Theater 44 Blick zurück im Zorn von John Osborne




Gestern, wie Heute, wie …?

"Du fühlst dich verletzt, weil sich alles verändert hat. Jimmy fühlt sich verletzt, weil sich nichts verändert hat. Keiner von euch beiden kann sich damit abfinden. Da ist doch irgend etwas schief gelaufen.", so Alison, Jimmy Porters Frau, zu ihrem Vater.

Verhärtete gesellschaftliche Strukturen, den Generationenkonflikt und die Ausweglosigkeit thematisierte John Osborne durch den „zornigen jungen Mann“ Jimmy Porter, der zum Label für eine ganze Generation wurde, die Nachkriegsgeneration der 50ziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Doch, zornige rebellische Jimmy Porters gibt es in allen Generationen, zu allen Zeiten und für sie alle gilt: „Du bist zur falschen Zeit geboren“, so Alison zu Jimmy, (die Französische Revolution ist Vergangenheit Anm.d.Kritikers). Die Figur des Rebellen wider die etablierte Gesellschaft ist eine klassische, es ändern sich nur die Erscheinungsformen, ihr vorprogrammiertes Scheitern tut dies nicht.

John Osborne schuf mit seinem ersten Stück „Blick zurück im Zorn“ große Theaterliteratur im 20. Jahrhundert, die nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat. Die von ihm erzählte Geschichte steht durch ihre Geschlossenheit, den konsequent dichten Text und die konkrete Zeichnung eines Milieus wie eine Festung im Raum. Der Autor, 1929 in Chelsea bei London geboren, wuchs in den ärmlichen Verhältnissen einer unteren Mittelstandsfamilie auf, sein Vater starb, als er zwölf Jahre alt war. Nach einer Schlägerei mit dem Schulleiter brach er die Schule vorzeitig ab, jobbte als Hauslehrer für die Kinder einer reisenden Schauspieltruppe ... soviel zu Angst, Auflehnung, Autor und Autobiografischem.

 


Gerrit Selmeier, Isabella Leicht

© Robinson Reichel


Der rebellische Jimmy Porter hat es an der Universität und später auch im Beruf zu nichts, als einem Bonbonstand in einer mittelenglischen Industriestadt gebracht. Er ist aggressiv, geistig ruhelos und reagiert seinen Weltekel an Alison, seiner Frau, ab. Sie, die einem bürgerlich konservativem Haus entstammt, hat Jimmy gegen den Willen der Eltern geheiratet. Jimmy gibt die Schuld an seiner Unzufriedenheit dem etablierten Bürgertum. Darunter leidet vor allem seine Frau Alison ... Osborne meinte: „Ehe, ist die gegenseitige Zärtlichkeit von zwei Schleifsteinen.“ und zeigt dies deutlich im Porträt dieses gesellschaftlich Gescheiterten mit beklemmenden Bildern. Jimmys Freund und Mitbewohner Cliff, sowie Alisons Freundin Helena, geraten mit in das Debakel an dessen vorläufiges Ende Osborne die Flucht in ein trügerisches, privates Idyll „eine durchaus übliche Form des Zusammenlebens für empfindliche, intelligente Leute“ setzt.

Zorn und Missmut, zynische Ansichten gegen alles und jeden, einschließlich sich selbst, sind die vordergründig sichtbaren Züge an Jimmy Porter, der von Gerrit Selmeier gespielt wurde. Er verstand es jedoch auch, die feineren und liebenswerten Züge des Charakters aufkommen zu lassen und so wurde die Figur glaubhaft, greifbar, fühlbar durch sein Spiel. Jimmy Porter nahm auf der Bühne Gestalt an. Seinem Sarkasmus und seiner Selbstironie stand Isabella Leicht als geliebte und gepeinigte Alison darstellerisch gleichwertig gegenüber. Sie, die eine Zerrissene zwischen Liebe und Konvention gab, war unsicher, sensibel und dankbar für jede Zuwendung. Anders Suzanne Fabian, die die tatkräftige Freundin und erfolgreiche Schauspielerin Helena gab. Als solche war sie die Einzige, die den Ausbrüchen Jimmys etwas entgegen zu setzen hatte. Cliff, den Freund, stellte Sebastian Kalhammer als einen verständnisvollen und ausgleichenden Charakter dar. Horst A. Reichel verlieh dem Vater Alisons Gestalt. Fragend, gemessen und vor allem väterlich war sein Gebaren.

Mit der Auswahl des Stückes zeigt der Intendant und Regisseur Horst A. Reichel mit Gefühl und Verstand auf „die Perspektivelosigkeit der jungen Menschen“ und er tut dies mit einer Geschichte, einer anrührenden Geschichte voller Zärtlichkeit, Hilflosigkeit und Sarkasmus. Geschichten und vor allem berührende Geschichten sind rar geworden an den Theatern heute, umso mehr sei ihm dafür und für die wundervolle Inszenierung gedankt.


C.M.Meier

 

 


Blick zurück im Zorn

von John Osborne

Gerrit Selmeier, Isabella Leicht, Sebastian Kalhammer, Suzanne Fabian, Horst A. Reichel

Regie: Horst A. Reichel