Theater Haus der Kunst Die Liste der letzten Dinge von Theresia Walser
Von Scheiterhaufen, freilaufenden Mördern und Sommerkleidern …
Helen und Pia sind ausgezogen in die Natur, um sich einen Scheiterhaufen zu errichten. Sie wollen die Welt von sich erlösen. Das ist eine heroische Tat, wie sie meinen. Einiges gibt es dabei noch abzuarbeiten, eine Liste der letzten Dinge. Zum Beispiel ist doch von Belang, was man trägt bei diesem grandiosen Abgang. Ein Bier wäre nicht schlecht. Fragen drängen sich auf. Werden beide gleichermaßen gut brennen? Was ist, wenn eine nicht brennt. Der Abstand der Scheiterhaufen ist wichtig. Schließlich möchte Helen (Ulrike Willenbacher) nicht die Asche von Pia (Barbara Melzl) in den Augen haben. Zweifel am Vorhaben gibt es nicht. Immerhin hatte Helen einen deutlichen Wink. Die Mutter Maria, - nein, sie ist ihr nicht erschienen, sie ist ihr auf den Kopf gefallen. Und Pia hat herausgefunden, das das Leben im Kopf ohnehin spannender ist. Ihre Affinität zu lebenslänglich Eingekerkerten erschloss ihr Räume der Liebe und des Lebens von ungeheuerlichen Dimensionen. Sie mag zudem Sommer, in denen entflohene Mörder unterwegs sind. Doch dann taucht Giorgia (Ulrike Arnold) auf, bricht ein in das ausgeklügelte Beziehungsgeflecht der potenziellen Selbstmörderinnen. Sie hatte es nicht vor, allein ihre Erscheinung stellt alles in Frage. Und so geht alles seinen normalen Weg. Der Feind ist im Zweifelsfall immer der andere.
Theresia Walser schuf einen dramatischen Text, der brillant gebaut, voller Witz und entlarvenden Wahrheiten ist. Poetisch ist er zudem und überaus realistisch. Der Autorin gelingt, wovon viele junge Autoren nicht einmal mehr ein Vorstellung haben, nämlich die theatralische Aufhebung der Realität und die Neuschöpfung einer Welt, die frei von den Schlacken des Alltäglichen ist. Das ist echtes künstlerisches Vermögen. Erst auf diesem Wege wird uns das Lachen über die Abgründigkeiten möglich und erlaubt.
Die junge Ingolstädter Hausregisseurin Schirin Khodadadian war mit der Inszenierung "Trainspotting" auffällig geworden, was sie selbst sehr verblüfft hatte, denn ihre Kunst ist gänzlich frei von Exzessen. (Nun ja, es geschah in Ingolstadt!) Ihre Haltung zum Beruf erklärte die Künstlerin in einem Interview mit "Die Welt", erschienen am 04.02.2005, wie folgt: "Mir ist dieser ganze Gestus des Regisseurseins, der da sagt, ‚das ist meine Kunst' völlig fremd. Das ist sicher ein künstlerischer Beruf, aber keiner, der aus sich selbst heraus Kunst schafft. Für mich steht im Mittelpunkt, Geschichten zu erzählen, mit dem Material das da ist: der Text, die Schauspieler, Bühne, Licht." Diese Haltung wurde in der Inszenierung des Walser-Stückes im Haus der Kunst sehr augenfällig. Bei näherer Betrachtung fragte man sich, wo die Regisseurin überhaupt war? Ob so ein künstlerisches Understatement immer eine Tugend ist, bleibt zu diskutieren. Der Inszenierung schadete es jedenfalls nicht. Die Reduktion auf die Geschichte war der Regisseurin wichtig. Diesem Anspruch wurde das Bühnenbild von Pia Janssen ebenfalls gerecht. Es bestand aus einigen wenigen Bühnenteilen, die nichts vorgeben wollten, sondern lediglich Vehikel für die Handlung waren.
Helen und Pia sind ausgezogen in die Natur, um sich einen Scheiterhaufen zu errichten. Sie wollen die Welt von sich erlösen. Das ist eine heroische Tat, wie sie meinen. Einiges gibt es dabei noch abzuarbeiten, eine Liste der letzten Dinge. Zum Beispiel ist doch von Belang, was man trägt bei diesem grandiosen Abgang. Ein Bier wäre nicht schlecht. Fragen drängen sich auf. Werden beide gleichermaßen gut brennen? Was ist, wenn eine nicht brennt. Der Abstand der Scheiterhaufen ist wichtig. Schließlich möchte Helen (Ulrike Willenbacher) nicht die Asche von Pia (Barbara Melzl) in den Augen haben. Zweifel am Vorhaben gibt es nicht. Immerhin hatte Helen einen deutlichen Wink. Die Mutter Maria, - nein, sie ist ihr nicht erschienen, sie ist ihr auf den Kopf gefallen. Und Pia hat herausgefunden, das das Leben im Kopf ohnehin spannender ist. Ihre Affinität zu lebenslänglich Eingekerkerten erschloss ihr Räume der Liebe und des Lebens von ungeheuerlichen Dimensionen. Sie mag zudem Sommer, in denen entflohene Mörder unterwegs sind. Doch dann taucht Giorgia (Ulrike Arnold) auf, bricht ein in das ausgeklügelte Beziehungsgeflecht der potenziellen Selbstmörderinnen. Sie hatte es nicht vor, allein ihre Erscheinung stellt alles in Frage. Und so geht alles seinen normalen Weg. Der Feind ist im Zweifelsfall immer der andere.
Theresia Walser schuf einen dramatischen Text, der brillant gebaut, voller Witz und entlarvenden Wahrheiten ist. Poetisch ist er zudem und überaus realistisch. Der Autorin gelingt, wovon viele junge Autoren nicht einmal mehr ein Vorstellung haben, nämlich die theatralische Aufhebung der Realität und die Neuschöpfung einer Welt, die frei von den Schlacken des Alltäglichen ist. Das ist echtes künstlerisches Vermögen. Erst auf diesem Wege wird uns das Lachen über die Abgründigkeiten möglich und erlaubt.
Die junge Ingolstädter Hausregisseurin Schirin Khodadadian war mit der Inszenierung "Trainspotting" auffällig geworden, was sie selbst sehr verblüfft hatte, denn ihre Kunst ist gänzlich frei von Exzessen. (Nun ja, es geschah in Ingolstadt!) Ihre Haltung zum Beruf erklärte die Künstlerin in einem Interview mit "Die Welt", erschienen am 04.02.2005, wie folgt: "Mir ist dieser ganze Gestus des Regisseurseins, der da sagt, ‚das ist meine Kunst' völlig fremd. Das ist sicher ein künstlerischer Beruf, aber keiner, der aus sich selbst heraus Kunst schafft. Für mich steht im Mittelpunkt, Geschichten zu erzählen, mit dem Material das da ist: der Text, die Schauspieler, Bühne, Licht." Diese Haltung wurde in der Inszenierung des Walser-Stückes im Haus der Kunst sehr augenfällig. Bei näherer Betrachtung fragte man sich, wo die Regisseurin überhaupt war? Ob so ein künstlerisches Understatement immer eine Tugend ist, bleibt zu diskutieren. Der Inszenierung schadete es jedenfalls nicht. Die Reduktion auf die Geschichte war der Regisseurin wichtig. Diesem Anspruch wurde das Bühnenbild von Pia Janssen ebenfalls gerecht. Es bestand aus einigen wenigen Bühnenteilen, die nichts vorgeben wollten, sondern lediglich Vehikel für die Handlung waren.
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Barbara Melzl, Ulrike Arnold, Ulrike Willenbacher © Thomas Dashuber |
Opulent hingegen war das Spiel der Darstellerinnen. Hier entfesselte Schirin Khodadadian einen komödiantischen Sturzbach. Barabara Melzl verblüffte in dieser Inszenierung selbst die Zuschauer, die eine sehr hohe Meinung von ihrem darstellerischen Vermögen hatten. Ihre Ausdrucksmöglichkeiten schienen keine Grenzen zu kennen und dabei bewegte sie sich nie außerhalb des Textes. Ulrike Willenbacher hatte den undankbareren Part. Ihr wurden zwar vom Text, nicht aber von der Regie so viele Möglichkeiten zum mimischen Ausdruck geboten. Ulrike Arnolds Rolle beschränkte sich neben einigen Jas und Neins auf kaum mehr als einen Satz. Dennoch erschien sie wie ein Engel, der sich als Putzfrau verkleidet hatte.
Diese sehr empfehlenswerte, weil kluge und gehaltvolle Inszenierung erinnert daran, was Theater zu leisten vermag. Und Spaß hat man außerdem.
Diese sehr empfehlenswerte, weil kluge und gehaltvolle Inszenierung erinnert daran, was Theater zu leisten vermag. Und Spaß hat man außerdem.
Wolf Banitzki
Die Liste der letzten Dinge
von Theresia Walser
Ulrike Willenbacher, Barbara Melzl, Ulrike Arnold Regie: Schirin Khodadadian |