Halle 7 Mechanische Tiere von Rebekka Kricheldorf
„A Tribute to Marilyn Manson“, so der Untertitel des Stücks der bereits mehrfach ausgezeichneten Autorin Rebekka Kricheldorf. Eventuell vorhandene Zuschauer-Erwartungen, es könne sich hier um ein Re-enactment der namensgebenden Platte handeln, werden umgehend und regieanweisungskonform entkräftet. Das Auftragswerk für das Stadttheater Bern übersetzt die Manson-Songs auf „Mechanical animals“ ihrer Reihenfolge gemäß in Bühnenhandlung. Nicht mehr und nicht weniger. Dass das allerdings mehr als genug für einen furiosen Theaterabend ist, beweist Jochen Strodthoffs Text, Ton, Körper und Szenenbild kongenial verbindende Inszenierung in der herrlich angeschrammelten DuschBOX.
Aylin Kaip (Bühne, Kostüm) verwandelt den lang gezogenen Raum mit den ramponierten Nasszellen in eine multioptionale Matrix-Welt voller Schläuche und Schlaufen. Neonröhren (Licht: Michael Bischoff) schimmern kränklich grün, die Schauspieler tragen Grau in Grau, permanent tropfendes Wasser liefert einen mal mehr mal weniger präsenten Soundteppich. Eine ideale Spielwiese für Thomas Stang, Jochen Strodthoff, Eli Wasserscheid und Nicola Trub. Die Schauspieler meistern den schweißtreibenden, äußerste Präzision im Zusammenspiel verlangenden Abend bravurös. Zunächst wie Cyborgs in Standby an „Nabelschläuche“ angedockt, spielen sie, einmal freigelassen, um ihr Leben. Der Regisseur steht als Krankheitsvertretung auf der Bühne und wirkt dabei, als wäre ihm die Rolle des A auf den Leib geschrieben.
Eli Wasserscheid, Jochen Strodthoff, Nicola Trub, Thomas Stang © Hilda Lobinger |
In den folgenden 1 1/2 Stunden entfaltet sich ein exakt getimtes Feuerwerk aus BewegungsText. Kricheldorfs brilliante Texte landen punktgenau, sind witzig, ironisch oder einfach tieftraurig. Die Sprache – gesungen, geflüstert, geschrien oder als chorischer Sprechgesang - dient gleichermaßen als Befindlichkeitsbarometer und Rhythmusgeber. Dazu der volle Körpereinsatz der Akteure: Sie hängen in den Seilen des multifunktionalen SpielRaums, verstricken sich im Kabelsalat, feiern dekorative Orgien in der Duschkabine oder fühlen sich wie Schauspieler. Nur Thomas Stang, der „fühlt sich gerade überhaupt nicht.“ Wie eine Girlie-Boy-Band auf Speed wird „UNVORSTELLBAR – MAGIC – TOLL“ skandiert, die Gruppenchoreographie zu „Tainted Love“ (von Manson, jedoch wie alle im Stück verwendeten Lieder nicht von der Animals-Platte) lässt ein Faible für Zwangshandlungen erkennen. Es folgt ein kollektiver Orgasmus via Flüsterpost, und Strodthoff wird zum Rasenmäher-Mann. Das alles ist klug komponierter Dada at its best und dabei so unterhaltsam, dass es dem Publikum die Lachtränen ins Auge treibt.
Tolle Inszenierung, tolle Schauspieler. Unbedingt anschauen!
Tina Meß
Mechanische Tiere
von Rebekka Kricheldorf
Thomas Stang, Jochen Strodthoff, Eli Wasserscheid, Nicola Trub. Regie: Jochen Strodthoff |