Theater im Fraunhofer Valentin im Sturm - Collage von Gerd Lohmeyer
Mit existenziellem Ernst
Alles begann mit Adam und Eva, also mit dem Sündenfall. Der war eigentlich nicht komisch, es sei denn, die Geschichte wird mit den weltschauenden Augen eines aufgeklärten Bayern betrachtet und sodann in dessen ureigener Sprache erzählt. So geschehen am dunklen Abend des 8. Novembers im Hinterhof des Fraunhofers. Ja, auch in heutiger Zeit blühen die wahren Wahrheiten immer noch nur im Verborgenen. Das ist wirklich deprimierend. Michl Ehbauers zugegebenermaßen etwas lockere Sicht auf die Vertreibung aus dem Paradies, hier „Rauswurf“ genannt, kann kaum den Segen der Curia Romana erlangen. Immerhin lenkt die spezifizierte Darstellung des Vorgangs ein wenig vom Sinn desselben ab, nämlich von der verderbenden Wirkung der Erkenntnis, überspringt diesen Fakt quasi und kommt gleich zur letzten Antwort, die da lautet: Mann und Frau können nicht miteinander! Äh, … ohne einander auch nicht!
Viele große Philosophen wandelten auf Irrwegen. Nur wenigen war es gegeben, die Schlüsselfragen des Daseins zu stellen und letzte Antworten zu finden. In Bayern gab es wohl nur einen. Nein, nicht Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, der war aus dem Würtembergischen Leonberg und war folglich ein „Preiß“. Als Gastarbeiter lehrte er an der Universität und verfasste 1809 in München eine Schrift mit dem viel sagenden (und wenig meinenden) Titel: „Philosophischen Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände“. Karl Valentin ist der Name des messianischen Geistes und eigentlich gebührt dem Gesamtwerk Valentins der von Schelling angemaßte Titel. (Saublöd! Der Schelling, den man nur noch kennt, weil er auf der Maximilianstraße herumsteht, hat einfach nur viel früher gelebt als Valentin.)
Doch sei’s drum. Wahrheiten, einmal in der Welt, lassen sich nicht mehr ausmerzen. Und so gewann der geneigte Betrachter im kleinen konspirativen Zirkel im Fraunhofer tiefe Einsichten über das menschliche Wesen an sich, und im Besonderen z.B. bei der Wiederbeschaffung alter Holzkisten. Wie verzweifelungsvoll und dornenreich die Wege durch das Labyrinthische des Seins und des Bewusstseins tatsächlich sind, zeigte das Schicksal der liebreizenden Loreley. Auch über Willkür wurde mit existenziellem Ernst gesprochen, über die Willkür von Eisenbahnen, die ohne ersichtlichen Grund fahrplanmäßig und doch drei Minuten zu früh abfahren. Auch Regenschirme fallen bisweilen in den Grenzbereich zur Mystik. Ja, das Raum-Zeit-Kontinuum kann einem schon zu schaffen machen. Gewalt war ebenso ein Thema (Und Gewalt fand statt!) und daraus resultierend: Schuld und Sühne (letztere 1,50 Mark pro Ohrfeige).
Alles begann mit Adam und Eva, also mit dem Sündenfall. Der war eigentlich nicht komisch, es sei denn, die Geschichte wird mit den weltschauenden Augen eines aufgeklärten Bayern betrachtet und sodann in dessen ureigener Sprache erzählt. So geschehen am dunklen Abend des 8. Novembers im Hinterhof des Fraunhofers. Ja, auch in heutiger Zeit blühen die wahren Wahrheiten immer noch nur im Verborgenen. Das ist wirklich deprimierend. Michl Ehbauers zugegebenermaßen etwas lockere Sicht auf die Vertreibung aus dem Paradies, hier „Rauswurf“ genannt, kann kaum den Segen der Curia Romana erlangen. Immerhin lenkt die spezifizierte Darstellung des Vorgangs ein wenig vom Sinn desselben ab, nämlich von der verderbenden Wirkung der Erkenntnis, überspringt diesen Fakt quasi und kommt gleich zur letzten Antwort, die da lautet: Mann und Frau können nicht miteinander! Äh, … ohne einander auch nicht!
Viele große Philosophen wandelten auf Irrwegen. Nur wenigen war es gegeben, die Schlüsselfragen des Daseins zu stellen und letzte Antworten zu finden. In Bayern gab es wohl nur einen. Nein, nicht Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, der war aus dem Würtembergischen Leonberg und war folglich ein „Preiß“. Als Gastarbeiter lehrte er an der Universität und verfasste 1809 in München eine Schrift mit dem viel sagenden (und wenig meinenden) Titel: „Philosophischen Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände“. Karl Valentin ist der Name des messianischen Geistes und eigentlich gebührt dem Gesamtwerk Valentins der von Schelling angemaßte Titel. (Saublöd! Der Schelling, den man nur noch kennt, weil er auf der Maximilianstraße herumsteht, hat einfach nur viel früher gelebt als Valentin.)
Doch sei’s drum. Wahrheiten, einmal in der Welt, lassen sich nicht mehr ausmerzen. Und so gewann der geneigte Betrachter im kleinen konspirativen Zirkel im Fraunhofer tiefe Einsichten über das menschliche Wesen an sich, und im Besonderen z.B. bei der Wiederbeschaffung alter Holzkisten. Wie verzweifelungsvoll und dornenreich die Wege durch das Labyrinthische des Seins und des Bewusstseins tatsächlich sind, zeigte das Schicksal der liebreizenden Loreley. Auch über Willkür wurde mit existenziellem Ernst gesprochen, über die Willkür von Eisenbahnen, die ohne ersichtlichen Grund fahrplanmäßig und doch drei Minuten zu früh abfahren. Auch Regenschirme fallen bisweilen in den Grenzbereich zur Mystik. Ja, das Raum-Zeit-Kontinuum kann einem schon zu schaffen machen. Gewalt war ebenso ein Thema (Und Gewalt fand statt!) und daraus resultierend: Schuld und Sühne (letztere 1,50 Mark pro Ohrfeige).
Monika Manz, Gerd Lohmeyer und Burchardt Dabinnus © Martina Bieraugel |
Im Gegensatz zu vielen anderen Philosophien zeichnet sich diese, vielleicht letztgültige durch ihre Menschlichkeit aus. Man darf sich allerdings nicht auf eine simple analoge Erkenntnis einlassen. Das hieße, einem platten Realismus das Wort zu reden. Spätestens wenn man den Zusammenhang zwischen einem Schlappen und einem Steifen (Hut) begreift, spürt man das Universale der Metaphern. Viele Fallbeispiele der menschlichen Existenz brachten die Zuschauer an die Grenzen ihrer Leidensfähigkeit und manche Träne wurde vergossen. Ja, Erkenntnis will erlitten sein. Immerhin bezahlten Eva und Adam sie mit dem „Rauswurf“.
Dass nicht Entsetzliches passierte (Denkbar wäre der eine oder andere Suizid im Publikum gewesen.), war wohl den Leistungen der Jünger geschuldet. Allen voran Gerd Lohmeyer, der bereits seit 1996 den wohl nicht ungefährlichen Pfad beschreitet, das Valentinsche Licht in die Düsternis des Agnostizismus zu tragen. Ja, Propheten haben schwer. Allzu leicht verkennt man sie, selbst, wenn sie wie im Fall Lohmeyer eine (physisch leider missratene, weil weit entfernt von der Valentinschen Schönheit) vermutete Reinkarnation, oder gar Auferstehung des Messias ist. Bei Lohmeyer kann man sich immerhin sicher sein, wirkt er doch im Ausdruck wie ein Kind, dass sich „nichts drum gschissen hat“, erwachsen zu werden. Die Reinheit der Idee steht ihm ins Antlitz geschrieben. Monika Manz, in philosophischen Fachkreisen wird gemunkelt, sie sei die illegitime Schwester Lohmeyers, ist eine wahre Meisterin des „Wasses“. Zur Erklärung: Die Theorie des „Wasses“ entstammt dem Theater und ist einmal mehr Beweis für die schöpferische Kraft dieses Mediums beim Ringen um Erkenntnis. Lohmeyer forderte Monika Manz auf, ihren Michel mit dem Ausdruck des „Wasses“ zu spielen. Monika Manz: „Öhhh … Was?“ Lohmeier: „Genaus so!“ Das war wahrhaft große Kunst. So oder so ähnlich muss es gewesen sein.
Burchardt Dabinnus kann z.B. blasen. Nicht schön, aber anrührend und ausdauern, wenn das Blasinstrument nicht allzu groß ist. Auch die Zither ist ihm nicht fremd. Der Charme, den er beispielsweise als kletternde Loreley versprühte, sollte waffenscheinpflichtig sein. Welchen Stellenwert seiner Darbietung von Seiten des Theaters beigemessen wird, zeigte nicht zuletzt auch die Tatsache, dass er mehrfach im Smoking auftreten durfte. Elisabeth Wasserscheid, das Kücken in der Viererbande, ist auch in dieser Inszenierung des Drahtziehers Lohmeyer eine echte Bereicherung. Diesem Madl glaubt man einfach alles. Selbst, wenn sie nichts versteht, sieht sie noch gescheit aus. Das ist ein wirklich wertvoller Beitrag, um im täglichen Leben zu bestehen. Damit ist eine weitere Komponente dieses wertvollen Abends benannt, nämlich die pädagogische.
Sicher, als der nicht vorhandene Vorhang fiel, bleiben einige, nun ja, viele Fragen offen. Wie auch nicht, angesichts der Größe des Themas. Immerhin wendete dieser Abend den Blick auch schon mal ins Jenseitige und es geschah, was die exakten Wissenschaften in ihrer Ignoranz standhaft leugnen: Zarah Leander suchte das Publikum heim und sang. (Seltsamerweise sah sie irgendwie Monika Manz ähnlich.) Wunder über Wunder, und Sturm gab es auch, nun ja, ein Stürmchen. Aber die Bühne im Theater im Fraunhofer ist ja auch klein. Der Zuschauerraum ist es übrigens auch. Darum heißt es, sich sputen, wenn man teilhaben will an dem Theaterabend mit Offenbarungscharakter. Doch Vorsicht, neben dem hohen intellektuellen Anspruch ist er auch eine gnadenlose Attacke auf das Zwerchfell.
Dass nicht Entsetzliches passierte (Denkbar wäre der eine oder andere Suizid im Publikum gewesen.), war wohl den Leistungen der Jünger geschuldet. Allen voran Gerd Lohmeyer, der bereits seit 1996 den wohl nicht ungefährlichen Pfad beschreitet, das Valentinsche Licht in die Düsternis des Agnostizismus zu tragen. Ja, Propheten haben schwer. Allzu leicht verkennt man sie, selbst, wenn sie wie im Fall Lohmeyer eine (physisch leider missratene, weil weit entfernt von der Valentinschen Schönheit) vermutete Reinkarnation, oder gar Auferstehung des Messias ist. Bei Lohmeyer kann man sich immerhin sicher sein, wirkt er doch im Ausdruck wie ein Kind, dass sich „nichts drum gschissen hat“, erwachsen zu werden. Die Reinheit der Idee steht ihm ins Antlitz geschrieben. Monika Manz, in philosophischen Fachkreisen wird gemunkelt, sie sei die illegitime Schwester Lohmeyers, ist eine wahre Meisterin des „Wasses“. Zur Erklärung: Die Theorie des „Wasses“ entstammt dem Theater und ist einmal mehr Beweis für die schöpferische Kraft dieses Mediums beim Ringen um Erkenntnis. Lohmeyer forderte Monika Manz auf, ihren Michel mit dem Ausdruck des „Wasses“ zu spielen. Monika Manz: „Öhhh … Was?“ Lohmeier: „Genaus so!“ Das war wahrhaft große Kunst. So oder so ähnlich muss es gewesen sein.
Burchardt Dabinnus kann z.B. blasen. Nicht schön, aber anrührend und ausdauern, wenn das Blasinstrument nicht allzu groß ist. Auch die Zither ist ihm nicht fremd. Der Charme, den er beispielsweise als kletternde Loreley versprühte, sollte waffenscheinpflichtig sein. Welchen Stellenwert seiner Darbietung von Seiten des Theaters beigemessen wird, zeigte nicht zuletzt auch die Tatsache, dass er mehrfach im Smoking auftreten durfte. Elisabeth Wasserscheid, das Kücken in der Viererbande, ist auch in dieser Inszenierung des Drahtziehers Lohmeyer eine echte Bereicherung. Diesem Madl glaubt man einfach alles. Selbst, wenn sie nichts versteht, sieht sie noch gescheit aus. Das ist ein wirklich wertvoller Beitrag, um im täglichen Leben zu bestehen. Damit ist eine weitere Komponente dieses wertvollen Abends benannt, nämlich die pädagogische.
Sicher, als der nicht vorhandene Vorhang fiel, bleiben einige, nun ja, viele Fragen offen. Wie auch nicht, angesichts der Größe des Themas. Immerhin wendete dieser Abend den Blick auch schon mal ins Jenseitige und es geschah, was die exakten Wissenschaften in ihrer Ignoranz standhaft leugnen: Zarah Leander suchte das Publikum heim und sang. (Seltsamerweise sah sie irgendwie Monika Manz ähnlich.) Wunder über Wunder, und Sturm gab es auch, nun ja, ein Stürmchen. Aber die Bühne im Theater im Fraunhofer ist ja auch klein. Der Zuschauerraum ist es übrigens auch. Darum heißt es, sich sputen, wenn man teilhaben will an dem Theaterabend mit Offenbarungscharakter. Doch Vorsicht, neben dem hohen intellektuellen Anspruch ist er auch eine gnadenlose Attacke auf das Zwerchfell.
Wolf Banitzki
Valentin im Sturm
Collage von Gerd Lohmeyer
Monika Manz, Elisabeth Wasserscheid, Burchardt Dabinnus und Gerd Lohmeyer Regie: Gerd Lohmeyer |