Theater 44 Offene Zweierbeziehung von Franca Rame und Dario Fo
Dario Fo - Erinnerungen an einen Lebenden
Als Dario Fo 1997 mit dem Nobelpreis geehrt wurde, charakterisierten die Juroren ihn als einen Bühnenkünstler, "der in Nachfolge der mittelalterlichen Gaukler die Macht geißelt und die Würde der Schwachen und Gedemütigten wiederaufrichtet". Der 1926 geborene Dramatiker und Schauspieler war und ist lebenslang ein engagierter politischer Autor, der nicht selten die Narrenkappe trug. Er war einer der am häufigsten gespielten Bühnenautoren weltweit und ist es leider nicht mehr. So hat die Inszenierung in Schwabing etwas von einer Erinnerung an einen Lebenden.
Die Komödie "Offene Zweierbeziehung" ist nur hintergründig als politische Satire zu verstehen, geißelt sie doch immerhin die Denk- und Empfindungsansätze in der bürgerlichen Ehe. Zielscheibe des Paares Franca Rame und Dario Fo ist der Mann, der in der Komödie nicht einmal einen Namen hat, folglich auch als Mann an sich gesehen werden darf. Das Bild, das die Autoren von diesem Exemplar zeichneten, ist beschämend.
Der Mann fühlt sich in der Ehe angeblich unfrei. Er geht folglich "notgedrungen" auf die Pirsch, um seine sexuellen Begierden zu befriedigen. Antonia, seine Gattin, begeht in ihrer Verzweifelung jeden Donnerstag Selbstmord. Zumindest versucht sie es. Als die Geschichte eskaliert, schlägt Mann ihr vor, eine offene Zweierbeziehung zu leben. Man zieht auseinander und Mann geht eifrig seiner Wege. Antonia hingegen, bereit für das andere Geschlecht, hat mit einigen Widrigkeiten zu kämpfen, mit der Orangenhaut, den Fettpölsterchen auf den Hüften und deren mangelndem Schwung, Hängehintern und last but not least mit der Unfähigkeit, anzubandeln. Doch dann begegnet ihr ein Mann der Superlative: Kernphysiker, Universitätslehrer, Nobelpreisanwärter, Rockmusiker und Poet. Als Sie ihrem Nochgatten diese Liaison eingesteht, dreht dieser völlig durch. Er will erst sie ermorden, dann sich selbst. Antonia kann ihn nur durch das Geständnis beruhigen, der Mann sei erfunden. Doch dann …
Als Dario Fo 1997 mit dem Nobelpreis geehrt wurde, charakterisierten die Juroren ihn als einen Bühnenkünstler, "der in Nachfolge der mittelalterlichen Gaukler die Macht geißelt und die Würde der Schwachen und Gedemütigten wiederaufrichtet". Der 1926 geborene Dramatiker und Schauspieler war und ist lebenslang ein engagierter politischer Autor, der nicht selten die Narrenkappe trug. Er war einer der am häufigsten gespielten Bühnenautoren weltweit und ist es leider nicht mehr. So hat die Inszenierung in Schwabing etwas von einer Erinnerung an einen Lebenden.
Die Komödie "Offene Zweierbeziehung" ist nur hintergründig als politische Satire zu verstehen, geißelt sie doch immerhin die Denk- und Empfindungsansätze in der bürgerlichen Ehe. Zielscheibe des Paares Franca Rame und Dario Fo ist der Mann, der in der Komödie nicht einmal einen Namen hat, folglich auch als Mann an sich gesehen werden darf. Das Bild, das die Autoren von diesem Exemplar zeichneten, ist beschämend.
Der Mann fühlt sich in der Ehe angeblich unfrei. Er geht folglich "notgedrungen" auf die Pirsch, um seine sexuellen Begierden zu befriedigen. Antonia, seine Gattin, begeht in ihrer Verzweifelung jeden Donnerstag Selbstmord. Zumindest versucht sie es. Als die Geschichte eskaliert, schlägt Mann ihr vor, eine offene Zweierbeziehung zu leben. Man zieht auseinander und Mann geht eifrig seiner Wege. Antonia hingegen, bereit für das andere Geschlecht, hat mit einigen Widrigkeiten zu kämpfen, mit der Orangenhaut, den Fettpölsterchen auf den Hüften und deren mangelndem Schwung, Hängehintern und last but not least mit der Unfähigkeit, anzubandeln. Doch dann begegnet ihr ein Mann der Superlative: Kernphysiker, Universitätslehrer, Nobelpreisanwärter, Rockmusiker und Poet. Als Sie ihrem Nochgatten diese Liaison eingesteht, dreht dieser völlig durch. Er will erst sie ermorden, dann sich selbst. Antonia kann ihn nur durch das Geständnis beruhigen, der Mann sei erfunden. Doch dann …
Christina Peteanu, Claus-Peter Damitz © Hilda Lobinger |
Martin Böhnlein brachte diese fulminante, vor Wortwitz strotzende Komödie auf die Bühne des Theater 44. Christina Peteanu spielte in der Rolle der Antonia südländisches Temperament, aggressiv, erbarmungslos, laut, manchmal vielleicht zu laut, aber ziemlich überzeugend. Ihre anmutige und sehr weibliche Erscheinung unterstrich die leisen Töne, stand aber auch so gar nicht im Gegensatz zu megärenhaften Momenten. Die Autoren hatten Antonia allerhand wortgewaltiges Instrumentarium an die Seite gegeben. Ihre Selbstironie verhinderte zudem einen sehr einseitigen Blick auf die Szene. Mehr als einmal litt die weiblich Würde der betrogenen Ehefrau, verloren aber ging sie nicht. Gerade in dieser menschlichen Gestaltung wurde sichtbar, dass die Einschätzung der Nobelpreisjury gerecht war.
Auf der Strecke blieb, musste bleiben, der Mann, ebenso engagiert gestaltet von Claus-Peter Damitz. Seine Würde hingegen litt beträchtlich unter der eigenen Verlogenheit. Doch wer dem Leben nicht abgewandt ist weiß, wie Recht diese Komödie mit der Einschätzung der Männer hat. Claus-Peter Damitz entblätterte den herbeigedichteten Mythos Mann, der angeblich nur auf der Suche nach Gefühlen und Verständnis ist: Nein, der Mann ist nicht selten ein geborener Lügner. Doch auch dieser Siegfried hatte ein Lindenblatt auf seiner Männlichkeit, seine Schwachstelle. Er verlor nicht gern im Geschlechterkampf und schon gar nicht eine Frau, die er als sein gesichertes Eigentum empfand. Die eigene Frau blieb nur so lange im langen Schatten des Mannes, bis ein anderer ihre Reize bemerkte und buhlte. Dann wurde es animalisch!
Das Spiel im kargen, lediglich aus einem roten Sofa bestehenden Bühnenbild von Hannes Schuller war aufwendig, stimmgewaltig und von Regisseur Martin Böhnlein fein erdacht. Dennoch fehlte dem Ganzen ein winziges Quäntchen italienischen Blutes. Das haben deutsche Schauspieler naturgegeben nicht, und darum blieb es ein klein wenig steril. Doch das ist eine zu ignorierende Größe, denn das Spiel ist so facettenreich und erhellend, dass ein vergnüglicher Abend garantiert werden kann.
Dramaturgin Irmhild Wagner wies im Programmzettel auf das bereits eingangs angesprochene Phänomen hin. Sie zitierte Renate Klett (Theater heute 3/97), die hinterfragte, warum Fo in den letzten Jahren immer seltener gespielt wurde. Heraus kam, dass Fo ein Unangepasster ist, der sich auf die Wahrheiten (und er ist im Besitz einiger) in gesellschaftlicher, wie auch in individuell-menschlicher Hinsicht versteift hat. Ästhetisch mag sein Witz in einer Zeit, in der "Spaß nervtötend in ist", out sein. Doch das liegt vornehmlich daran, dass der heutige Witz nicht selten debil ist und Debilität erzeugt. Fos Dichtung erinnert daran, was Witz war und sein könnte: Menschlichkeit gepaart mit Intelligenz. Resümee: Um Fos Stücke müssen wir uns keine Sorgen machen, die werden nicht untergehen. In einer Gesellschaft, die in ihrer Genusssucht völlig hysterisch geworden ist, muss man halt ein wenig Geduld haben, bis sich diese Gesellschaft der großen Leere bewusst wird.
Wolf Banitzki
Auf der Strecke blieb, musste bleiben, der Mann, ebenso engagiert gestaltet von Claus-Peter Damitz. Seine Würde hingegen litt beträchtlich unter der eigenen Verlogenheit. Doch wer dem Leben nicht abgewandt ist weiß, wie Recht diese Komödie mit der Einschätzung der Männer hat. Claus-Peter Damitz entblätterte den herbeigedichteten Mythos Mann, der angeblich nur auf der Suche nach Gefühlen und Verständnis ist: Nein, der Mann ist nicht selten ein geborener Lügner. Doch auch dieser Siegfried hatte ein Lindenblatt auf seiner Männlichkeit, seine Schwachstelle. Er verlor nicht gern im Geschlechterkampf und schon gar nicht eine Frau, die er als sein gesichertes Eigentum empfand. Die eigene Frau blieb nur so lange im langen Schatten des Mannes, bis ein anderer ihre Reize bemerkte und buhlte. Dann wurde es animalisch!
Das Spiel im kargen, lediglich aus einem roten Sofa bestehenden Bühnenbild von Hannes Schuller war aufwendig, stimmgewaltig und von Regisseur Martin Böhnlein fein erdacht. Dennoch fehlte dem Ganzen ein winziges Quäntchen italienischen Blutes. Das haben deutsche Schauspieler naturgegeben nicht, und darum blieb es ein klein wenig steril. Doch das ist eine zu ignorierende Größe, denn das Spiel ist so facettenreich und erhellend, dass ein vergnüglicher Abend garantiert werden kann.
Dramaturgin Irmhild Wagner wies im Programmzettel auf das bereits eingangs angesprochene Phänomen hin. Sie zitierte Renate Klett (Theater heute 3/97), die hinterfragte, warum Fo in den letzten Jahren immer seltener gespielt wurde. Heraus kam, dass Fo ein Unangepasster ist, der sich auf die Wahrheiten (und er ist im Besitz einiger) in gesellschaftlicher, wie auch in individuell-menschlicher Hinsicht versteift hat. Ästhetisch mag sein Witz in einer Zeit, in der "Spaß nervtötend in ist", out sein. Doch das liegt vornehmlich daran, dass der heutige Witz nicht selten debil ist und Debilität erzeugt. Fos Dichtung erinnert daran, was Witz war und sein könnte: Menschlichkeit gepaart mit Intelligenz. Resümee: Um Fos Stücke müssen wir uns keine Sorgen machen, die werden nicht untergehen. In einer Gesellschaft, die in ihrer Genusssucht völlig hysterisch geworden ist, muss man halt ein wenig Geduld haben, bis sich diese Gesellschaft der großen Leere bewusst wird.
Wolf Banitzki
Offene Zweierbeziehung
von Franca Rame und Dario Fo
Christina Peteanu, Claus-Peter Damitz Regie: Martin Böhnlein |