werkmünchen Der Weg zum Glück von Ingrid Lausund
Leise rieseln die Neurosen
Wenn der Weg zum Glück sich doch nur vom ICH lösen könnte, um ins WIR über zu gehen. Die volkstümliche Neurose, die eigene Persönlichkeit, deren Geschichte und Identifikationsgrundlagen auseinander zu nehmen und systematisch wieder zusammen zu setzen - denn „als irgendwer muss ich ja morgen zur Arbeit gehen“, so die Figur von Fabian Feder - können wir nicht allein überwinden.
Wir saßen gespannt uns selbst gegenüber, einer Puppe, die darauf wartete, sich selbst aufzuziehen mit dem eigenen ICH. Herab hängende Fäden von der Decke ahmten den Schrei aus dem Labyrinth des Egos nach. Ein Kreis, ein Spot um die Figur, Scherben aus Schamstoffstückchen: eine wärmend isolierende Einheit.
Was wären nur Geschenke ohne das Verpackungsmaterial? Das Geschenk, die Krawatte, welche die Regieassistentin Eleonore Neumann der Figur übergab, hatte etwas brutales. Das Glück, von dem das ICH sprach, war pure Gewalt.
Der Chor - die HiFi-Anlage - sang ein, zwei mal „How old are you now?“ statt „Happy Bithday to you!“. Brachte uns diese Frage nicht zurück zum ausgesprochenen Fordern des Älter Werdens? Als ob wir in einer Endlosschleife des ursprünglichen Makels gefangen als letzte Glücksreserve ja noch die CD mit Meeresrauschen hätten.
Auf der Einladung zur Geburtstagsparty mit Freunden hieß es „Bringt gute Laune mit!“. „Jeder Witz ist ein Treffer“, sprach Fabian wie ein Scharfschütze. Wovor schützen wir uns denn da? Fast jede glückliche Geschichte war der Figur einen Neuanfang wert. Als müsste das Glück etwas Beständiges, das man fest halten, fest nageln könnte, an etwas fest machen, sein. Wenn Glück etwas Endgültiges wäre, das, an einem Punkt erreicht - so wie die Punkte im Schaumstoffkreis, die die Figur nachts neu zusammen setzte - die Endgültigkeit und Gültigkeit einer Identität bedeutete.
Unser Leiden wird stets neu erfunden, in neuem Gewand. „Ich freue mich so lange, bis ich Panik kriege“, spricht der Mensch vor uns. Es tat sehr weh, was wir hier vorgesetzt bekamen. Deshalb lachten wir viel. Wir sahen unseren eigenen Versuch, Leben und Alltag mit den Scheuklappen des Glücks anzugehen. Aus dieser Perspektive konnten wir nun der Wahrheit ins Auge blicken, die der Figur auch hervorragend gelang, vor lauter Heulerei auf der Party aus sich heraus zu kotzen. Bis sie die glückliche Lüge nicht mehr ertragen, nicht mehr aussprechen, nicht mehr neu anfangen konnte. Stattdessen rappte sie, erzählte Witze im Staccato-Takt des neurotischen Stotterns eines Hundert Euro Scheins.
Fabian Feder © |
Die geschickt unauffällig inszenierte, begehbare Theaterinstallation mit Videosequenzen zeigte Fabian Feder nach dem Applaus bei seinen performativen Monologen, die fast schon melodisch, auf jeden Fall wortkünstlerisch rüber kamen - in der S-Bahn, im Auto, im Park mit verwackelter Kameraführung.
Eine der beiden schwebenden Plastiktüten nahm ich ohne Erlaubnis aus dem Bühnenbild heraus. Wie ein Kuscheltier führte ich sie Gassi - am draußen stehenden Publikum vorbei – bis an die Bar. „Wollen Sie sich setzen?“ - „Ja, gerne“, antwortete die Plastiktüte, schwarz, wie sie war. Mit Helium zu sprechen war schon gewagt, und doch ein Teil von mir geworden.
Untrennbar hatten wir uns selbst mit der Besessenheit vom ICH gesehen, das vielleicht gar nicht so viel mit Glück zu tun hat. Joachim, ein langjähriger Freund des Regisseurs sprach nach der Vorstellung mit mir über ein philosophisches Seminar von Wilhelm Schmidt. „Zum Glück gehört die Niederlage dazu“, weiß er. Dass alles inklusive ist, lernen wir schon im Moment der Geburt. Ich persönlich sage: Wenn uns alles Spaß machen würde, wüssten wir gar nicht, was wir wollen. Es war interessant, wie es dem Inszenierungsteam gelungen ist, den Moment des Glücks so zu extrahieren, dass er vor uns ganz greifbar und zugleich formbar, wandelbar, fließend erschien.
„Jeden Tag grüßt das Murmeltier“ kam mir hoch als Analogie zum Mythos des Sisyphos. Die Figur in diesem Stück befreite sich so lange von allen Glücksvorschriften, bis sie im Applaus des Publikums aufwachte.
„Das Rad des Glücks“ von Werner Fritsch (mit Jennifer Minetti), das vor wenigen Jahren im Marstall in München zu sehen war, ähnelte in der Form Alex Novaks Arbeit. Martin, ein alter Studienkollege von mir, war heute Abend das erste Mal im werkmünchen. Hier fand er das Ethos im Theater, „das manchmal fehlt“ und erkannte gleichfalls „die ehrliche Arbeit“ der Schauspielerei mehr als andernorts in München.
Der Videoeinsatz nach der Vorstellung erinnerte mich an das Schauspielhaus Düsseldorf im Stück „Puppen“. Die Darsteller waren dort nachträglich in der Leere des Bildes, das der Sprecher Stefan Schneider mit Beschreibungen füllte, erschienen. Im werkmünchen, lief das Video als Ego-Programm sozusagen mit Blick hinter die Kulissen liebenswert in Endlosschleife unbemerkt weiter, es hatte kein Ende. Wir setzten uns in die erste Reihe und unterhielten uns. Auch, wenn das Video Martin „unnötig“ erschien, sah ich hier doch das WIR, das sich zwischen uns abspielte.
Eine der beiden schwebenden Plastiktüten nahm ich ohne Erlaubnis aus dem Bühnenbild heraus. Wie ein Kuscheltier führte ich sie Gassi - am draußen stehenden Publikum vorbei – bis an die Bar. „Wollen Sie sich setzen?“ - „Ja, gerne“, antwortete die Plastiktüte, schwarz, wie sie war. Mit Helium zu sprechen war schon gewagt, und doch ein Teil von mir geworden.
Untrennbar hatten wir uns selbst mit der Besessenheit vom ICH gesehen, das vielleicht gar nicht so viel mit Glück zu tun hat. Joachim, ein langjähriger Freund des Regisseurs sprach nach der Vorstellung mit mir über ein philosophisches Seminar von Wilhelm Schmidt. „Zum Glück gehört die Niederlage dazu“, weiß er. Dass alles inklusive ist, lernen wir schon im Moment der Geburt. Ich persönlich sage: Wenn uns alles Spaß machen würde, wüssten wir gar nicht, was wir wollen. Es war interessant, wie es dem Inszenierungsteam gelungen ist, den Moment des Glücks so zu extrahieren, dass er vor uns ganz greifbar und zugleich formbar, wandelbar, fließend erschien.
„Jeden Tag grüßt das Murmeltier“ kam mir hoch als Analogie zum Mythos des Sisyphos. Die Figur in diesem Stück befreite sich so lange von allen Glücksvorschriften, bis sie im Applaus des Publikums aufwachte.
„Das Rad des Glücks“ von Werner Fritsch (mit Jennifer Minetti), das vor wenigen Jahren im Marstall in München zu sehen war, ähnelte in der Form Alex Novaks Arbeit. Martin, ein alter Studienkollege von mir, war heute Abend das erste Mal im werkmünchen. Hier fand er das Ethos im Theater, „das manchmal fehlt“ und erkannte gleichfalls „die ehrliche Arbeit“ der Schauspielerei mehr als andernorts in München.
Der Videoeinsatz nach der Vorstellung erinnerte mich an das Schauspielhaus Düsseldorf im Stück „Puppen“. Die Darsteller waren dort nachträglich in der Leere des Bildes, das der Sprecher Stefan Schneider mit Beschreibungen füllte, erschienen. Im werkmünchen, lief das Video als Ego-Programm sozusagen mit Blick hinter die Kulissen liebenswert in Endlosschleife unbemerkt weiter, es hatte kein Ende. Wir setzten uns in die erste Reihe und unterhielten uns. Auch, wenn das Video Martin „unnötig“ erschien, sah ich hier doch das WIR, das sich zwischen uns abspielte.
Und genau dieses WIR war mit der familiären Atmosphäre im werkmünchen wieder einmal Balsam auf der Seele. Wer sich also nicht allein fühlen möchte mit dem seinem durchkonstruierten ICH und mutig genug ist, diese Volksneurose leise aus schwarzen Plastiktüten von der Decke rieseln zu hören, ist auf dem richtigen Weg zu der nächsten Aufführung am 24. Mai oder 2. Juni 2012.
Dominik Tresowski
Der Weg zum Glück
von Ingrid Lausund
Fabian Feder Regie: Alex Novak |