Theater Halle 7 Gespräche mit Astronauten von Felicia Zeller
Die Beweggründe und Verhalten der Mitglieder einer Gesellschaft dienten seit alters her als Vorbilder für Geschichten. Sei es als erklärende, sei es als warnende, sei es als einfach nur unterhaltende Beispiele finden diese Verbreitung. Die Veröffentlichung dient aber auch der Bestätigung, ebenso wie dies eine wissenschaftliche Betrachtung tut, und eine solche könnte man diese Inszenierung von Felicia Zellers „Gespräche mit Astronauten“ durchaus nennen. Was als Laborversuch über Frauen, Karriere und die Erfüllung des in vielfachen Schriften aufgestellten Lebensprogrammes für Emanzipierte daherkommt, ist ebenso deren Billigung.
Billigkräfte waren sie schon immer, die Frauen. Und seit die einen Frauen in der Gesellschaft die Seite wechselten, rücken auf ihre Plätze die anderen, die eine Chance zum Seitenwechsel suchen, nach. Junge Frauen aus weniger durchstilisierten Ländern, oder übertrieben gesprochen von „anderen Sternen“, suchen ebenfalls ihr Glück. „Au Pair“ bedeutet „auf Gegenseitigkeit“. Und von Au-Pair-Kräften handelt das Stück. Olanka, Anjuschka, Olga und Irina spielen nun die herkömmliche Frauenrolle, die Gegenseite zu den gestressten Power-Frauen in den Männerrollen. Denn auch die Power-Frauen arbeiten immer noch billiger als Männer und vor allem auch williger, spielen also auch noch mit, wenn Männer längst den Gesellschaftsprozess verlassen haben. Dabei bedienen sie wiederum nur das uralte Modell, dem sie zu entfliehen suchen, halten den Seitenwechsel für Fortschritt. Es zeigt wohin Emanzipation wörtlich genommen, also als Gebrauchsanweisung gelesen und umgesetzt, führt.
Felicia Zeller ist eine vielfach ausgepreiste Autorin, mit einem klaren Motto: „ Es ist immer das Alltägliche, was ich beschreibe.“ Und um eben dieses Alltägliche deutlich herauszustellen, inszenierte die Regisseurin Sahar Amini das Stück völlig frei in einen steril wirkenden weißen Raum. Es entstand eine Versuchsanordnung in welcher auch die Schauspielerinnen weiß gekleidet agierten, Prototypen mädchenhaft asexuell. Es herrschte absolute Sauberkeit (Licht: Peter Arne Friedrich), als wären die Weiße RiesIn und MeisterIn Proper gleichzeitig anwesend (Bühne und Kostüme von Claudia Stolle). Vier jungen Frauen betraten die Bühne, in den Händen hielten sie ihren kleinen bunten Reisetaschen, welche sie am Eingang in einer Reihe abstellten, mussten sie doch von nun an die Hände frei haben, um zu bügeln, waschen, putzen. Agnes Burger, Tatjana Günther, Mila Kostadinovic und Viktoria Lewowsky trugen abwechselnd, als Chor und Einzelpersonen die Fülle der Sätze, Satzmuster und Deklinationen vor. Text und doch kein Text, sind es doch Phrasen des Alltags und der Medien, millionenfach wiederholt und permanent neu aufgelegt, welche in dieser Sprachperformance brilliant vorgetragen und vielfältig nuanciert zu Gehör kamen. Ein „kakofoner babelscher Turm“, so beschreibt es das Programm. Vom korrekten Zusammenlegen der Bügelwäsche, dem richtigen Putzlappen und seiner Nutzung, wie von der Fahrt zur Arbeit und dem Ausgang einer entscheidenden Besprechung reichte die inhaltliche Palette. Trotz des abwechselnden Vortrages blieb das monologhafte des Stückes deutlich, als fände Gleichschaltung statt. Wirkten die Auftritte und Szenen anfangs durch differenzierte, den Text unterstützende Chroreographie, so erkannte man gegen Ende immer mehr die ferngesteuerten Roboter. Die Technik als Gegenpart prägt überdeutlich die Mitglieder und die Vorgänge in der Gesellschaft. Dieser Vorgang wurde sehr gut sichtbar gemacht.
Tatjana Günther, Agnes Burger, Mila Kostadinovic, Viktoria Lewowsky © Astrid Ackermann |
Der Titel des Stückes scheint irreführend, denn es finden keine interessanten Gespräche oder Nachrichten aus dem All den Weg ans Ohr des Zuschauers, und es ist auch nicht die Perspektive des Astronauten auf die Welt aus der die Worte folgen. Nein, es agieren Figuren im luftleeren spannungslosen Raum, veranschaulichen die Banalität des Wichtigen. Es sind nur die auf der Erde Verbliebenen, die Zeit totschlagen in einer Endlosschleife. Nach einer Viertelstunde sind Inhalt und Abfolge des Werks geläufig, nach einer halben Stunde drängt sich die Frage nach dem Sinn auf und nach einer Dreiviertelstunde erkennt man, dass es für die Marionetten der Technik auf dem Raumschiff Erde keine Erlösung mehr gibt. Der Autorin gelang, sprachlich bemerkenswert kunstvoll ausgefeilt und variiert, ein Destillat des deutschen Mütterkanon.
Der Abenteuerraum Erde bietet immer noch weitaus mehr Gestaltungsmöglichkeiten als bislang vorstellbar. Setzten sich Margarete Mitscherlich und Simone de Beauvoir noch intellektuell mit Weiblichkeit und deren Mechanismen auseinander, so bleibt scheinbar für die zeitgenössischen Autorinnen nur noch die spiegelhafte Wiedergabe oberflächlicher Abläufe. In eben diese agitative Oberflächlichkeit driftete die Gesellschaft in den letzten zwanzig Jahren. Dabei gälte es doch die Erkenntnisse der Vorgenerationen weiterzuführen und in Lebensbereicherung umzusetzen.
Mit der Auflösung des klassischen Menschenbildes, dem Wegfall des Spannungsfeldes zwischen den Geschlechtern, zwischen Mann und Frau, zerfällt auch die Lebendigkeit des Daseins. Die weiblichen Organismen gefallen sich in übertriebener Pflichterfüllung und Nachahmung, während die männlichen Organismen in den Abenteuerraum All flüchten, ins Private oder in die berauschte Selbstzerstörung. Ein aufkommendes Müttertum löst zweitausendfünfhundert Jahre Kultur ab, ersetzt diese durch gefühlte Belanglosigkeit und eine das technische System erfüllende Perfektion. Wer diesen sehenswerten Spiegel erschaut hat, fragt trotz aller netter Unterhaltsamkeit: „Wann geht die nächste Rakete nach ...?
C.M.Meier
Gespräche mit Astronauten
von Felicia Zeller
Agnes Burger, Tatjana Günther, Mila Kostadinovic, Viktoria Lewowsky Regie: Sahar Amini |