Metropol Theater Terrorismus von Oleg und Wladimir Presnjakow
Der ganz normale ...
Der ganz normale Alltag ist es, den das Werk vor Augen führt. Eine rabenschwarze Komödie, heißt es über sie, die das Leben als einzigen Terror reflektiert. Das Aufzwingen von Willen oder Vorstellungen mittels Gewalt gilt längst als legitim, sei es in visueller, verbaler oder körperlicher Form. Die Anwendung von Gewalt bietet den letzten Lustgewinn in einer scheinbar völlig abgestumpften Gesellschaft.
Ein zunächst harmloser Seitensprung entwickelt Perversion bis zum letzten Kick. In einem Großraumbüro wird mit Spitzen und verbalen Bomben geworfen und in der Ruheoase des an potentiellen Abgründen interessierten Psychologen baumelt eine Frau am Stick. Auf dem Rollfeld des Flughafens stehen herrenlose Koffer und im Duschraum der Feuerwache wird einer der Männer Rührei genannt ... es geht sogar soweit, die inneren Widersprüche im Menschen als Terror in sich zu verbalisieren.
Die Autoren Oleg und Wladimir Presnjakow aus Jekaterinburg im Ural werden hoch gehandelt. Preise beim Moskauer Festival für junge Dramatik und auf dem Heidelberger Stückemarkt, sowie Inszenierungen europaweit pflastern ihren Werdegang. Ihre Stücke gelten als subtile Gesellschaftskritik und spiegeln soziale und mentale Verfassungen in der globalen Gesellschaft wieder. Der Blick der Autoren auf die Gesellschaft ist ein wissenschaftlich scharf kalt klarer. Die Figuren sind nicht mehr ortsbezogen determiniert, sondern universale Schemen, wie sie mittlerweile allerorts zu finden sind, bar jeder Originalität. Ihr Werk "Terrorismus" ist ein Konstrukt aus Alltagsszenen, die durch einen dünnen Geschichtsfaden verbunden sind und in dem der Text sich weitestgehend auf die Entblößung kleiner menschlicher Unzulänglichkeiten beschränkt, um an ihnen Absurdität fest zu machen.
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Christiane Blumhoff, Lilly Forgách, Dascha Poisel, Felix Kuhn, Christian Baumann
© Hilda Lobinger
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Die Inszenierung von "Terrorismus" am Metropol Theater von Jochen Schölch ging leider nicht so weit, dem Bühnengeschehen doch noch einen Rest umfassende Menschlichkeit einzuhauchen. Die Figuren blieben Figuren, als sie vor den von Thomas Flach (Bühne) sinnfällig installierten Jalousiewänden agierten. Die darstellerische Leistung des Ensembles war gleichmäßig und durchweg gut, womit eine Hervorhebung einer Zurücksetzung entspräche. Regisseur Schölch griff wieder einmal mehr in seine Trickkiste und die Umgestaltung der Bühne war von Szene zu Szene immer wieder ein formal wohl durch choreografierter Akt. Aus den Koffern der Reisenden wurden Doppelbett, Schreibtische, Gartenbank und der Innenraum eines Flugzeuges gezaubert, am Ende waren diese wieder einfache Gepäckstücke.
Das Stück stellt zudem die Frage nach der Definition von Terror und Gewalt. Inwieweit werden Begriffe noch in ihrem ursprünglichen Sinn verwendet und inwieweit sind sie zur Phrase für alle möglichen Vorstellungen verkommen? Doch diese Frage ist müßig, denn seit längerem dienen diese Vorgänge, wie die meisten, der Vermarktung und Belustigung. Wenn alles Unterhaltung ist, ist nichts Unterhaltung. Wenn alles Terror ist, ist nichts Terror. Es ist Alltag, nichts ist Wahnsinn. Es ist Normalität, über die zu lachen die einzige noch mögliche befreiende Reaktion wäre. Eine schwarze Komödie? Ja, denn es stellte sich am Ende alles als ein Alptraum dar. Das Lachen blieb trotzdem sehr verhalten.
C.M.Meier
Terrorismus
von Oleg und Wladimir Presnjakow
Christian Baumann, Christiane Blumhoff, Martin Dudeck, Lilly Forgách, Felix Kuhn, Bernhard Letizky, Dascha Poisel, Thomas Meinhardt
Regie: Jochen Schölch
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Metropol Theater Die Ehrmanns
Im Herzen des deutschen Glücks
Es ist kaum zu glauben, dass es einen historischen Augenblick gab, in dem sich die Deutschen einig waren, nie wieder eine Waffe in die Hand zu nehmen, dass Bundeskanzler Ludwig Erhard, Vater des Wirtschaftswunders, von den Risiken einer neoliberalen Wirtschaft warnte, dass ein Lederball das deutsche Selbstbewusstsein (scheinbar) auf eine neue qualitative Stufe katapultierte, dass das Ignorieren der eigenen Vergangenheit so reibungslos funktionierte, …
Es ist kaum zu glauben, welche Lieder in dieser Zeit gesungen wurden, wie rasant deutsche Körperfülle expandierte und wie man bei all dem Schwachsinn den Augenschein von Glück erwecken konnte. Und doch, es ist wahr, es hat diese 50er gegeben. Friedrich Rauchbauer (Idee und Konzept) und Jochen Schölch (Szenische Einrichtung) ließen sie auferstehen, die Jahre des Aufbruchs in die deutsche Saturiertheit, die nie wieder überwunden wurde. Allein, die Wurzel sind vergessen. - Hoppla, mitnichten, wie man im Metropoltheater erleben konnte, denn neben der Fraktion derer, die mit ungläubigen Gesichtern auf die Szene starrten, gab es eine Fraktion derer, die erinnerungsselig mitschunkelten und auch -sangen. Diese Wirkung war doch höchst irritierend. Lag es nun in den Intentionen der Macher, eine Zeit auferstehen zu lassen oder mit dieser Zeit abzurechnen? Zugunsten des Theater sei unterstellt, sie taten ersteres, um das Zweite zu erreichen. Auf das fatale Ergebnis soll später noch einmal zurückgegriffen werden.
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Lilly Forgách, Susanne von Medvey, Markus H. Eberhard, Philipp Moschitz, Henriette Schmidt
© Hilda Lobinger
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Die Macher nannten es einen Liederabend. Friedrich Rauchbauer begleitete "stimmungsvoll" am Klavier. Gespielt wurde im beinahe gleichen Bühnenbild von "Frohes Fest" (Thomas Flach). Jochens Schölch arrangierte die wenigen Handlungsabläufe so, dass der Eindruck entstand, es handele sich um einen beliebigen Tag im Leben der Familie Ehrmann. So kam doch immerhin durchgängig vom Gesang begleitet eine Handlung zustande, wenn auch etwas brüchig. Nach einem gemeinsamen Frühstück träumt die Mutter Caterina Ehrmann (Susanne von Medvey) Staubsauger rollernd ihre schicklichen Sehnsüchte aus. Caterina Valente lieh ihr Text und Melodie. Tochter Cornelia (Henriette Schmidt) war verliebt, tat dies über eine Rundfunksendung kund und erhielt prompt von ihrem Peter eine Einladung zum Schulabschlussball. Mittags, Heinz Ehrmann (Markus H. Eberhard) kam zum Essen nach Hause, plante man den Urlaub. Kanada, Mexiko, Italien wurden vorgeschlagen, doch der Schwarzwald, Wohnsitz der Tante, war vom Vater bereits auserkoren. (Vielleicht Heideggers Schafe besuchen?) Man musste schließlich sparen. Dann fiel Tante Linda (Lilly Forgách), die Schwester Caterinas, ein und schuf einige Verwirrung. Da war ein Geschenk für den Hein-Simon (Philipp Moschitz), eine Platte von Jerry Lee Lewis. Für einen kurzen Moment riss der Mief unter den hämmernden Takten des Rock and Roll Pianisten auf. Vater Heinz reagierte, als wäre ihm der Teufel erschienen. Tante Linda, die den Duft der großen weiten Welt verbreitete, war angeödet und kompensierte dieses Gefühl trinkend. Dann landeten Kippen im Topf des Gummibaums. Die Reaktion war heftig und als Linda sich in den Topf des heiligen Grüns übergab, herrschte Ratlosigkeit. Man verabschiedete sie dezent und mit Nachdruck. Dann Tagesschau: Ströme von Flüchtlingen ergossen sich in die freie Welt. Adenauer beschwor eine wehrhafte Nation und Ludwig Erhard verstand es nicht, warum die Menschen so egoistisch sind. Am Ende gewann die Familie Ehrmann im Radio noch eine Weltreise. Der Jubel war unbeschreiblich und das Leben ist so schön … Die Tagesschau war letztlich der Beweis, dass es den Theatermachern nicht um eine Retro-Revue populärer Lieder ging.
"Wo gesungen wird, da lass dich nieder, böse Menschen kennen keine Lieder." Ob der Dichter eine Vorstellung hatte, was es für Lieder geben kann? Wohl kaum. Dabei leben die Künstler noch immer im Gedächtnis der Nation: Heinz Erhardt, Caterina Valente, Cornelia Froboess, Melina Mercouri. Sie waren die Helden der 50er, seicht, belanglos, einlullend … An dieser Stelle soll noch einmal auf die Tatsache zurück gegriffen werden, dass das Publikum gespalten war. Der eine Teil nahmen es pur, der andere konnten es kaum fassen. Könnte das nicht bedeuten, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil unserer Mitbürger offen ist für derartige "Künste"? Gemeint sind natürlich die Lieder, die Ästhetik der Zeit, die kaum zu beschreibende Spießigkeit im Sein und Denken. Der Verdacht liegt nahe.
So unauffällig die Sache daherkommt, es steckt viel Provokation dahinter. Die Darsteller brillierten, insbesondere Philipp Moschitz, der als Ex-Kinderstar erstaunliche Musikalität bewies. Markus H. Eberhard stach von der ersten Sekunde an als Heinz Erhardt ins Auge. Er kopierte den häufig am Rande der Albernheit agierenden Komödianten, ohne ihn zu denunzieren. Das besorgte die eigene Erinnerung. Susanne von Medvey und Henriette Schmidt gestalteten Mutter und Tochter schauspielerisch wie gesanglich souverän. Einzig Lilly Forgách als trinkende Tante konnte mit ihrer stimmlichen Gestaltung nicht immer überzeugen.
Die Meinungen über diese Inszenierung und deren Sinn werden vermutlich auseinander driften. Wenn gleich diese Produktion das Publikum nicht spalten wird, so wird die Geschichte doch polarisieren. Und damit dies auch geschieht, hier eine These: Diese Inszenierung leistet mehr Aufklärung zum Thema RAF (und warum sie entstand) als das an den Kammerspielen gegebene Stück "Ulrike Maria Stuart" von Elfriede Jelinek. Mein letzter Gedanke war identisch mit dem von Kurtz in "Herz der Finsternis" von Joseph Conrad: "Das Grauen! Das Grauen!" Wer ahnt, wovon hier die Rede ist, der sollte es sich anschauen. Es ist ein wahrlich gruseliges Kabinettstück.
Wolf Banitzki
Die Ehrmanns
Ein Liederabend über die goldenen Fünfziger Jahre
Idee und Konzept: Friedrich Rauchbauer
Markus H. Eberhard, Lilly Forgách, Susanne von Medvey, Philipp Moschitz, Henriette Schmidt Klavier: Friedrich Rauchbauer
Szenische Einrichtung: Jochen Schölch |