werkmünchen Das Ende der Paarung von Franz Xaver Kroetz
Entweder Oder
Entweder ein privates Paar oder Figuren des öffentlichen Interesses. So einfach ist es nie. Während das ‚entweder oder’ stets zu Spaltung führt, so eint das ‚sowohl als auch’. Sich verliebt in die Augen zu blicken, schließt eine heftige Auseinandersetzung nicht aus. Oder ist es gar, dass das Feuer der Liebe durch den Zündstoff Hass befördert wird? So wird jedes Paar zwangsläufig das Opfer emotionaler und mentaler Affinität und Diskrepanz, der scheinbaren Ähnlichkeit und tatsächlichen Unvereinbarkeit. Doch was wäre das Dasein ohne Komplexität – entweder ein Sumpf der dumpfen Harmonie oder das Glück eines Einzellers. Und das entsteht im Laufe der Zeit durch gegenseitige Vereinnahmung bis zur Abhängigkeit ohnehin. Daran ändern auch die neuzeitlichen Variationen der Erscheinungsformen nichts. Entweder Frau oder Mann, dazu in der Öffentlichkeit sowohl Frau als auch in männlichem Habitus, und umgekehrt. Es lebe die Auflösung des Rollenverhaltens, das ‚sowohl als auch’, es lebe das Diffuse, das Chaos.
Und schon ist man mitten drin im Stück von Franz Xaver Kroetz – Das Ende der Paarung. Der Schriftsteller erfasste die essentiellen Mechanismen einer zur bloßen Symbiose verkommenen Beziehung in der sich wandelnden deutschen Gesellschaft. Die an Stärke zunehmende Frauenbewegung und die daraus folgende Verunsicherung der Männer seit nunmehr fast 30 Jahren führten zum Wegfall von traditionellen Rollen und damit klaren und für Menschen überschaubaren Handlungsräumen. „Es verläuft eine feine Linie zwischen Kultur und Zivilisation.“, so Kroetz. Gleichmachender Pragmatismus kann Kultur keinesfalls ersetzen, im alltäglichen Gesellschaftsprozess ebensowenig wie in der Politik. Einer Politik die im Paarungsprozess mit der Wirtschaft symbiotisiert und im „Tod“, der Ausgrenzung der Bevölkerung ihren Höhepunkt findet. Spätestens wenn der Schaden den Nutzen überwiegt, wäre es an der Zeit, dem Spiel bewusst ein Ende zu setzen. Und das, ohne die überall im „Haus“ versteckten Waffen zu benutzen.
Das Haus, die Bühne bedeckte eine breite Grünfläche auf welcher ein Kühlschrank die Küche vorstellte und das Sofa den Lebensraum. Schon sehr konventionell bürgerlich gestaltete Selma Agirgöl sinnfällig die Fläche aus. Da fehlten weder der Toaster, noch die dekorative Stehlampe und die Sofakissen. Selbst der Ort zur Entsorgung der Ausscheidungen, sinnfällig beleuchtet, geriet immer wieder in den Mittelpunkt.
Regisseur Claus-Peter Seifert richtete sein Augenmerk auf das Ausleuchten der psychischen Aspekte und beförderte Jutta Masurath und Dirk Bender zur Gestaltung gewohnt typischer und exzessiver Momente. Einem zwischen Selbstsicherheit, fast mütterlicher Fürsorglichkeit und Hilflosigkeit changierenden Mann, Dirk Bender, stand eine zwischen Mitleid, Hysterie durch Überforderung und kindischem Trotz permanent schwankende Frau, Jutta Masurath, gegenüber. Allein im Ausleben der Aggressionen, der Verletzung des Gegenüber standen sie einander nicht nach. „Das Spiel ist aus. Warum finden wir nur zueinander, wenn wir uns weh tun?“ Und die kurzen Momente in denen Liebe, als verbindendes Gefühl, aufkam, vermochten die Abneigung kaum zu überdecken. Grandios realitätsnah und doch erkennbar spannendes Schauspiel.
Die Szenen in denen die Schauspieler sich in Clowns verwandelten, erschienen vergleichsweise ernsthaft und beinahe erleichternd. Galt es doch die Zuschauer von festen Vorstellungen zu befreien und dadurch Nachdenken überhaupt erst zu ermöglichen.
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Jutta Masurath, Dirk Bender
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In der Inszenierung stand am Ende die Geschichte von Petra Kelly und Gerd Bastian, welche die Darsteller vortrugen. Gleichwohl Kroetz bestritt, mit seinem „Deutschen Trauerspiel“ eine Biografie der Beiden geschaffen zu haben, vielmehr galt sein Augenmerk dem Typus des Deutschen, radikal deutschen. Eine Diskrepanz zwischen Vorlage und Umsetzung, die zu überbrücken dem Publikum anheim gestellt wurde. Politisches Theater entsteht nur sehr bedingt durch Nennung von Namen, Bezug auf Personen, sondern vielmehr durch die unmissverständlichen Aussagen und Haltungen der Figuren. Hierin liegt das eigentlich Politische.
Die Politaktivistin und der General a.D. sollten also exemplarisch stehen, für eine zu Beginn konstruktive Paarbeziehung, die im Laufe der Zeit den Focus immer mehr auf Schwächen richtete. Das Ausleuchten und gnadenlose analysieren und festschreiben ebendieser Eigenschaften führt unweigerlich zum Ende jeder Paarung. Durch die Reibung aneinander und an der Umwelt bezogen sie ihre Kraft, die durch Exzess außer Kontrolle geriet und durch Ignoranz von außen abhanden kam, entzogen wurde. Den anderen, die anderen als Reibungsfläche, Projektionsfläche zu benutzen, die eigene Schwäche zu delegieren, ist der Ursprung von Krieg und der Beginn sich selbst ad absurdum zu führen. Man blicke dazu nur einfach in die Medien. Wer seine Kraft aus sich bezieht und durch Haltung in die Welt trägt, verliert weniger schnell sein Gleichgewicht. Diese menschliche Haltung könnte die Neue Zeit ausmachen, ein Neues Miteinander.
Ein Beispiel: Nicht erst seit heute verkauft man an Diktatoren Waffen, und hebt anschließend den Zeigefinger schulmeisterlich zur Schelte, wenn dieser die Waffen benutzt. Und hier greift der schwarz/weiße Satz „Entweder überleben um jeden Preis oder kämpfen bis zum Tod“ und die Erkenntnis, dass der Mitte, den Mittelmäßigen jedes Mittel recht ist – und folglich auch Menschenleben ein Preis zugewiesen wird - durch ihr opportunes Handeln zu überleben. Von Humanismus oder aufgeklärter Haltung also keine Spur, die hat man tunlichst begraben. Die stapelt sich bestenfalls in Buchstabensammlungen in Bibliotheken, archiviert, gelistet, wohltemperiert und vergessen. Haften dem Idealismus zudem doch die Makel von Anstrengung und Fehlleitung an. Da gefällt man sich doch lieber im „Überleben um jeden Preis“ und delegiert das „Kämpfen bis zum Tod“ an die ohnehin Hungernden, die Unterdrückten.
Und hier setzt die Aktualität der Aufführung an, das Stück, in welchem am Beispiel „Zucker“, der Süße des Lebens also, die Haltung dieses offensichtlich zeitlosen Entweder Oder explizit anschaulich wurde.
Das deutsche Paar, stellt eine ganz besondere, sehr deutsche Konstellation vor: Er ein Militär, sie eine Idealistin und es einte sie das Bemühen um Frieden. „Du kannst ohne mich nicht überleben.“, ist der wohl bezeichnendste Satz, welcher veranschaulicht, dass die Idee eine konsequente Haltung fordert, wenn sie in die Welt soll. Mit launischer provokativer Agitation ist wenig, ist nichts zu erreichen und die Geschichte zeigt, dass dieses Tun ins Reaktionäre abdriftete. Blickt man heute auf Partei die Grünen, zu deren Gründungsmitgliedern die in der Aufführung genannten Personen zählten, so zeigt sich eine Inkonsequenz erster Ordnung – eine gescheiterte Verbindung – die beliebig in flauen Kompromissen buhlt. „Du kannst ohne mich nicht überleben.“, sagt die aufrechte Haltung (welche bislang leider im Militarismus gipftelte) zum Idealismus „denn nur gemeinsam erlangen wir für unsere Visionen Platz in der Welt.“
Und nur ein echter Dramatiker, wie Franz Xaver Kroetz, einer, der dialektisches Denken beherrscht und dieses zu personifizieren vermag, bringt These und Antithese auf die Bühne. Er benötigte keine Namen für seine deutschen Archetypen. Und dann brauchte es noch einen echten Regisseur, wie Claus-Peter Seifert, einen, der die Aussagen zu bleibenden Eindrücken gestaltet, um das Publikum zu Synthese finden zu lassen. Das ist ganz großes Theater!
Haben Sie mitgezählt, wie viele Gründe es gibt das Werk und die Inszenierung mitzuerleben? Ist doch der Prozess des Lebens ein beständig erneutes Ringen um Synthese in einem unfassbar komplexen Geschehen!
C.M.Meier
Weitere Vorstellungen: 1.5./ 4.5./ 11.5./ 23.5./ 7.6./ 15.6./21.6.2012
Das Ende der Paarung
von Franz Xaver Kroetz
Jutta Masurath, Dirk Bender
Regie: Claus-Peter Seifert |
werkmünchen Trust von Falk Richter
In ... we trust
Vertrauen, Glaube, Zuneigung und andere positive Gefühlsregungen, welche dem Menschen eigen sind und ihn mit seinen Mitmenschen verbinden, werden in dieser, stets auf Optimierung ausgerichteten Zeit vorsätzlich zweckgebunden und weniger grundlegend eingesetzt. Wie auch Gott, Spiegelbild dieser Eigenschaften, deutliche Abstriche erfahren musste. Es sind vielmehr die trennenden Eigenschaften wie Egoismus, Rücksichtslosigkeit und Selbstgefälligkeit, welche Tag und Nacht durch die Medien an die Ohren hetzen. Da ist also der Teufel vor. Er ist es auch, der die Netze der Ideologien über die Menschen wirft, sie darin fängt. Und da weder Gott noch der Teufel greifbar ist, hält sich der Mensch nun am Mammon fest. „Ich bin wie Geld.“ , lässt Falk Richter seine Figuren äußern.
Aus der Fülle des Lebens sammelte der Autor jene Texte und Auffassungen, welche sich in der Beziehung und in der Ökonomie gleichen. Es sind erschreckend viele Deckungspunkte neuerdings, und die angeführten Passagen aus beiden Bereichen veranschaulichen die scheinbare Ausweglosigkeit, in der Mensch agiert. Es ist ein klarer Blick auf die Gegenwart und ihre Schmerzpunkte. Falk Richter ist einer der erfolgreichen deutschen Autoren und arbeitet als Regisseur an der Schaubühne Berlin, dem Schauspielhaus Zürich und in Düsseldorf. Seine Stücke werden weltweit gespielt, sind in 15 Sprachen übersetzt.
„I could be anywhere. ... I can never go wrong. ... Ich komme immer an.“ , begann das Werk. Die Stimme aus dem Off erzählte vom „fullprotection life im 27. Stock eines voll verglasten Hauses“ und den Möglichkeiten und Gepflogenheiten im Heute. Die Bühne begrenzte eine weiße Wand, davor das Schlachtfeld einer Beziehung und einige Teile „heile Welt“. Ein Goldfisch im Glas, ein Tisch mit rotem Tischtuch und Bonsai, eine Wanduhr, ein Teddybär und ein zerbrochener Wandspiegel. Mit Axt und Stichsäge bahnte sich Katinka Maché den Weg durch die Wand auf die Bühne. André Scioblowski folgte ihr. Die Figuren, die sie gaben, waren universell. Sie waren Frau und Mann, Aktivistin und Gepeinigter, Sehnsüchtige und Gescheiterte. Die Schauspieler verdeutlichten vielgestaltig, dass die Geschichte der Menschheit und des einzelnen ein ewiges abwechslungsreiches Ringen um Vertrauen ist. Die Kraft der Zerstörung prägte die Inszenierung von Markus Schlappig, welcher ihr eine absolut in der Zeit liegende Idee zugrunde legte. Schaffen, schaffen um jeden Preis. Einer schaffte den anderen, schaffte die Materie um sich zu Bruch. Die mit Säge und Axt schuftenden Darsteller hinterließen einen Trümmerberg. Auf ihm suchten die Figuren sich einander zu nähern, was immer nur für kurze Augenblicke gelang.
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Katinka Maché, André Scioblowski
© Astrid Ackermann
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Richters Text verdeutlicht, dass es heute vielfach nur noch Anweisungen sind, die in Beziehungen ausgetauscht werden. „Du musst aggressiver sein.“ – „Es muss von dir kommen.“ Es spielt keine Rolle, welches Geschlecht gerade die Oberhand hat. Das ist gelebte Hierarchie in einem Miteinander, welches von gleichwertem Gegenüberstehen getragen sein sollte. Schon hier wird die Schieflage in der Menschheit sichtbar. Verstärkt wird diese heute durch den propagierten und praktizierten Egoismus, welcher lediglich zu Vereinsamung führt. Und damit das Gefühl von Vertrauen nicht in Vergessenheit gerät, Gott zukommt und damit gar den Mitmenschen, arbeitet der Propagandaapparat und lenkt dieses. Er kreierte: Das Vertrauen in Arbeit und Leistung. Es wurde zur Deutschen Tugend ernannt, zum Motor der Bewegung. Wirtschaftliches Wachstum soll Vorherrschaft im Kreis der partnerschaftlich verbundenen europäischen Länder sichern, und sei es um den Preis von Menschenleben, die weltweit auf den Straßen liegen, tot, erschossen, oder die hungern und frieren. Das Denkschema, das man Neoliberalismus nennt, kanalisiert und pervertiert das Gefühl zu seinem Nutzen.
Wenn diese Inszenierung des Stückes Trust von Falk Richter Sinn macht, dann in jedem Fall, um einen schwelenden Diskurs weiter anzustoßen. Markus Schlappig gelang mit kraftvollen Bildern ein solcher Anstoß.
C.M.Meier
Trust
von Falk Richter
Katinka Maché, André Scioblowski, Valerie Junker, Helmut Becker
Regie: Markus Schlappig |