Theater 44 Mörderkarussell von Sam Bobrik und Ron Clark




Juwel ohne Feinschliff

Wenn Paul ein Einsehen hätte, dürfte er sein Leben behalten. Doch da er nicht willig ist, in eine Scheidung einzustimmen, schreiten seine Gattin Annette gemeinsam mit Liebhaber Mario zur Tat, zur blutigen Tat. Ort des Verbrechens, das dann so doch nicht stattfindet, ist ein Hotelzimmer. Zeit: Ostern. An Sylvester hat sich dann das mörderische Karussell um 90 Grad gedreht. Annette beschwatzt nun ihren Ex, gemeinsam den Geliebten zu entsorgen. Der gewitzte Komödienkenner wird sich nun ausmalen können, was im dritten Akt zu Weihnachten geschieht. Oder auch nicht, denn wir sind ja zivilisiert und meucheln nicht wahllos auf den Bühnen herum. Schon gar nicht, wenn es sich um ein weitestgehend sinnfreies Stück handelt, dessen Motto sich auf den simplen Satz beschränkt: Einer ist immer zuviel.

Es ist eine Boulevardkomödie und darum kommt es gar nicht in den Sinn, dass etwa ein tieferer Sinn fehlt. Unterhaltung ist angesagt und wenn dies gelingt, ist es allemal genug. Dem Publikum im Theater 44 schien zu gefallen, was Regisseur Thomas Peters mit seinen Darstellern Bianca Bachmann (Annette), Claus-Peter Damitz (Dr. Mario Steig) und Martin Dudeck (Paul Kringel) auf die Bühne brachte. Dabei wurde reichlich mit Klischees jongliert, die hier aus der Perspektive des Autorenduos Sam Bobrick und Ron Clark durchaus aufklärerische Züge bekamen. Beispielsweise das beinahe philosophisch anmutende Verhalten von Paul, einem Gebrauchtwagenhändler, zum Thema "Beschiss". Entlarvend auch das Selbstverständnis von Mario: Ich kriege jede Frau, ich bin Zahnarzt. Und Annette? Ihr Bildungshorizont als Mittelstandsehefrau endet mit der letzten Seite der Hochglanzjournaille. Und dann sind da noch die Auslassungen über die esoterischen Lehren eines indischen Gurus, der in die Mordpläne ebenfalls als Opfer einbezogen werden soll.

 


Martin Dudek, Bianca Bachmann, Claus-Peter Damitz

© Hilda Lobinger


Für die deutschsprachige Bühnenfassung zeichnete die Wiener Kabarettlegende Gerhard Bronner verantwortlich. Und wer könnte sich besser eignen für ein leichtfüßiges Spiel mit dem Tod als ein Wiener. Thomas Peters inszenierte denn auch ein ansehnliches Stück Komödie, das durchaus das Zwerchfell reizte. Der Zuschauer kommt auf seine Kosten.
Wenn schon Nationalismen bemüht wurden, so sei festgestellt, das es sich um die deutsche Inszenierung eines anglo-österreichischen Bastards handelte. Dass diese Mischung selten Superlative entfesselt, liegt wohl in der Natur der Dinge. So hatte das Spiel der drei Darsteller nicht die nötige Geschmeidigkeit, nicht die nötige Doppelbödigkeit und nicht die nötige Eleganz, die anglophilen Komödien innewohnt. Thomas Peters inszenierte bieder deutsch, ein wenig stakkatohaft und ohne die unterschwellige österreichische Bösartigkeit. (Die genannten Kategorien beziehen sich ausschließlich auf Literatur!)

Der Spielraum war besagtes Hotelzimmer, gestaltet von Hannes Schuller. Zu sehen war: ein Hotelzimmer. Einziger Bezug zum Stück neben aller Praktikabilität war das Bild über dem Bett. Es war ein Ausschnitt aus Raffaello Santis "Sixtinische Madonna" - Szene: Maria mit dem Christuskind. Das Gemälde zeigte die allseits bekannten, sich am unteren Bildrand lümmelnden Engel, die einen krassen Gegensatz zum religiös verklärten Inhalt der Gesamtkomposition bilden. Ein gelungener Einfall, der das Dargestellte stumm kommentierte.

Den Darstellern war ihr Bemühen, die Dinge komödiantisch zu brechen, durchaus anzumerken. Allerdings wirkten Bianca Bachmanns weibliche Reize im Spiel nicht selten vordergründig und verloren dadurch ihre Erotik, auf die der Zuschauer in einer Komödie um Sex und Liebe ein Recht hat. Claus-Peter Damitz und Martin Dudeck, Münchner Theatergängern sind sie längst keine Unbekannten mehr, hätten durchaus das Vermögen, Atemlosigkeit beim Betrachter zu erzeugen. Doch die Regie unterließ es, mit den subtilen Mitteln der Pause und des Kontrapunkts zu arbeiten, die allemal in den Intentionen der Autoren lagen. Brüche mit wunderbarer Komik wurden schlicht vernachlässigt. Schade, denn das deutsche Publikum ist bestimmt lernfähig und von anglophilen Komödiendichtern kann man eine Menge lernen.

Der sehenswerten und überaus unterhaltsamen Komödie fehlt leider der Feinschliff. Es ist aber durchaus möglich, dass, wenn die Darsteller sich eingespielt haben, Grat und Schlacke verschwinden.


Wolf Banitzki

 

 


Mörderkarussell

von Sam Bobrik und Ron Clark

Übersetzt und für die Bühne bearbeitet von Gerhard Bronner

Bianca Bachmann, Klaus-Peter Damitz, Martin Dudeck

Regie: Thomas Peters