Theater Viel Lärm um Nichts Elisabeth in Love nach Lytton Strachey
Großes Geschichtsbild mit Hintersinn
Wer war Elizabeth I.? Dieser Frage geht die Inszenierung von Eos Schopohl im "Theater Viel Lärm Um Nichts" in der Pasinger Fabrik nach. Die Antworten sind vielfältig und gerade diese Vielfalt macht diese Inszenierung zu einem besonderen Ereignis. Eine dieser Antworten ist auch die nach dem Bezug zur heutigen Zeit. Gerade hatte eine Frau für das höchste Amt in der französischen Politik kandidiert und leider verloren. Frauen haben sich in diesem noch jungen Jahrtausend angeschickt, Macht zu übernehmen. Deutschland steht eine Kanzlerin vor und im Herkunftswörterbuch werden unter dem Wort Kanzler die betroffenen Personen noch immer ausschließlich als männliche ausgemacht.
Margit Carls, die gleichsam die Elizabeth auf der Bühne verkörperte, schuf einen breit, vielleicht hier und da zu breit angelegten Text, der die Person der englischen Königin in dem Lebensabschnitt ihrer Hinwendung zum jüngeren Robert Devereux Earl of Essex zum Inhalt hatte. In diese Zeit fielen äußerst prekäre innen- wie außenpolitische Vorgänge. Nicht nur, dass Elizabeth ständig um ihren königlichen Machterhalt kämpfen musste, auch die Nation England war permanent von übermächtigen Feinden aus dem Ausland bedroht. Auf beinahe wundersame Weise überstand sie allen Anfechtungen und hinterließ ein starkes, außenpolitisch ernstzunehmendes Reich. Doch sie hinterließ keinen Thronerben, da sie nie geheiratet hatte. Daraus resultiert nicht nur eine bemerkenswerte und aus der heutigen Sicht exemplarischen Geschichte, sondern auch ein geradezu mythischer Nimbus von der "Virgine Queen".
Die Beziehung zwischen Elizabeth und dem Lord Essex war bestens geeignet, um den Menschen Elizabeth aus staatspolitischen Intrigen, weltpolitischen Entscheidungen und höfischem Brimborium heraus zu filtern. Sie war eine eigenwillige Person, unberechenbar und exzentrisch, die heuchelte, kleinkrämerisch aber auch großzügig sein konnte. Die moderne Forschung glaubt herausgefunden zu haben, dass gerade das breite Spektrum ihrer Eigenschaften und die daraus resultierenden, nicht selten überraschenden Entscheidungen ihre eigentliche Stärke war. Dies bleibe dahingestellt. Viel erstaunlicher ist allerdings das Frauenbild, das Margit Carls nicht nur textlich hinterlegte, sondern auch trefflich darbot. Elizabeth war durchaus anfällig für die Testosteronausdünstungen der sie umgebenden "schmucken Schwertträger". Die Geschichte ihrer Jungfräulichkeit wäre heute vielleicht noch für die Boulevardpresse tauglich, wenn diese sich überhaupt für Geschichte interessieren würde. Gerade Lord Essex, ein ziemlicher Filou und Draufgänger, hatte es ihr angetan. Zigtausende von Pfund Stirling warf sie dem Verschwendungssüchtigen in den Rachen. Er war keiner, auf den sie bauen konnte. Als er sich schließlich gegen sie gewandt hatte, um sie zu entmachten, zögerte Elizabeth keinen Augenblick, ihn auszulöschen.
Dem politischen Gebot, die Thronnachfolge zu sichern, trat sie entschieden entgegen, denn sie wusste, dass ein Mann an ihrer Seite sie letztlich zum "Hausfrauendasein" verdammen würde. Sie erklärte England zu ihrem Gemahl und die Bürger zu ihren Kindern. "Da mir die öffentliche Aufgabe auferlegt worden ist, das Königreich zu regieren, möchte es als ein Akt gedankenloser Torheit erscheinen, wenn ich auch noch die Sorgen des Ehestandes auf mich zöge" (Elizabeth I. 1559 vor dem Parlament) Sie zog die Pflicht dem Zwang vor: "Heiraten muss niemand, aber sterben..."
Regisseurin Eos Schopohl schuf eine Inszenierung, die auf engstem Raum, gestaltet von Harald Hajek, eine menschliche Tragödie ebenso sichtbar machte wie weltpolitische Vorgänge. Karges Mobiliar, gerade genug, um die eine oder andere intime Szene blühen zu lassen, erweiterten die Spielmöglichkeiten. Hinter einer Jalousie, per Video auf selbige projiziert, die weltpolitischen Kämpfe in der Person Philipp des II., König von Spanien, in dessen Reich seiner Zeit die Sonne nicht unterging. Innenpolitische Vorgänge wurden per Video auf den Bühnenboden geworfen und es hatte den Anschein, als stiegen sie aus den Urgründen politischer Verworfenheit auf.
Margit Carls bewies in dieser Arbeit den Facettenreichtum ihrer darstellerischen Möglichkeiten. Sie überzeugt als herrische, exzentrische und unberechenbare Monarchin ebenso wie als anschmiegsame, schutzsuchende Frau. Beeindruckend war besonders ihr Auftritt als Königin im Schlafgemach, ungeschminkt, verfallen und beinahe glatzköpfig. Maik Epple als Lord Essex wirkte dabei längst nicht so souverän. Aber vielleicht bedeutete seine Darstellung eine Sichtbarmachung seines sprung- und hasardeurhaften, von Skrupellosigkeit geprägten Charakters. Die Gefahr, die von ihm ausgehen sollte, wurde erst im zweiten Teil des Stückes wirklich deutlich. Wesentlich prägnanter und auf Augenhöhe zu Margit Carls agierte Titus Horst, der den William Cecil Lord Burghley, Elizabeths ersten Staatssekretär gab. Als väterlicher Freund, weitestgehend verständiger politischer Berater und Vertrauter hinterließ er den ungetrübten Eindruck von einem loyalen und ergebenen Staatsmannes, ohne sich in billigen Posen zu ergehen. Anders Markus Fischer, der einen ewig larmoyanten Philipp von Spanien geben musste. Die Texte ließen leider nicht mehr zu. Erst als er seine Sünden vor Gott gestand, zum Beispiel eine nicht unerheblich Anzahl unehelicher Kinder gezeugt zu haben, erkannte der Zuschauer, dass der Mann auch freudvolle Momente in seinem Leben genossen haben musste.
Die Inszenierung stellte hohe Anforderungen an das Publikum und wer von der Geschichte nicht wirklich gefesselt war, konnte auch schon mal Längen empfinden. Doch Regie und Ensemble warfen Einfallsreichtum und Spielleidenschaft in die Waagschale, um diese vermeintliche Anstrengung aufzuwiegen. Bleibt die Frage nach der zeitlichen Relevanz. Die ist unbestritten, denn die Frauen, die heute an der Macht sind, sind ebenso wenig Frauen, wie es Elizabeth sein konnte. Vor diesem Verdacht schützt sie auch kein halbes Dutzend Kinder, die schon mal medienwirksam vorgeführt werden. Da die Frauen auch heute noch nicht wirklich ernst genommen werden, müssen sie sich schützen, in dem sie agieren und leider auch denken wie Männer. Wer einen Beweis möchte, für den sei erwähnt, dass die deutsche Kanzlerin in der Vergangenheit in der Schweizer Journaille als "das Merkel" tituliert wurde. Dabei ist das Problem sehr banal. Die Jahrtausende alte Rolle, die die Frau spielen musste, impliziert einen unseligen Mechanismus. Eine Frau, die ihre Geschlechtlichkeit lebt, wird von einem Mann eingenommen und besessen. Der Mann hingegen erweitert durch diesen Akt seine Macht, seinen Besitz und er steht als Eroberer da. Es gilt also mehr zu überwinden, als politische und gesellschaftlich Vorurteile, nämlich das Animalische im Menschen, das aus dem Unterbewusstsein Fallstricke spannt. Erst dann wird der Frau der Rang eingeräumt, der ihr gebührt. Die Jungfräulichkeit oder der Anschein davon ist Schild und Panzer für eine Frau, die auch über Männer herrschen möchte oder muss. Wer kann sich die deutsche Kanzlerin schon beim Sex vorstellen?
Wolf Banitzki
Elisabeth in Love
nach Lytton Strachey
Margrit Carls, Maik Epple, Markus Fisher, Titus Horst
Regie: Eos Schopohl |
Theater Viel Lärm um Nichts Mein letzter Film von Bodo Kirchhoff
Wo Soap anfängt und nicht endet …
Marie ist Schauspielerin und angetreten, ihren letzten Film zu drehen. Diese Absage gilt nicht nur dem Medium, sondern auch einem Leben, das nur noch Bitternis für sie bereithält. Sie macht Tabula rasa, sortiert Erinnerungen aus und am Ende bleibt nur noch ein Koffer voll übrig, mit dem sie in ein neues Leben startet.
Die Abrechnung gilt dabei vornehmlich den Männern. Es sind drei an der Zahl und durchweg Enttäuschungen. Mit Richard teilte sie das Leben, die anderen waren nur Episoden, Ersatz oder Lückenfüller. Richard ist Regisseur und er inszenierte ihrer beider Leben, womit die wichtigste Charakteristik des notorischen Fremdgängers benannt ist. Marie avancierte an seiner Seite immerhin zum gut bezahlten und umjubelten Serienstar. Zu spät hat sie erkannt, dass die Klischees der Soap sich auch in ihr Leben geschlichen haben. Autor Bodo Kirchhoff startete mit seinem Text den Versuch, dies aufzudecken und blieb dabei allzu häufig selbst in Klischees stecken. Wer eine den Erfahrungshorizont erweiternde Lösung erwartet, wird enttäuscht. Maries Abgang ist ein verzweifelter und mit dem letzten Gesicht der Verbitterung in das neue Leben starten zu wollen, lässt nicht gerade Hoffnung keimen.
Eos Schopohl, die ihre Sensibilität für Bühnentexte in der Vergangenheit hinlänglich unter Beweis gestellt hat, machte das Beste aus der eher dünnblütigen Vorlage. Sie griff die Grundidee des Stückes, einen Film zu inszenieren auf, und stattete die Designerwohnung (Lucia Nußbächer) mit drei Kameras und ebenso vielen Monitoren aus. Sie nahm ihre Protagonistin Maria in die permanente Pflicht zu inszeniertem Spiel. Dabei versäumte die Regisseurin es nicht, die Wandlung der Person Marias deutlich in Szene zu setzen. Gabi Geist, in Habitus und physischer Erscheinung ein gelungene Besetzung, starte anfangs als Seriendarstellerin, notwendiger Weise ein wenig schrill und ein wenig aufgesetzt, denn, und das weiß eine erfolgreiche Seriendarstellerin sehr genau, die Kamera hat ihre eigenen Gesetze. Mit zunehmender Ernüchterung über ihr Leben, oder vielleicht auch mit zunehmender Natürlichkeit infolge des steigenden Alkoholpegels, bröckelte die Fassade. Die Frau hinter dem von ihr gestalteten medialen Ereignis wurde sichtbar und die war gezeichnet von der eigenen Lebenslüge und dem ewig kaschierten Alter. Am Ende blieb Verzweifelung und Wut. Beides zusammen sind ein hinreichender Kraftquell für einen Befreiungsschlag.
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Gabi Geist
© Hilda Lobinger
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Die feinsinnige und durchaus einfallsreiche Inszenierung konnte allerdings nicht über die Klischees und Belanglosigkeiten des Textes hinwegtäuschen. Von durchgängig "witzig" zu sprechen, wäre eine grobe Übertreibung. Allenfalls hatte die Geschichte lakonische Züge, die gelegentlich schmunzeln ließen.
Eos Schopol lieferte eine anständige Arbeit ab. Gabi Geist bewältigte die neunzigminütige Aufgabe, das klassische Maß eines Spielfilms war vorab versprochen worden, mit großem Engagement und Präzision, wofür ihr und der Regisseurin das Publikum dankbar war. Die Geschichte allerdings wird nicht auf ewig im Gedächtnis der Zuschauer haften bleiben. Das hat sie mit den meisten Seriengeschichten gemein.
Vielleicht ist die Wirkungslosigkeit auch nur dem Thema geschuldet, denn es ging bei aller Bemühung des Autors, einen Menschen auf die Bühne zu bringen, um einen Serienstar. Und wie jeder heutzutage weiß, lässt unsere mediale Welt diese Menschen nie aus, selbst dann nicht, wenn sie vom Set abgegangen sind. Einmal Soap, immer Soap. Und Soap ist immer nur für den Augenblick. Oder wie Richard es im Text auf den Punkt bringt: "Jetzt ist, wenn es schmerzt." Mehr Klischee ist kaum möglich.
Wolf Banitzki
Mein letzter Film
von Bodo Kirchhoff
Gabi Geist
Regie: Eos Schopohl |