Theater 44 Play Strindberg von Friedrich Dürrenmatt




Und am Ende bleibt nur Hass

August Strindberg war für die Ehe nicht geschaffen. 1887 reichten die Eheleute Strindberg die Scheidung ein und begründeten sie mit "Hass und Abneigung". Zwei Jahre später findet sich in Strindbergs "Verteidigungsrede eines Toren" eine genaue Schilderung seiner Ehe, die mit den Sätzen endet: "Die Geschichte ist jetzt aus, meine Geliebte. Ich bin gerächt: wir sind quitt." Ohne Zweifel wusste Strindberg aus eigener Erfahrung, worüber er 1900 in "Totentanz" schrieb: Hass und Abneigung.

Friedrich Dürrenmatt benutzte Strindbergs "Totentanz" und verfertigte daraus eine Komödie über eine Ehetragödie. Und damit von Anfang an keine Unklarheiten bleiben, nennt er die Szenen nicht Szenen, sondern, wie beim Boxsport, Runden. Das Ehepaar Edgar und Alice bereiten sich seit 25 Jahren in einem Festungsturm auf der Schäreninsel die Hölle. Der Ehekrieg eskaliert, als Kurt, Vetter von Alice, das Paar besucht. Alice sieht in Kurt, der nicht unvermögend zu sein scheint, ihre Rettung aus der Hölle. Doch am Ende entpuppt sich dieser als der Oberschurke und lässt beide in ihrem Elend zurück.

 


Angelika Fanai, Hartmut Nolte, Franz Westner

© Robinson Reichel


Regisseur Horst A. Reichel ist ein Geschichtenerzähler und so präsentiert er in seinem kleinen intimen Haus ein Kammerspiel mit fast tödlichem Ausgang. Er baut ganz auf den gnadenlosen Text und arrangierte das Spiel schnörkellos. In einem verlebten Interieur aus bürgerlichem Mief, gestaltet von Magdolna Parditka, inszenierte Horst A. Reichel einen permanenten zynischen Schlagabtausch, der verletzender nicht sein kann. Der offene Hass der Protagonisten scheint die engen Wände der Festung fast zu sprengen. Franz Westner als Edgar gibt einen knarrenden, grobschlächtigen und stets um soldatische Haltung ringenden Inselkommandanten. In permanenter Selbstüberschätzung, er hält sich für einen berühmten Militärschriftsteller, versucht er seine Umwelt und vor allem sich selbst von seiner unerkannten Größe zu überzeugen. Den Rest der Menschheit hält er für Pack und Idioten. Seine physische Verfassung ist desolat, was Westner allein durch den Klang seiner Stimme sehr glaubhaft vermittelt, und ständige Ohnmachten sind an der Tagesordnung. Dramaturgisch sind diese Aussetzer bestens geeignet, das Intrigenspiel ohne Szenenwechsel voran zu treiben. In diesen Momenten überschüttet Ehefrau Alice ihren ohnmächtigen Gatten mit Hasstiraden, die Todeswünsche nicht aussparen. Angelika Fanais Alice lässt zwar an verachtender Schärfe nichts vermissen, doch sieht man ihr im Gegensatz zu ihrem Bühnengatten die fünfundzwanzig Jahre Ehehölle kaum an. Umso glaubhafter wird dadurch vielleicht die vermeintliche Tatsache, dass sie ein Viertel Jahrhundert zuvor eine gefeierte Bühnendarstellerin war. Hartmut Nolte gestaltet seinen Part als Kurt angemessen feinfühlig. Er ist Beobachter und fungiert gleichsam als Katalysator in diesem Höllenbrand. Am Ende wird Kurt ebenso dezent wie wirkungsvoll lapidar verkünden, dass er durch dieses emotionale Fegefeuer "geistig wieder fit geworden" ist, fit für das Leben jenseits der Insel, das keinen Deut besser ist.

Horst A. Reichel hat mit der Wahl und der Inszenierung wieder einmal bewiesen, dass er ein Gespür für wirkungsvolles Theater im kleinen Raum hat. Dabei versteht er sich ebenso wenig wie Dürrenmatt als vordergründiger Moralist. Wie auch? Solche Geschichten, auch in moderaterer Form, passieren selbstredend immer nur abwesenden Personen. Zum Beispiel August Strindberg, der von sich sagte: "Und so gehe ich wie ein Menschenfresser und Henker herum. Welch' ein Lebensberuf Schriftsteller zu sein: wie ein Fleischhauer töten und verkaufen."



Wolf Banitzki

 

 


Play Strindberg

von Friedrich Dürrenmatt

Angelika Fanai, Franz Westner, Hartmut Nolte

Regie: Horst A. Reichel