Teamtheater Tankstelle Krabat nach Otfried Preußler




Von der märchenhaften Kraft der Liebe

Der von Bettelei lebende, vierzehnjährige Weisenjunge Krabat hat jede Nacht den selben Traum. Eine Stimme fordert ihn auf, nach Schwarzkollm zu kommen, in die Mühle im Koselbruch. Die Mühle ist bei den Anwohnern gefürchtet und geächtet. Als Krabat dem Ruf Folge leistet, wird er vom schwarzen Meister als Lehrjunge angestellt. Vom ersten Tag an genießt er die besondere Zuneigung des düsteren und nach außen hin groben und brutalen Meisters. Neben dem Handwerk des Müllers lernt Karabat auch die „schwarzen Künste“. Das hat durchaus seine Vorteile, wie er bald merkt, denn mit Zauberei geht Arbeit deutlich leichter von der Hand.

Die Zuneigung des Meisters geht soweit, dass er den Lehrburschen mit an den Hof des Sachsenkönigs nach Dresden mitnimmt, wo der Meister den König in wichtigen Fragen berät. Am Ende des ersten Lehrjahres ist Krabat nicht nur drei Jahre älter, sondern muss auch erfahren, dass alljährlich in der Sylvesternacht ein Geselle sein Leben lassen muss. In diesem Jahr ist es sein Freund und Vertrauter, der Altgeselle Tonda. Das Leben in der Mühle ist hart, doch Krabat schätzt das reichliche und regelmäßige Essen und die Gemeinschaft der Gesellen. Nach dem mysteriösen Tod Tondas freundet sich Krabat mit dem gutmütige Juro an. Er ist der Koch und gilt als Dümmling. Bald schon muss Krabat erkennen, dass Juro überhaupt nicht der Trottel ist, der er zu sein vorgibt. Juro verstellt sich, duckt in gefährlichen Momenten ab, hält sich im Hintergrund auf und sammelt seine Erfahrungen. Diese Haltung hat ihm das Überleben gesichert. Juros Wissen ist inzwischen so umfänglich, dass er Krabat beraten kann. So erfährt Krabat von ihm, dass immer der Beste sterben muss, der Geselle, der gegen den Meister in Konkurrenz treten könnte.

Krabat ist die Anhängigkeit leid. Er emanzipiert sich und begehrt gegen den Meister auf. Allerdings zeigen im die Vorgänge in der Mühle, dass ein Entrinnen unmöglich scheint. Fluchtversuche der Gesellen scheitern und im günstigsten Fall kehren sie reumütig zu dem verwunschen Ort zurück. Das Verhältnis zum Meister, der, wie Krabat von Juro erfährt, einen Pakt mit dem Herrn Gevatter geschlossen hat, spitzt sich zu und Krabat begreift, dass er den Ort verlassen, den Meister überwinden oder sterben muss. Juro zeigt ihm einen Ausweg auf. Nur die Liebe eines Mädchens kann ihn aus den Klauen des Meisters befreien. Sie muss den Geliebten mit verbundenen Augen erkennen, ohne das der ihr ein Zeichen geben darf. Erfüllt sie die Prüfung nicht, so sind beide des Todes. Der Meister nimmt die Herausforderung erst an, als Krabat sein Angebot, den Meister in der Mühle zu beerben, ausgeschlagen hat. Das Mädchen, welches Krabat erretten kann und möchte, heißt Kantorka. Sie kennen sich schon geraume Zeit und lieben einander. Kantorka erklärt sich bereit, ihr Leben für die gemeinsame Liebe zu wagen. Und da es ein Märchen ist, gelingt es den Liebenden, das Böse zu überwinden.

Otfried Preußler entlehnte die Geschichte seines 1971 erschienen Romans dem Sagenkreis des Lausitzer Wenden, die in Nachbarschaft zu seiner nordböhmischer Heimat leben. Es ist eine Geschichte über den Kampf zwischen Gut und Böse, über die Fallstricke des Lebens, die unerwartete Abhängigkeiten schaffen und über die Fähigkeit des Menschen, sich durch seinen eigenen Willen aus der Unfreiheit zu befreien. Es mag kaum vorstellbar sein, doch dieses Werk galt in der Bevölkerung der DDR der 70er Jahre als ein aufmüpfiges Buch, als versteckte Botschaft für mehr individuelle Freiheit.

Neun Schauspieler und fünf Musiker des Theaters ImPuls haben Preußlers Roman auf die Bühne des Teamtheaters Tankstelle gebracht. Die Inszenierung von Andreas Wiedermann war minimalistisch, körperbetont, dramatisch und komödiantisch zugleich. Die jungen Darsteller agierten gleichberecht hochmotiviert und ambitioniert. Durch die einfachen weißen (Müllerburschen-) Kostüme von Uta Lederer-Hensel und der völlig leeren, schwarzen Bühne (Udo Ebenbeck) erinnerte die Inszenierung, ignoriert man einmal die extreme Strenge der Regeln, fern zwar, doch immerhin, an japanisches No-Theaters, das ein Gesamtkunstwerk aus Wort, Musik und Tanz ist. Die fünf Musiker produzierten musikalisch illustrierend Melodien und Lieder, aber auch Klanginstallationen und –teppiche. (Musik: Martin Schönberger)

Regisseur Andreas Wiedermann nutzte das jugendlich-kraftvolle Potenzial der Darsteller und ließ körperlich entfesselt spielen. Kontrapunkt zu den gruppendynamischen, vor Lebendigkeit strotzenden Müllergesellen, allen voran Friedrich Spieser als Krabat, war der wuchtige, donnernde, in Schwarz gewandete Clemens Nicol als Meister. Seine stimmliche Expression reichte von einschmeichelnd, wenn er um Krabat buhlt, über frostig jenseitig, wenn er ruhig seinen Willen kundtat, bis dröhnend und markerschütternd, wenn er in Wut geriet. Urs Klebe bildete einen weiteren Pol als Altgeselle Tonda, der Weisheit verströmte und mit der Überlegenheit des Alters für Frieden im Kreis der Gesellen sorgte. Erwähnenswert war auch die Leistung Franz Brandhubers, dessen Juro äußerst liebenswerte Züge aufwies.

Die Werbung des Theaters nennt die Inszenierung ein zeitloses Märchen für Erwachsenen. Tatsächlich gilt das sicher auch für ältere Kinder und Jugendliche, denn die Reduktion auf das Wesentliche der Geschichte macht die Inszenierung trotz 145 Minuten Länge kurzweilig, verständlich und eingängig. Das überbordernde Spiel ließ keine Längen aufkommen. Und die Botschaft, die von der märchenhaften Kraft der Liebe kündete, war alles andere als kitschig. Die Inszenierung ist ein gute Alternative zu Videospielen und TV. Vielleicht könnte diese Arbeit den einen oder anderen jungen Menschen mit dem Theatervirus infizieren.



Wolf Banitzki

 

 


Krabat

nach Otfried Preußler

Franz Brandhuber, Simon Brüker, Lisa Erdmann, Urs Klebe, Matthias Lettner, Christina Matschoss, Clemens Nicol, Friedrich Spieser, David Thun
Musiker: Sophia Bösl, Anja Göstl, Mathias Pitsch, Martin Schönberger, Jürgen Werner

Regie: Andreas Wiedermann