist, ist im Stück letztlich nur eine Erklärung der Ringparabel für Unterbelichtete. Die oder der Eine oder Andere im Publikum wird sich erinnern. Da gab es einmal etwas, das nannte sich Aufklärung. Nicht? Auch gut. Franzobels Aufklärung ist ohnehin griffiger und eingängiger als die des Universalgeistes Lessing. Und lustiger ist sie oder könnte es zumindest sein, wenn der Text seinen Meister findet.

Regisseur Burchard Dabinnus erwies sich nicht unbedingt als solcher. Er inszeniert in weiten Teilen am Text, seinen grotesken Brüchen und seinem absurden Witz vorbei. Es entstand Hast und Aktionismus anstelle von Turbulenz, Deklamation und Plakation anstelle von Figuren, in denen doch immerhin Blut fließt. So verhinderte er ziemlich effizient, dass der Atem der (Franzobelschen) Aufklärung bis ins Publikum schlug und der Witz nicht wirklich über die Rampe hinaus gelangte. Einen großen Anteil daran hatte Luzia Gossmann, deren Kostüme wunderbar waren, deren Bühnenbild sich jedoch als hinderlich herausstellte. Sie schuf ein horribles Gemälde von einer Zukunft, das so pervers-barock gerann, dass es die Schauspieler entweder an den Rand der Bühne drängte oder verschlang.
Selbst die Revolution, man spreche das Wort einmal langsam, von der gelegentlich geflüstert wurde, blieb in dieser Inszenierung eine Marginalie, die den Charakter von Jahrmarktsbelustigung nicht kaschieren konnte. Dabei waren doch viele Voraussetzungen gegeben. Den Schauspielern gelang andeutungsweise immer wieder der Beweis, dass es hätte gelingen können. Allein das Tempo verschlang diese Ansätze, ehe sie zum Tragen kamen. So waren die Schauspieler die Verlierer des Abends, die in ihrer Spiellust nicht zum Zuge kamen.

Auch Franzobel und seine Geschenke ans Publikum blieben auf der Strecke. Seine Sätze bedürfen mehr als der flüchtigen Verkündigung. Wir finden sie alle und deren bis in den Schwachsinn getriebene Psychologie in den Nebensätzen unseres täglichen Lebens wieder. Dieses deutlich zu machen, hätte die Inszenierung leisten können. Der Spaß jedenfalls, hielt sich in Grenzen. Dann vielleicht doch lieber Lessing und ein neuerliches Schwelgen in Humanismus?


Wolf Banitzki

 

 


Nathans Dackel

von Franzobel

Bianca Bachmann, Stefan Born, Sylvia Eisenberger, Michael Schernthaner, Wolfgang Thon, Antoinette Wosien

Regie: Burchard Dabinnus
Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.