Theater Viel Lärm um Nichts Die Komödie der Irrungen von W. Shakespeare


 

 

 
Das doppelte Doppel

Bitte halten sie ihre Dokumente bereit, um sich ausweisen zu können. Einige Vorgänge aus der jüngsten Vergangenheit machen es notwendig, dass sie sich präzise ausweisen und identifizieren können. So wird der Zuschauer sinngemäß im Theater Viel Lärm Um Nichts in der Pasinger Fabrik durch eine freundlich klingende Stimme begrüßt. Dass die Sache ernst ist, erfährt man dann auch gleich. Egeon, honoriger Kaufmann aus Syracus, kam nach Ephesos, um seinen verlorenen Sohn zu suchen. Der ist ein Zwilling und verschwand durch einen Schiffbruch auf hoher See gemeinsam mit seinem Diener Dromio. Die Anwesenheit Egeons ist jedoch rechtswidrig und er wird stracks zum Tode verurteilt, wenn er nicht durch einen, heute würde man sagen Sponsor, ausgelöst wird. Die rührige Geschichte, dem Herzog von Ephesos erzählt, bringt ihm eine 24stündige Gnadenfrist. Wie es die Komödie will, sind beide Zwillingsbrüder mit beiden Dienern, die ebenfalls Zwillinge sind, auf der Insel. Der Antipholus, der seit wenigen Stunden auf der Insel weilt, versteht nicht, dass jeder ihn kennt, grüßt, beschenkt und in sein, Antipholus Heim fordert, wo er seinen ehelichen Pflichten nachkommen soll. Hingegen versteht der andere Antipholus, der am Orte ansässig ist, nicht, warum ihm sein Heim verweigert wird, man Schulden bei ihm einfordert, die er nicht gemacht, und warum ihm viel anderes Ungemach widerfährt.

Shakespeares Erstling (hier streiten die Geister) ist eine geniale Adaption des Plautusstückes "Die Menaechmen" (Die Zwillinge). Ohne auf philosophischen Tiefgang zu verzichten, kann der Zuschauer eine spritzige und explosive Boulevardkomödie erleben, die auf keinen Fall vorab erzählt werden sollte. Komödien haben es nun an sich, dass sie gut enden und so löst sich am Ende das Damoklesschwert, welches über dem Haupt Egeons schwebte, in Wohlgefallen auf.

 

Serpil Demirel, Markus Hennes, Yasmin Ott, Johannes Berg, Achim Grauer

© Hilda Lobinger

 

Die Inszenierung in der Pasinger Fabrik, der höchstes Lob gezollt werden darf, wurde von Andreas Seyferth besorgt, der selbst die Rolle des Egeon übernahm. Stephan Joachim, der für Bühne, Kostüme und Licht verantwortlich zeichnete, bereitete Regisseur Seyferth einen artifiziellen Raum, in dem sich das Spiel wie eine schwebende, brausende und bisweilen lyrische Illusion entfaltete. Die frische Bearbeitung von Margit Carl nahm dem Drama um Tod, Verwechselung und Liebe alle klassizistische Schwere und erlaubte es dem Zuschauer, die zeitlose Geschichte recht heutig zu erleben. Die "Irrungen", bei Shakespearen heißt es "The Comey of Errors", sind ein intelligenter Reigen von schier unmöglichen Konstellationen, denen dennoch eine unglaublich zwingende Logik innewohnt. Artifiziell ist das Stück und zugleich so nahe am Menschen. Artifiziell war auch die Inszenierung von Andreas Seyfert, der jeglichen Bezug auf einen Topos, oder eine Zeit vermied.

Es liegt auf der Hand, dass hier große Gefahren lauern, wenn Regie und Darsteller die Sache nicht auf den Punkt bringen können. Andreas Seyfert und seine Mitstreiter schafften dies zum größten Vergnügen für das Publikum. Johannes Berg brillierte als Dromio/Dromio. Diese Rolle des Dieners ist spätestens seit der Commedia dell arte die beliebteste und ergiebigste in einem derartigen Stück. Irrwitz und Chaos verbreitend, war er doch zumeist das Opfer, denn alle Wut der genasweisten Herrschaft entlud sich (wortwörtlich) auf seinem Haupt. Johannes Berg verstand es durchgängig, zwei Diener zweier Herren zu gestalten. Das vermochte Markus Hennig als Antipholus/ Antipholus nicht durchgängig. Gelegentlich musste der Text befragt werden, um herauszufinden, welcher der beiden Herren er gerade war. Da war Serpil Demirel besser dran. Zwar gestaltete sie nebenher auch einen Kaufmann, doch ihre Rolle als Ehefrau Adriana war sehr eindeutig. Facettenreich spielte sie ein überaus zänkisches Weib. In ihrer Spielwut erinnerte sie gelegentlich an eine Stange Dynamit, deren Lunte unentwegt brennt. Als Gegenentwurf agierte Yasmin Ott, die eine etwas blaustrümpfige, von innerer Glut erhitze Schwester gab. Im Zusammenspiel waren beide eine perfekte Ergänzung, die einander in ihrer Komik erhöhten.

Und da bereits von Tiefgang die Rede war: Bei allem Spaß, der unbestritten herrschte, wurde eine Frage sehr deutlich. Es war die Frage nach der Individualität des einzelnen Menschen, und, um es zeitgemäß zu artikulieren, was bleibt übrig vom Menschen in einer Zeit, in der Individualismus die letzte Religion zu sein scheint, wenn er sich selbst plötzlich und unerwartet selbst begegnet.

Die Antwort sollte sich der verehrte Leser im Theater Viel Lärm um Nichts holen. Ein kurzweiliger und dennoch anspruchsvoller Abend wird garantiert. Wie man sieht, beides muss nicht zwangsläufig im Widerspruch stehen, auch wenn das nicht unbedingt im Trend der Zeit ist.



Wolf Banitzki

 

 


Die Komödie der Irrungen

von W. Shakespeare

Übersetzung/Fassung: Margrit Carls

Markus Hennes, Johannes Berg, Serpil Demirel, Yasmin Ott, Achim Grauer, Andreas Seyferth, Margrit Carls

Regie: Andreas Seyferth

Theater Viel Lärm um Nichts Elisabeth in Love nach Lytton Strachey


 

 

 
Großes Geschichtsbild mit Hintersinn

Wer war Elizabeth I.? Dieser Frage geht die Inszenierung von Eos Schopohl im "Theater Viel Lärm Um Nichts" in der Pasinger Fabrik nach. Die Antworten sind vielfältig und gerade diese Vielfalt macht diese Inszenierung zu einem besonderen Ereignis. Eine dieser Antworten ist auch die nach dem Bezug zur heutigen Zeit. Gerade hatte eine Frau für das höchste Amt in der französischen Politik kandidiert und leider verloren. Frauen haben sich in diesem noch jungen Jahrtausend angeschickt, Macht zu übernehmen. Deutschland steht eine Kanzlerin vor und im Herkunftswörterbuch werden unter dem Wort Kanzler die betroffenen Personen noch immer ausschließlich als männliche ausgemacht.

Margit Carls, die gleichsam die Elizabeth auf der Bühne verkörperte, schuf einen breit, vielleicht hier und da zu breit angelegten Text, der die Person der englischen Königin in dem Lebensabschnitt ihrer Hinwendung zum jüngeren Robert Devereux Earl of Essex zum Inhalt hatte. In diese Zeit fielen äußerst prekäre innen- wie außenpolitische Vorgänge. Nicht nur, dass Elizabeth ständig um ihren königlichen Machterhalt kämpfen musste, auch die Nation England war permanent von übermächtigen Feinden aus dem Ausland bedroht. Auf beinahe wundersame Weise überstand sie allen Anfechtungen und hinterließ ein starkes, außenpolitisch ernstzunehmendes Reich. Doch sie hinterließ keinen Thronerben, da sie nie geheiratet hatte. Daraus resultiert nicht nur eine bemerkenswerte und aus der heutigen Sicht exemplarischen Geschichte, sondern auch ein geradezu mythischer Nimbus von der "Virgine Queen".

Die Beziehung zwischen Elizabeth und dem Lord Essex war bestens geeignet, um den Menschen Elizabeth aus staatspolitischen Intrigen, weltpolitischen Entscheidungen und höfischem Brimborium heraus zu filtern. Sie war eine eigenwillige Person, unberechenbar und exzentrisch, die heuchelte, kleinkrämerisch aber auch großzügig sein konnte. Die moderne Forschung glaubt herausgefunden zu haben, dass gerade das breite Spektrum ihrer Eigenschaften und die daraus resultierenden, nicht selten überraschenden Entscheidungen ihre eigentliche Stärke war. Dies bleibe dahingestellt. Viel erstaunlicher ist allerdings das Frauenbild, das Margit Carls nicht nur textlich hinterlegte, sondern auch trefflich darbot. Elizabeth war durchaus anfällig für die Testosteronausdünstungen der sie umgebenden "schmucken Schwertträger". Die Geschichte ihrer Jungfräulichkeit wäre heute vielleicht noch für die Boulevardpresse tauglich, wenn diese sich überhaupt für Geschichte interessieren würde. Gerade Lord Essex, ein ziemlicher Filou und Draufgänger, hatte es ihr angetan. Zigtausende von Pfund Stirling warf sie dem Verschwendungssüchtigen in den Rachen. Er war keiner, auf den sie bauen konnte. Als er sich schließlich gegen sie gewandt hatte, um sie zu entmachten, zögerte Elizabeth keinen Augenblick, ihn auszulöschen.

Dem politischen Gebot, die Thronnachfolge zu sichern, trat sie entschieden entgegen, denn sie wusste, dass ein Mann an ihrer Seite sie letztlich zum "Hausfrauendasein" verdammen würde. Sie erklärte England zu ihrem Gemahl und die Bürger zu ihren Kindern. "Da mir die öffentliche Aufgabe auferlegt worden ist, das Königreich zu regieren, möchte es als ein Akt gedankenloser Torheit erscheinen, wenn ich auch noch die Sorgen des Ehestandes auf mich zöge" (Elizabeth I. 1559 vor dem Parlament) Sie zog die Pflicht dem Zwang vor: "Heiraten muss niemand, aber sterben..."

Regisseurin Eos Schopohl schuf eine Inszenierung, die auf engstem Raum, gestaltet von Harald Hajek, eine menschliche Tragödie ebenso sichtbar machte wie weltpolitische Vorgänge. Karges Mobiliar, gerade genug, um die eine oder andere intime Szene blühen zu lassen, erweiterten die Spielmöglichkeiten. Hinter einer Jalousie, per Video auf selbige projiziert, die weltpolitischen Kämpfe in der Person Philipp des II., König von Spanien, in dessen Reich seiner Zeit die Sonne nicht unterging. Innenpolitische Vorgänge wurden per Video auf den Bühnenboden geworfen und es hatte den Anschein, als stiegen sie aus den Urgründen politischer Verworfenheit auf.

Margit Carls bewies in dieser Arbeit den Facettenreichtum ihrer darstellerischen Möglichkeiten. Sie überzeugt als herrische, exzentrische und unberechenbare Monarchin ebenso wie als anschmiegsame, schutzsuchende Frau. Beeindruckend war besonders ihr Auftritt als Königin im Schlafgemach, ungeschminkt, verfallen und beinahe glatzköpfig. Maik Epple als Lord Essex wirkte dabei längst nicht so souverän. Aber vielleicht bedeutete seine Darstellung eine Sichtbarmachung seines sprung- und hasardeurhaften, von Skrupellosigkeit geprägten Charakters. Die Gefahr, die von ihm ausgehen sollte, wurde erst im zweiten Teil des Stückes wirklich deutlich. Wesentlich prägnanter und auf Augenhöhe zu Margit Carls agierte Titus Horst, der den William Cecil Lord Burghley, Elizabeths ersten Staatssekretär gab. Als väterlicher Freund, weitestgehend verständiger politischer Berater und Vertrauter hinterließ er den ungetrübten Eindruck von einem loyalen und ergebenen Staatsmannes, ohne sich in billigen Posen zu ergehen. Anders Markus Fischer, der einen ewig larmoyanten Philipp von Spanien geben musste. Die Texte ließen leider nicht mehr zu. Erst als er seine Sünden vor Gott gestand, zum Beispiel eine nicht unerheblich Anzahl unehelicher Kinder gezeugt zu haben, erkannte der Zuschauer, dass der Mann auch freudvolle Momente in seinem Leben genossen haben musste.

Die Inszenierung stellte hohe Anforderungen an das Publikum und wer von der Geschichte nicht wirklich gefesselt war, konnte auch schon mal Längen empfinden. Doch Regie und Ensemble warfen Einfallsreichtum und Spielleidenschaft in die Waagschale, um diese vermeintliche Anstrengung aufzuwiegen. Bleibt die Frage nach der zeitlichen Relevanz. Die ist unbestritten, denn die Frauen, die heute an der Macht sind, sind ebenso wenig Frauen, wie es Elizabeth sein konnte. Vor diesem Verdacht schützt sie auch kein halbes Dutzend Kinder, die schon mal medienwirksam vorgeführt werden. Da die Frauen auch heute noch nicht wirklich ernst genommen werden, müssen sie sich schützen, in dem sie agieren und leider auch denken wie Männer. Wer einen Beweis möchte, für den sei erwähnt, dass die deutsche Kanzlerin in der Vergangenheit in der Schweizer Journaille als "das Merkel" tituliert wurde. Dabei ist das Problem sehr banal. Die Jahrtausende alte Rolle, die die Frau spielen musste, impliziert einen unseligen Mechanismus. Eine Frau, die ihre Geschlechtlichkeit lebt, wird von einem Mann eingenommen und besessen. Der Mann hingegen erweitert durch diesen Akt seine Macht, seinen Besitz und er steht als Eroberer da. Es gilt also mehr zu überwinden, als politische und gesellschaftlich Vorurteile, nämlich das Animalische im Menschen, das aus dem Unterbewusstsein Fallstricke spannt. Erst dann wird der Frau der Rang eingeräumt, der ihr gebührt. Die Jungfräulichkeit oder der Anschein davon ist Schild und Panzer für eine Frau, die auch über Männer herrschen möchte oder muss. Wer kann sich die deutsche Kanzlerin schon beim Sex vorstellen?

Wolf Banitzki

 

 


Elisabeth in Love

nach Lytton Strachey

Margrit Carls, Maik Epple, Markus Fisher, Titus Horst

Regie: Eos Schopohl

Theater Viel Lärm um Nichts Mein letzter Film von Bodo Kirchhoff


 
 
 
Wo Soap anfängt und nicht endet …

Marie ist Schauspielerin und angetreten, ihren letzten Film zu drehen. Diese Absage gilt nicht nur dem Medium, sondern auch einem Leben, das nur noch Bitternis für sie bereithält. Sie macht Tabula rasa, sortiert Erinnerungen aus und am Ende bleibt nur noch ein Koffer voll übrig, mit dem sie in ein neues Leben startet.

Die Abrechnung gilt dabei vornehmlich den Männern. Es sind drei an der Zahl und durchweg Enttäuschungen. Mit Richard teilte sie das Leben, die anderen waren nur Episoden, Ersatz oder Lückenfüller. Richard ist Regisseur und er inszenierte ihrer beider Leben, womit die wichtigste Charakteristik des notorischen Fremdgängers benannt ist. Marie avancierte an seiner Seite immerhin zum gut bezahlten und umjubelten Serienstar. Zu spät hat sie erkannt, dass die Klischees der Soap sich auch in ihr Leben geschlichen haben. Autor Bodo Kirchhoff startete mit seinem Text den Versuch, dies aufzudecken und blieb dabei allzu häufig selbst in Klischees stecken. Wer eine den Erfahrungshorizont erweiternde Lösung erwartet, wird enttäuscht. Maries Abgang ist ein verzweifelter und mit dem letzten Gesicht der Verbitterung in das neue Leben starten zu wollen, lässt nicht gerade Hoffnung keimen.

Eos Schopohl, die ihre Sensibilität für Bühnentexte in der Vergangenheit hinlänglich unter Beweis gestellt hat, machte das Beste aus der eher dünnblütigen Vorlage. Sie griff die Grundidee des Stückes, einen Film zu inszenieren auf, und stattete die Designerwohnung (Lucia Nußbächer) mit drei Kameras und ebenso vielen Monitoren aus. Sie nahm ihre Protagonistin Maria in die permanente Pflicht zu inszeniertem Spiel. Dabei versäumte die Regisseurin es nicht, die Wandlung der Person Marias deutlich in Szene zu setzen. Gabi Geist, in Habitus und physischer Erscheinung ein gelungene Besetzung, starte anfangs als Seriendarstellerin, notwendiger Weise ein wenig schrill und ein wenig aufgesetzt, denn, und das weiß eine erfolgreiche Seriendarstellerin sehr genau, die Kamera hat ihre eigenen Gesetze. Mit zunehmender Ernüchterung über ihr Leben, oder vielleicht auch mit zunehmender Natürlichkeit infolge des steigenden Alkoholpegels, bröckelte die Fassade. Die Frau hinter dem von ihr gestalteten medialen Ereignis wurde sichtbar und die war gezeichnet von der eigenen Lebenslüge und dem ewig kaschierten Alter. Am Ende blieb Verzweifelung und Wut. Beides zusammen sind ein hinreichender Kraftquell für einen Befreiungsschlag.
 

Gabi Geist

© Hilda Lobinger

 

Die feinsinnige und durchaus einfallsreiche Inszenierung konnte allerdings nicht über die Klischees und Belanglosigkeiten des Textes hinwegtäuschen. Von durchgängig "witzig" zu sprechen, wäre eine grobe Übertreibung. Allenfalls hatte die Geschichte lakonische Züge, die gelegentlich schmunzeln ließen.

Eos Schopol lieferte eine anständige Arbeit ab. Gabi Geist bewältigte die neunzigminütige Aufgabe, das klassische Maß eines Spielfilms war vorab versprochen worden, mit großem Engagement und Präzision, wofür ihr und der Regisseurin das Publikum dankbar war. Die Geschichte allerdings wird nicht auf ewig im Gedächtnis der Zuschauer haften bleiben. Das hat sie mit den meisten Seriengeschichten gemein.

Vielleicht ist die Wirkungslosigkeit auch nur dem Thema geschuldet, denn es ging bei aller Bemühung des Autors, einen Menschen auf die Bühne zu bringen, um einen Serienstar. Und wie jeder heutzutage weiß, lässt unsere mediale Welt diese Menschen nie aus, selbst dann nicht, wenn sie vom Set abgegangen sind. Einmal Soap, immer Soap. Und Soap ist immer nur für den Augenblick. Oder wie Richard es im Text auf den Punkt bringt: "Jetzt ist, wenn es schmerzt." Mehr Klischee ist kaum möglich.



Wolf Banitzki
 

 


Mein letzter Film

von Bodo Kirchhoff

Gabi Geist

Regie: Eos Schopohl

Theater Viel Lärm um Nichts Das Ende vom Anfang von Sean O'Casey


 

 

 
O`Casey oder Lachen ist Wein für die Seele

Kaum ein Dichter hatte jemals einen so überzeugenden Grund, sich dem Stückeschreiben zu widmen wie der große irische Dramatikers Sean O'Casey (1880 - 1964). Als Gewerkschaftsmitglied beteiligte er sich in den Jahren 1913 und 1916 an der Organisation der Streiks und Aufstände, wofür er um ein Haar hingerichtet worden wäre. Danach verlegte er sein politisches Engagement auf die Literatur.

O'Casey entstammte bitterarmen Verhältnissen, konnte nur drei Jahre lang die Schule besuchen und erlernte das Lesen und Schreiben wegen eines Augenleidens erst mit 13 Jahren.
Stücke wie "Juno und der Pfau", "Purpurstaub" und "Gockel, der Geck" sind Theaterweltliteratur und O'Casey zählt zu den Genien der Bühnenkunst. Es war kein Geringerer als William Butler Yeats, der dies der Welt kund tat. Er trat am 8. Februar 1926 nach der Uraufführung von "Der Pflug und die Sterne" vor den Vorhang des Abbey-Theaters und schmetterte einem aufgebrachten nationalistischen Mob entgegen: "Soll sich denn ewig das gleiche wiederholen, wenn sich ein neuer irischer Genius ankündigt?" O'Casey verließ Irland und ging freiwillig ins Exil nach England. Er kehrte nie zurück.

Dies wissend und seine großen Dramen kennend, erstaunt der kleine Einakter. "Das Ende vom Anfang" ist eine Farce, ein Stück, das in der Tradition des Theaters des 18. und 19. Jahrhunderts begründet liegt. Vorläufer waren so genannte Curtain raiser (Ouvertüre) oder After-piece (Abschluss). Tatsächlich ist es kaum mehr als ein kleine Slapstickkomödie ohne gesellschaftlichen oder sozialen Hintergrund. Die Frage, warum O'Casey das Werk schuf, erklärt nachfolgendes Zitat des Dichters. "Darum lacht, soweit das in der Hast und Komplexität des Lebens möglich ist; lacht, wenn die Sonne scheint, wenn es regnet, oder sogar, wenn die Kälte unsere Haut berührt und das Herz erstarren lässt."

Bauer Darry Berrill streitet mit seiner Frau Lizzie über die Frage, wer von ihnen die schwerere Arbeit zu leisten habe. Beide tauschen die Rollen. Lizzie mäht die Wiese und Darry stürzt sich in die Hausarbeit. Dank der tatkräftigen Unterstützung des kurzsichtigen Freundes Barry versinkt das Berrillsche Anwesen unweigerlich in Schutt und Asche.

In O'Caseys Drama halten sich Bühnen- und Regieanweisungen und die Dialoge die Waage. Die Komik resultiert aus der Gestik und der Mimik, weniger aus dem gesprochenen Wort. So braucht die Inszenierung dieses Stückes eine Vielzahl von guten szenischen Einfällen und Eos Schopohl, der im Theater Viel Lärm um Nichts einige exzellente Arbeiten ablieferte, wurde diesen Anforderungen nicht unbedingt gerecht. Manche Lösungen wirkten bemüht und selten stimmten Tempo und Rhythmus. Darry, gespielt von Robert Spitz, klein, dick und rechthaberisch, war nicht bereit, sein Scheitern als das seine anzuerkennen. Hoosman versuchte nicht selten durch unmotivierten Aktionismus und körperlicher Akklamation Komik und Dramatik zu erzeugen. Erst zum Ende hin wurde er überzeugender. Anders Hardy Hoosman, der den Barry gab. Seine Kurzsichtigkeit ließ ihn behäbig agieren, womit er gelungene Kontrapunkte setzen konnte.

Komödien leben davon, dass Dinge geschehen, die man nicht für möglich hält. Und da es sich bei den Figuren nicht um Charaktere, sondern um Typen handelt, verschmerzen wir auch die blutigste Heimsuchung. Unbedingt lobenswert ist die Ökonomie des Bühnenbildes von Lucia Nußbächer, die kurz aber leibhaftig als Lizzie in Erscheinung trat. Immerhin geht, so das Drama, beinahe alles zu Bruch. Weitere Vorstellungen sind geplant und möglich …

Die Vorstellung findet mit Bewirtung statt. Ein Glas Wein labt den Körper. Den Rest besorgen Darry und Barry, denn: "Das Lachen ist Wein für die Seele. (...) Das Lachen ist eine fröhliche Erklärung des Menschen, dass das Leben lebenswert ist." (O'Casey)



Wolf Banitzki

 

 


Das Ende vom Anfang

von Sean O'Casey

Hardy Hoosmann, Robert Spitz, Lucia Nußbächer

Regie: Eos Schopohl

Theater Viel Lärm um Nichts Abgestürzt von Eugéne Labiche


 
 
 
Gelegentlich am Zwerchfell vorbei

Eugène Marin Labiche (1815-1888) war einer der produktivsten französischen Dramatiker des 19. Jahrhunderts. Er war Mitautor bei mehr als einhundert Sittenkomödien, in denen er nicht selten mit viel Witz die spießbürgerliche Lebenswelt der französischen Mittelschicht karikierte. 1880 wurde Labiche Mitglied der Académie française und bis heute gehören seine Bühnenwerke zum Standardrepertoire der Comédie française. Diese historische Tatsache ist Beleg für seine künstlerische Meisterschaft im Genre der Komödie. Der Dichter entstammte einer wohlhabenden Mittelstandsfamilie. Er wusste folglich sehr genau Bescheid über das Leben des "unbescholtenen Steuerzahlers" und um einen solchen dreht sich die Geschichte "Abgestürzt" oder "Die Affäre Rue de Lourcine".

Der Bürger Lenglumé erwacht eines morgens mit einem riesigen "schwarzen Loch" im Hirn.
Er hatte sich am Vorabend heimlich davongeschlichen, um einem feucht-fröhlichen Klassentreffen beizuwohnen. Das Letzte woran er sich erinnern kann war der Salat. Dieser bildet den Rand des schwarzen Loches in dem alles nachfolgende versank. Mitschüler Mistingues Erinnerung reicht immerhin noch bis zum Hauptmenü. Das behauptet er jedenfalls, nachdem er schnaufend und grunzend und zum Entsetzen Lenglumés dessen Bett entsteigt. Als man in der Tagespresse liest, dass eine junge Kohlenträgerin nächtens bestialisch zu Tode befördert wurde, nimmt der mörderische Wahnsinn Gestalt an. Doch genug, denn mehr verraten hieße, den Machern bösartig in den Rücken zu fallen. Nur soviel: Am Ende ist alles anders.

Mirko Hensch deutete mit seinem Bühnenbild einen gutbürgerlichen Haushalt lediglich an. So blieb im kleinen Theater in der Pasinger Fabrik viel Raum für die Akteure. Der Lichtdesigner Jo Hübner leistete keinen geringen Anteil an der Atmosphäre, die vornehmlich durch das Spiel hergestellt werden sollte. Einmal mehr entpuppte sich die unselige Mittelsäule des Raumes für den Zuschauer als hinderlich. Der war doch immerhin sinnvoll positioniert, saß an Cafehaustischen und ließ sich die Getränke munden. Regisseurin Eos Schopohl hatte versucht, das Beste daraus zu machen. Sie konzentrierte sich auf die sinnfällige Organisation des Zusammenspiels und verlieh den Darstellern deutliche Konturen. Alles war wohl gerichtet und doch war der Abend kein gelungener.

Es zeigte sich deutlich, wie schwer es ist, diese leichte Muse zu beflügeln. Gerade bei Boulevardkomödien entscheidet der Rhythmus, das Timing, die Nuance im Spiel, das Maß der künstlerischen Mittel wie ein Scharfrichter. Und genau daran haperte es. Pointen kamen nicht punktgenau. Das Maß des körperlichen Einsatzes der Darsteller bordete nicht selten über und heraus kam Poltern. Es herrschte weitestgehend Atemlosigkeit, was der Dramatik nicht förderlich war. Die Zwischentöne blieben auf der Strecke. Alles war ein wenig zu grobschlächtig, dem Witz und Hintersinn der Geschichte nicht angemessen. Dabei war alles da, nur halt nicht im richtigen Maß. Andreas Seyferth ließ seine komödiantischen Fähigkeiten durchaus sichtbar werden, stellte sich aber nicht selten durch Ungenauigkeiten selbst ein Bein. Sergiy Kalantay schien die Idealbesetzung für den Mitschüler Mistingue zu sein. Seine bärenhafte Erscheinung stand ganz im Einklang mit dem sinnenfreudigen Charakter der Rolle. Doch auch er agierte ungenau, wirkte gelegentlich unbeholfen. Margit Carls traf hingegen als nüchtern-spitze Hausfrau, die immer haarscharf an den abgründigen Einsichten vorbei schlitterte, noch am genauesten den Ton. Robert Spitz überdrehte zumindest als Diener Justin die dramatische Schraube und manche Pose geriet eher peinlich.

Zweifellos hat auch dieses Stück Passagen, die an die Grenzen zur Klamotte stoßen. Doch die Grenzen sollten nicht überschritten werden, was immer auch eine Gratwanderung bedeutet. An diesem Premierenabend rutschte man einige Male ab. Aber wie bereits erwähnt, die Inszenierung ist wohl gerichtet und es bleibt die Hoffnung, dass die Darsteller in den kommenden Vorstellungen das Maß finden. Oder, wie man am Theater zu sagen pflegt, es spielt sich noch hin. Dann allerdings kann es ein Heidenspaß werden.

 
Wolf Banitzki

 

 


Abgestürzt

von Eugéne Labiche

Andreas Seyferth, Sergiy Kalantay, Robert Spitz, Margit Carls

Regie: Eos Schopohl