Halle 7 Revolver-Traum / Striptease / Die Liebe ist ein Heckenschütze von Lola Arias
Gitarrenklänge. Immer wieder die selben wenigen Akkorde spielte der Gitarrist. Buenos Aires bei Nacht, Stromausfall in einem Stadtteil, in der ganzen Stadt. Hier hat jeder eine Waffe. Zukunftsszenario oder bereits Gegenwart? In Revolver-Traum, dem ersten Teil der Trilogie, begegnen ein Schauspieler (vielseitig Bernd Berleb) und eine 16-jährige (frühreif verloren Sara Sukarie) einander zu einem flüchtigen sexuellen Austausch, entdecken Gefühle. Striptease, der zweite Teil besteht aus dem Telefonat des Schauspielers mit seiner letzten Frau (weitgehend emotionslos Jessica Tietsche) und deren gemeinsamem Baby, in dem Vergänglichkeit und Angst beschworen werden und an dessen Ende steht: „Dieses Gespräch hat keinen Sinn.“ Die Liebe ist ein Heckenschütze, Teil drei, handelt von dem Schauspieler, der sich zu einer Runde Russisch Roulette Spielenden gesellt. Alle sind gezeichnet, sehnen sich nach der Erlösung durch die Kugel und werden von einer 11-jährigen angeleitet. Die Striptease-Tänzerin (Elisabeth Pless) entledigte sich temperamentvoll ihres Schals, wechselte gekonnt zwischen den Sprachen. Der Tätowierte (Dieter Fernengel) stolperte von Missverständnis zu Missverständnis. Der Gitarrist (Gianni von Weitershausen) steigerte sein Repertoire und die Intensität des Spiels. Am Ende tanzen die Figuren enthemmt in einen wilden Taumel. Eskalation.
Die Inszenierung von Alex Novak traf die Stimmung des Textes, der Menschen, der Stadt. Das Bühnenbild von Nora Brügel verstärkte den Eindruck ebenso wie die Gitarrenklänge - vor einer leeren Plakatwand standen zwei Bänke, ein dickes Seil lag auf dem Boden, gedämpfte Beleuchtung ließ die Atmosphäre einer Bar aufkommen. Sechs Figuren geben ihr Inneres preis; heraus kommt eine Ansammlung von Begebenheiten, Vorstellungen, Träumen und Gefühlen.
Jessica Tietsche,Dieter Fernengel,Gianni von Weitershausen, Sara Sukarie, Elisabeth Pless, Bernd Berleb © Hilda Lobinger |
Ein Hase wird regelmäßig in der Waschmaschine gewaschen, begeht Selbstmord in dem er vom Balkon springt. Ein Baby träumt von Gott und hat Angst vor dem Atomkrieg. Ein junger Mann sammelt Tattoos, setzt sein Studiengeld dafür ein, und ein Schauspieler spielt vorzugsweise den Don Juan und tut dies in den verschiedenen Lebensjahren. Eine 11-jährige moderiert eine Gameshow, in der Liebesmüde ihre Enttäuschungen ausbreiten, bevor diese beim Russisch Roulette um den ersehnten Tod mitspielen dürfen. Eine Striptease-Tänzerin spricht nur noch Englisch um die gemeinsame Sprache mit ihrem letzten Geliebten und damit ihn zu vergessen. Liebe wird in dem Stück vieles genannt, nur nicht das, was sie tatsächlich ist. „Die Liebe ist ein Boxkampf, die Liebe ist Schauspielerei, die Liebe ist ein Krieg, die Liebe ist ein Heckenschütze, die Liebe ist mein Name, die Liebe ist ein tödlicher Unfall", heißt es da. Dann folgt eine Aufzählung, eine lange Reihe von Worten, die für Liebe stehen sollen, bzw. deren Auswirkungen. Unscharf wurden Worte nach Vorstellungen und weniger nach deren Bedeutung gesetzt, so vermittelt der Text das Gefühl von, wohl durch Radioaktivität ausgelösten Fieberträumen, in denen Sprache, Vorstellungen und Bilder mutierten. Ansatzweise poetische Sprachbilder kippen in verstörte Gefühlsäußerungen und surreale Träume durchbrechen Alltägliches ebenso wie Gewalt. Der Text vollzieht sich in einer konstruktiven Dichte, die ihre eigene Dynamik entwickelt und zweifelsohne Spannung erzeugt. Lola Arias, argentinische Autorin, Schauspielerin und Regisseurin wird als aufsteigender Stern am Theaterhimmel gehandelt. Ihre Stücke untersuchen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion, so heißt es.
„Man muss sich nur vorstellen, dass man schon tot ist. …. weil man dann vor allem sicher ist.“, erklärt die 16-jährige dem Schauspieler. Und später: „Ich habe eine Idee: ich werde auf dich schießen. Wenn es ein Traum ist, wache ich auf; ich werde dir den Traum erzählen und wir werden darüber lachen. Wenn ich nicht aufwache, werde ich mir den Revolver in den Mund stecken und noch einmal abdrücken."
Wer einen Kick in dieser Weise sucht, wird ihn in der Inszenierung finden.
Revolver-Traum / Striptease / Die Liebe ist ein Heckenschütze
von Lola Arias
Bernd Berleb, Dieter Fernengel, Elisabeth Pless, Sara Sukarie, Jessica Tietsche, Gianni von Weitershausen, Medine Temiz Regie: Alex Novak |