Halle 7 Verzeihung, ihr Alten, wo finde ich Zeit, Liebe und ansteckenden Irrsinn? von Christian Lollike


 

 
Verzeiht, ihr Alten, die ihr das vorhersehbare Theater liebt ...

Die Ankündigung verspricht einen heiteren Abend. Im Pflegeheim "Frydendal" steppt der Wahnsinn unterschwellig, droht immer wieder auszubrechen und tut es dennoch nicht. Die Insassen, und zu denen kann man das Pflegepersonal durchaus rechnen, haben alle Macken dieser Welt. Der blinde Don Otto ist ein Philosoph in Sachen Tabak und sehr vergesslich. Biermann hat bereits seine zweite Lunge geschafft und hört zudem Stimmen. Vera ist Kleptomanin und Frau Frauke, Leiterin der Institution, trinkt. Pfleger Valantin ist verlassen worden und doch ein Geschöpf, das viel Liebe verdient, wie Vera meint. Eine sexy Schwester mit Namen Amanda lüftet das Kittelchen und bringt die Hormone der alten Männer zum Hüpfen und diese dazu, die Pflegetätigkeiten selbst zu verrichten. Pfleger Bernhard ist ein skrupelloser Dieb und Pfleger Walter sein Gehilfe, weil tablettensüchtig und von Bernhard abhängig. Das klingt wie ein Katastrophenmix und ist es auch.

Von vier Erzählsträngen ist hier die Rede, die zu ergründen, dem Zuschauer vorbehalten bleiben soll. Von einer Geschichte im klassischen Sinn ist nicht die Rede und kann es auch nicht sein, denn es gibt sie nicht. Der junge Autor Christian Lollike, lernte das "szenische" Schreiben am Theater Aarhus. Leider lernte er nicht das Schreiben einer Geschichte. Dies immer wieder zu bemängeln, ist der Kritiker langsam leid. Aber worüber soll man erzählen, wenn es nicht etwas zu erzählen gibt, das lohnt.
Lollike ist ein dramatischer Handwerker, kreativ und durchaus poetisch veranlagt. Letztlich aber bedient er sich bei den Klassikern des Genres, ohne auch nur ansatzweise über diese hinaus zu kommen. "Herold und Maude" ist die augenfälligste Inspiration.
 
 

 
 

Lutz Bembenneck, Martin Heesch

 

 

So soll von der Inszenierung gesprochen werden, denn die hatte durchaus ihre Höhepunkte. Regisseur Claus Peter Seifert holte alles aus dem "charmanten, geradezu beschwingten, von unerschöpflicher szenischer Fantasie" zeugenden Werk heraus, was drin war und noch etwas mehr ... In einem kahlen Bühnenraum von Mirko Hensch mit angedeuteter Toilette und einer paraventartigen Wand, die gleichsam Gasse war, gelangen ihm bedrückende, groteske und auch poetische Bilder. Die Figuren waren weitestgehend glaubhaft und erlangten trotz oder gerade wegen der inszenatorischen Kargheit menschliche Dimensionen. Lutz Bembenneck und Martin Heesch als Don Otto und Biermann agierten quengelnd, bockbeinig und blieben dennoch als liebeswerte Charaktere in Erinnerung. Von den Pflegern gestaltete Armin Hägele als Valentin eine anrührende Gestalt. Daniel Pietzuch (Bernard) und Thomas Weber (Walter) sprangen ihm in ihrer Rollengestaltung als Skrupelloser und Kranker sinnvoll bei. Sarah Misiak (Vera) ließ für Augenblicke vergessen, dass Kleptomanie ein Krankheit ist. Und Sandra Nedeleffs Frau Frauke gerann so zerbrechlich, dass ihr Schicksal als Sachwalterin des Sterbens Mitleid erzeugte. Pragmatische Pflicht und warmherzigste Menschlichkeit wohnten bei ihrem Spiel in einer Figur.

Es ist heutzutage ein bemerkenswerter Vorgang, wenn ein Regisseur einen Text respektiert und seine Arbeit danach ausrichtet. Seifert leistete seinen Teil zum Gesamtbild und der war der größere. Um so bedauerlicher ist es, wenn fruchtbarer Boden wenig Ernte abwarf, weil die Saat kümmerlich war.

Am Ende des Abends erlebte der Zuschauer drei Suizide und einen Mord. Was kann daran heiter und beschwingt sein? Vielleicht hat hier jemand Neil Postman zu wörtlich genommen und meint, das zu Tode amüsieren sei nicht metaphorisch gemeint. Autor Lollike ist Mitbegründer von "The Sheriff", einer Gruppe, die dem vorhersehbaren Theater den Kampf angesagt hat. Eine Revolution also? Wenn aber nicht etwas Greifbares dabei heraus kommt, ist es nur eine Revolution der Revolution wegen und der Zuschauer, der das "vorhersehbare" Theater durchaus liebt, hat schlichtweg das Nachsehen.

 
Wolf Banitzki

 

 


Verzeihung, ihr Alten, wo finde ich Zeit, Liebe und ansteckenden Irrsinn?

von Christian Lollike

Sarah Misiak, Dörte Manzke, Sandra Nedeleff, Lutz Bembenneck, Armin Hägele, Martin Heesch, Oscar Lindenbrecht, Daniel Pietzuch, Thomas Weber

Regie: Claus Peter Seifert

Halle 7 Das Wäldchen von Jesper Halle


 

 
Kinder lügen nicht

Der Besucher glaubt dem Spiel in einem wohlbehüteten Puppenhaus beizuwohnen, wenn die Akteure des Dramas "Das Wäldchen" von Jesper Halle in der Halle 7 scheinbar ziellos ihr Spiel beginnen. Und das Puppenhaus kann beinahe wörtlich genommen werden. Bühnenbildner Peter Dachser schuf einen Guckkasten, dessen Ausmalung ein kindliches Universum versinnbildlichte. Das Verlassen dieser geschützten Heimstatt war gleichbedeutend mit dem Schritt ins Leben der Erwachsenen, ohne jedoch aus dem Kindsein herauszutreten.

Die Geschichte von Jesper Halle, eine fiktive, wie im Programmheft nachzulesen ist, ist ein bunter Reigen von Kinderspielen, der Charaktere deutlich hervortreten lässt und frühe Individualitäten erklärt. Doch bald schon werden kleine Geheimnisse sichtbar und stacheln die kindliche Neugierde an. Julie Nielsen, die Warzen hat, verfügt über einen schier unerschöpflichen Vorrat an Süßigkeiten. Dann finden die Kinder ihre blutbefleckten Unterhosen im verbotenen Wäldchen und schließlich entdeckt Jonas ein goldenes Armband am Handgelenk Julies. Von einem großen Mann ist die Rede, doch alles soll ein Geheimnis bleiben. Und Kinder nehmen Geheimnisse sehr ernst. Als das Wäldchen in Flammen aufgeht, ein Penner zu Tode kommt, ist Julie verschwunden, endgültig. Julies Eltern ziehen weg aus der Siedlung und die Geschichte findet mehr als nur eine Erklärung. Doch Jonas gibt nicht auf in seine Suche nach Julie. Als er das goldene Armband bei Anitra entdeckt, bekommt die Geschichte Konturen. Dann zieht Martine in die Siedlung. Sie ist Julie sehr ähnlich und als sie plötzlich das Armband trägt, nimmt das Grauen Gestalt an.

Die Geschichte ist voller Poesie, widerspiegelt psychologisch sehr feinfühlig das Verhalten von Kindern und entlarvt das Fehlverhalten der Erwachsenen, das von den Kindern in ihrem Nachahmungsdrang gelebt wird. Allerdings ist so eine Geschichte naturgemäß eine große Herausforderung an die Darsteller, denn allzu leicht kann die Umsetzung kindlicher Charaktere ins Kindische kippen. Doch davor waren Regisseur Dirk Engler, der die einzelnen Rollen sehr stimmig besetzt hatte, und der Autor selbst. Jesper Halle schuf nämlich keinen Kinderreigen, sondern eine Geschichte, die von Erwachsenen reflektiert wird. Selten zwar, doch mit ungeheurer Wirkung stiegen die Darsteller plötzlich aus dem kindlichen Spiel aus und ließen in ihren Kommentaren erkennen, dass alles Erzählte Erinnerung war. Regisseur Engler nutzte diese Brüche zur Schaffung eines übergreifenden Selbstverständnisses als Erwachsenentheater auf trefflichste Weise. Damit wurde er der Intention des dramatischen Entwurfs deutlich gerecht. Jesper Halle betonte ausdrücklich in einem Interview, "dass für (ihn) ein Stück die Basis für eine Art heilendes Ritual ist".

Sämtlichen Darstellern gebührt großes Lob. Das Zusammenspiel war präzise und glaubhaft. Die Glaubhaftigkeit wurde zudem noch durch die Erinnerung des Betrachters gesteigert, der sich Dank Halles genauer und atmosphärischer Beschreibung des Kindseins nicht selten in diesen Bildern wieder fand. Dennoch sollen einige Darsteller hervorgehoben sein. So zum Beispiel Philipp Denzel, der mit seiner Rolle als Jonas zwar einen Bonus hatte, den Part des ungestillt Neugierigen aber auf authentische Weise gab. Es gelang ihm, den psychologischen Subtext seiner Figur verstehbar zu machen. Ebenso Butz Buse, dessen Wuschel vom Autor ebenso begünstigt wurde. Wuschel ist ein Kind, das die Vorgänge über weite Strecken nur körperlich und mimisch kommentiert. Er ist nicht bereit, die Stimme zu erheben, steht dem Treiben sprachlos aber keinesfalls anteilnahmslos gegenüber. Buse gestaltet sehr anrührend stellvertretend für alle Kinder Ängste und Sehnsüchte. Mit ähnlicher Intensität und Hingabe verleiht Nadja Kruse der Julie Gestalt. Als Opfer der Geschichte gelingt es Nadja Kruse, den Tod ihrer Figur lange vor dem Gewaltakt gegen Julie einzuläuten. Schließlich soll noch Ana Filipovic erwähnt werden. Ihre Anitra war ebenfalls ein Schlüsselfigur zum Verständnis der Geschichte und zwar eine von heftigsten Zweifeln und Ängsten gebeutelte. In ihrem Spiel und der Identifikation mit der Rolle ging Ana Filipovic bis an die Grenzen des Erträglichen, wohl auch für sie selbst.

Diese Inszenierung lebte jedoch nicht von der Einzelleistung einiger herausragender Darsteller, sondern vom guten Ensemblespiel, das eine Welt zur kindlichen werden ließ, und von der inszenatorischen Geschlossenheit. An szenischen Umsetzungen, die das Publikum durchaus in Erstaunen versetzen konnten, mangelte es dabei nicht.

Kindesmissbrauch und Kindesmord gehören schon lange zur Bestsellerliste der medialen Schlagzeilen. Der Verschleiß sollte nachdenklich machen, insbesondere, wenn man das am Vortag gefällte Urteil für Michel Jackson vor Augen hat. Monatelang wurde der anscheinende Leidensweg eines sichtlich degenerierten Wesens beschrieben, der des Kindesmissbrauchs angeklagt war. Ein Urteil ist gefallen, doch niemand kennt die Wahrheit. Vom vermeintlichen Opfer erfährt man nichts oder nur wenig. In Halles "Wäldchen" herrscht Wahrheit und sie wird uns in aufrichtigster Weise vermittelt. Damit ist einmal mehr der Beweis erbracht, dass die Wahrheit im Theater noch einen Hort hat, in der Welt draußen nur Spielball von Interessensvertretern ist.

 
Wolf Banitzki

 

 


DEA Das Wäldchen

von Jesper Halle

Philipp Denzel, Butz Buse, Ralph M. Küster, Claudia Buser, Eva Kölling, Lena Sabine Berg, Maik van Epple, Ana Filipovic, Martin Meißner, Nadja Kruse, Esther Urbanski

Regie: Dirk Engler

Halle 7 Mechanische Tiere von Rebekka Kricheldorf


 

 

Wehe, wenn sie losgelassen

„A Tribute to Marilyn Manson“, so der Untertitel des Stücks der bereits mehrfach ausgezeichneten Autorin Rebekka Kricheldorf. Eventuell vorhandene Zuschauer-Erwartungen, es könne sich hier um ein Re-enactment der namensgebenden Platte handeln, werden umgehend und regieanweisungskonform entkräftet. Das Auftragswerk für das Stadttheater Bern übersetzt die Manson-Songs auf „Mechanical animals“ ihrer Reihenfolge gemäß in Bühnenhandlung. Nicht mehr und nicht weniger. Dass das allerdings mehr als genug für einen furiosen Theaterabend ist, beweist Jochen Strodthoffs Text, Ton, Körper und Szenenbild kongenial verbindende Inszenierung in der herrlich angeschrammelten DuschBOX.

Aylin Kaip (Bühne, Kostüm) verwandelt den lang gezogenen Raum mit den ramponierten Nasszellen in eine multioptionale Matrix-Welt voller Schläuche und Schlaufen. Neonröhren (Licht: Michael Bischoff) schimmern kränklich grün, die Schauspieler tragen Grau in Grau, permanent tropfendes Wasser liefert einen mal mehr mal weniger präsenten Soundteppich. Eine ideale Spielwiese für Thomas Stang, Jochen Strodthoff, Eli Wasserscheid und Nicola Trub. Die Schauspieler meistern den schweißtreibenden, äußerste Präzision im Zusammenspiel verlangenden Abend bravurös. Zunächst wie Cyborgs in Standby an „Nabelschläuche“ angedockt, spielen sie, einmal freigelassen, um ihr Leben. Der Regisseur steht als Krankheitsvertretung auf der Bühne und wirkt dabei, als wäre ihm die Rolle des A auf den Leib geschrieben.
 
   
 

Eli Wasserscheid, Jochen Strodthoff, Nicola Trub, Thomas Stang

© Hilda Lobinger

 

In den folgenden 1 1/2 Stunden entfaltet sich ein exakt getimtes Feuerwerk aus BewegungsText. Kricheldorfs brilliante Texte landen punktgenau, sind witzig, ironisch oder einfach tieftraurig. Die Sprache – gesungen, geflüstert, geschrien oder als chorischer Sprechgesang - dient gleichermaßen als Befindlichkeitsbarometer und Rhythmusgeber. Dazu der volle Körpereinsatz der Akteure: Sie hängen in den Seilen des multifunktionalen SpielRaums, verstricken sich im Kabelsalat, feiern dekorative Orgien in der Duschkabine oder fühlen sich wie Schauspieler. Nur Thomas Stang, der „fühlt sich gerade überhaupt nicht.“ Wie eine Girlie-Boy-Band auf Speed wird „UNVORSTELLBAR – MAGIC – TOLL“ skandiert, die Gruppenchoreographie zu „Tainted Love“ (von Manson, jedoch wie alle im Stück verwendeten Lieder nicht von der Animals-Platte) lässt ein Faible für Zwangshandlungen erkennen. Es folgt ein kollektiver Orgasmus via Flüsterpost, und Strodthoff wird zum Rasenmäher-Mann. Das alles ist klug komponierter Dada at its best und dabei so unterhaltsam, dass es dem Publikum die Lachtränen ins Auge treibt.

 

Tolle Inszenierung, tolle Schauspieler. Unbedingt anschauen!

 

Tina Meß

 

 


Mechanische Tiere

von Rebekka Kricheldorf

Thomas Stang, Jochen Strodthoff, Eli Wasserscheid, Nicola Trub.

Regie: Jochen Strodthoff

Halle 7 Zärtlich von Abi Morgan


 

 

Beziehungen im leeren Raum

Einsam klein und verloren wirkt der Mensch in der modernen Welt. Er dreht sich nur noch um sich selbst, um Klischees für Lebensgestaltung und um seine Befindlichkeit. So lebt er denn gnadenlos seine Veranlagung aus als wäre sie Individualität. Das macht ihn unfähig zu echter menschlicher Beziehung.

Abi Morgan, walisische Stückeschreiberin die ihren festen Platz in der Garde der jungen britischen Autoren hat, formulierte diesen Vorgang in "Zärtlich". Regisseur Claus Peter Seifert setzte mit seiner Inszenierung ebenfalls genau hier an. Vor kahlen Wänden entwickelte er die Szenen die sich wie Puzzleteile nach und nach zu einer Geschichte zusammenfügten. Vor kahlen Wänden, mit einem Minimum an Requisiten, entwickelte er die Charaktere für die am Ende nur die Isolation bleibt. Den Vorhang im offenen Raum setzte gekonnt Peter Mentzel mit dem Licht.
 
 

 
 

Angelika Hofstetter, Oscar Axelrod-Naumann

 

Das Netz der Beziehungen: Tash ist überzeugter Single und verbringt die Nacht mit Quieck der gerne zum Frühstück bleiben würde, doch Tash frühstückt nicht. Sie ist mit ihrer Freundin Hen verabredet. Hen ist schwanger von Al, mit dem sie seit sechs Jahren eine Beziehung lebt. Hen arbeitet an der Vermisstenmeldestelle und betreut Gloria. Gloria, deren Mann Marvin nach neunzehn Jahren Ehe das Haus verließ. Gloria spricht Quieck im Schwimmbad an. Quieck begegnet Tash auf der Straße und blitzt mit seiner Einladung zum Kaffee ab. Tash ist auf der Suche nach einem neuen Job und trifft Nathan, der von seiner Frau verlassen wurde. Bei Nathan arbeitet Marvin als Reinigungsmann. Er schläft in einem Männerwohnheim. Al, von Beruf Bauarbeiter, renoviert ein Haus, das neue Zuhause für Hen, das Baby und ihn. Tash beobachtet ihn mit der Tochter seines Chefs beim Sandwich-einkauf. Al kommt früh morgens nach Hause zu Hen und riecht nach Tash. Die Beziehung zerbricht, ebenso wie die der Freundinnen. Quieck ist der einzige der für eine Verbindung offen bleibt, doch ...

Quieck, sensibel und einfühlsam gegeben von Oscar Axelrod-Naumann, verkörperte das Prinzip Hoffnung, welches er bei jeder Begegnung aufleuchten ließ. Dankbar reagierte Gloria, herausragend gespielt von Claudia Pielmann. Judith Toth gab überzeugend die schwangere Hen, deren Figur für Hilfsbereitschaft stand. Nathan, auf der Suche nach menschlichen Bedürfnissen und Nähe, wurde brilliant in Szene gesetzt von Michael Putschli. Peter Fabers verlieh dem Eigenbrödler Marvin ausgezeichnet Gestalt. Die in der eigenen Falle von Sehnsucht nach Liebe und Widerspruch gefangene Tash gab Angelika Hofstetter. Al, Markus Schmädicke, blieb verhaftet in seinen Lebensprinzipien Schicksal und Zufall.

Das Konzept von Regisseur Claus Peter Seifert ging auf. Der leere Raum wurde von den Darstellern überaus glaubhaft bespielt, als Bar, als Schwimmbad, als Bett, als Supermarkt. Sie begegneten sich, redeten aneinander vorbei und nur im Konflikt entstand jeweils für einen kurzen Augenblick Kontakt. Was als bruchstückhaftes Beziehungsgeflecht begann zerfiel nach und nach gänzlich.

Nur eines scheint sicher: Der Gipfel der Einsamkeit ist in erfahrbarer Nähe. Der Zeitgeist und die Ästhetik des Heute setzen ihm die Krone auf.

 
C.M.Meier

 

 


Zärtlich

von Abi Morgan

Angelika Hofstetter, Judith Toth, Claudia Pielmann, Peter Fabers, Michael Putschli, Markus Schmädicke, Oscar Axelrod-Naumann

Regie: Claus Peter Seifert

Halle 7 Sex von Justine del Corte


 

 
Auf der Suche nach dem (verlorenen) Glück

Sechs Paare treffen sich im Sandkasten und spielen Beziehung. Am Anfang stehen Adam und Eva (Lucie Lechner, Frank Hennenhöfer-Richter), wie üblich unbekleidet, und diskutieren über die Bibel: „Wer hat aus der Frucht ein Obst gemacht?“ Es folgen zwei latzhosige ADS-Teenager (Christina Ustinov, Christian Streit), die den ersten Kuss und dann auch gleich das erste Mal im elterlichen Bett vollziehen. Karin Schedlbauer und Oliver Bitzer durchlaufen Disko-Anmache und anschließendem „Halleluja“-Geschlechtsverkehr (abgebrochen) in der Studenten-WG und den sportiven Mittdreißigern (Christian Streit, Christina Andrione) mit sextauglichem Kinderwagen traut man die pädagogische Betreuung des in Bälde erwarteten Nachwuchses nur bedingt zu.
Die Figuren werden älter, das Leben härter: Wenn Lucie Lechner als ältere Frau einen rotzigen Jüngling (schön lapidar: Philipp Künstler) um Beischlaf und eine Prise hart Anfassen anfleht, kommt zum ersten Mal Spannung auf. Dann „Schüler revisited“. Älter, abgeklärter und besser gekleidet lassen sie Christina Ustivov und Christian Streit noch einmal ihre pubertären Sexspielchen Revue passieren. Den Abschluss macht Frank Hennenhöfer-Richter als Muscleshirt-Träger, der sich bei seiner Rüschenkleid-bewehrten Angetrauten (Lucie Lechner) für 38-jährige Abwesenheit sowie sämtliche Seitensprünge entschuldigt und dabei ewige Liebe schwört.
   
 

Christian Streit, Christina Ustinov

© Hilda Lobinger

 

 

Mit seiner chronologisch korrekten Deklination bekannter Aggregatszustände der Liebe geht Regisseur Alex Novak auf Nummer Sicher. Text und Inszenierung bleiben harmlos und erzählen Nichts, was man nicht aus Film, Fernsehen und dem eigenen Leben nicht schon kennen würde.



T. Meß

 


Sex

von Justine del Corte

Christina Andrione, Oliver Bitzer, Frank Hennenhöfer-Richter, Phillipp Künstler, Lucie Lechner, Karin Schedlbauer, Christian Streit, Christina Ustinov.

Regie: Alex Novak