Kammerspiele Der Sturm von W. Shakespeare


 

 

Radikal anders und gelungen

Als Shakespeare dieses, sein letztes Stück im Jahre 1611 schrieb, war er selbst ein ästhetisches Auslaufmodell. Das italienische Theater mit seinen Illusionskünsten hielt im alten England Einzug und verdrängte die Autoren, die nur auf die gestalterische Kraft des Wortes und seines Darstellers setzten. Und wer weiß, vielleicht lag hier sogar der Beginn Hollywoods. Technisch verlangte das märchenhafte Schauspiel ein Theater, wie es das Globe-Theater in seiner Schlichtheit nicht war. Shakespeare war sich all dessen bewusst und angesichts dieser Tatsache sollte der Text, der erst zwölf Jahre später am Hof König Jakobs I. auf die technisch vermutlich aufgepeppte Bühne gelangte, mit besonderer Aufmerksamkeit gelesen werden. Es waren die letzten künstlerischen Zeilen des Genies, das danach verlosch und der Mann William Shakespeare in Stratford zum wohlhabenden spießigen Eigenheimbesitzer mutierte.

Es ist eine aufwendige Geschichte voller Irrungen und Wirrungen, unglaublicher Vorgänge und Statements, über denen eine abgründige Melancholie lastet. Diese Melancholie entspricht der Seelenlage des Autors, der, gleich Prospero, seine liebgewordene Insel räumen muss. Dabei war die Insel nur Asyl. Prospero, der Herzog von Mailand, strandete mit seiner Tochter auf diesem Eiland irgendwo zwischen Tunis und Neapel, das gleichsam ein utopischer Ort war. Er nimmt die Insel mit ihren Wesen in Besitz, unterwirft den missgestalteten Caliban und macht sich den Luftgeist Ariel dienstbar, der ihn in den Stand versetzt, die Geschicke Dank Zauberei zu gestalten. Als sich die ehemaligen Widersacher Antonio, Prosperos Bruder gemeinsam mit Alonso, König von Neapel, und Sebastian, Alonsos Bruder, nebst Anhang wie den rechtschaffenen Ratsherrn Gonzalo und den noch unschuldigen Ferdinand, Sohn von Alonso, auf der Rückreise von einer königlichen Hochzeit in Nordafrika der Insel nähern, veranlasst Prospero seinen Untertanen Ariel, einen Sturm zu entfesseln. Ein ausgeklügelter Plan voller Magie und Verwirrung nimmt seinen Lauf. Nur soviel, am Schluss gibt's ein Happy End, eines mit dem Wehmut des Shakespeareschen Abschieds vom Lebenswerk zu dessen Verkünder der Dichter den Prospero erkoren hat.
 
   
  Hildegard Schmahl, Wolfgang Pregler

© Arno Declair

 

Es ist ein märchenhaftes, philosophisches, politisches, menschliches und unmenschliches Stück. Es ist zugleich ein Stück, das der Fantasie eines Regisseurs beinahe unendlichen Raum lässt. Stefan Pucher wusste diesen genussvoll und rotzig-radikal zu nutzen. Er schuf nicht nur große und überzeugende Bilder, sondern griff gleichsam durch eigene Bearbeitung - mehr als mutig - in den Text ein. Die sprachliche Bearbeitung - eine Verfeinerung war es nicht gerade - geschah um den Preis der Verhinderung sentimentaler oder gar kitschiger Posen, wie sie sich gerade in Shakespeares Märchenspielen gelegentlich einschleichen können. Pucher scheute nicht davor zurück, die Schauspieler aus den Rollen aussteigen zu lassen, um ihnen Raum für erhellenden Kommentar zu geben. So entgegnete Wolfgang Pregler als Ariel auf das Lob seines Herrn: Unangenehm an der Sache sei, dass man dabei so bescheuert aussehe. (Kostüme: Annabelle Witt) Und da er in der Tat herrlich bescheuert aussah, zollte das Publikum berechtigten Beifall. Dennoch muss dieser Inszenierung bescheinigt werden, dass Shakespeare allgegenwärtig war und nicht unter Druck geriet. Vielmehr entfalteten gerade die Passagen, in denen die Sprache des Dichters über das Spiel hinaus hörbar wurde, eine wundervollen Zauber.


Barbara Ehnes griff für ihr Bühnenbild eine Schlüsselidee zum Verständnis der Figur des Prospero auf. Der nämlich liebte Bücher mehr als alles andere, selbst mehr als sein Fürstentum. Darum verlor er es auch. Und weil das Geistige dem Pragmatischen der Realität so entgegensteht, ist das als Buch mit umschlagbaren Bildseiten konzipierte Bühnenbild die alles beherrschende Metapher. In der Ankündigung der Münchner Kammerspiele heißt es: "Prospero agiert wie ein Wissenschaftler, der mit Hilfe von schwarzer Magie, wie auch gesellschaftstheoretischen Erkenntnissen seine Allmacht unter Beweis stellt. Die Frage ist allerdings: Was existiert nur im Kopf Prosperos und wo ist die Grenze zwischen Gedankenwelt und Realität zu ziehen?"

Stefan Pucher und seine komödiantischen Mitstreiter beantworten diese Fragen letztlich nicht und bewahren somit den Reiz des Vagen, der letzten Geheimnisse, die aus der menschlichen Fähigkeit zum Versagen herrühren. So gelang, was Vorsatz war: "Es ist ein Spiel, eine Art Verhaltenslabor, das im Zusammentreffen unterschiedlicher sozialer Gruppen und Typen einen Cultural Clash in Gang setzt." (Ankündigung der Münchner Kammerspiele) Es gelang zudem auf unterhaltsame und kurzweilige Weise. Die Akteure in diesem Reigen zu loben, ist im einzelnen kaum möglich. Die Inszenierung zeichnete sich sowohl durch exzellentes Ensemblespiel, als auch durch die Fähigkeit jedes einzelnen Darstellers aus, der jeweiligen Figur eine besondere - eine wirklich besondere - Haltung und ein ungewöhnliches Antlitz zu verleihen. Allen voran selbstverständlich Hildegard Schmahl, deren Prospero nicht nur eine Rollengestaltung war, sondern ein theatralisches Ereignis.

Bei allem Lob soll doch auf einen Vorgang verwiesen werden, auf den bereits hingedeutet worden ist mit der Aufforderung, diesen Text mit besonderer Aufmerksamkeit zu lesen. Gemeint ist die Rede des Gonzalo im 2. Aufzug, 1. Szene, in der er einen Gegenentwurf, und zwar einen absolut konsequenten Gegenentwurf zu allen bislang bestehenden Gesellschaftsmodellen entwickelte. In beinahe alle Inszenierungen und hier nimmt sich die an den Münchner Kammerspielen nicht aus, wird diese Rede als schwärmerische Narretei aufgefasst. Sie wird mit Zynismus abgetan und verursacht nur Langeweile bei den Antagonisten. Man bedenke noch einmal, dass es das letzte Stück von Shakespeare war; man bedenke weiterhin, dass die Erinnerung an Thomas Morus (Autor des Buches "Utopia") noch nicht verblasst war und man bedenke zudem noch, dass in allen sekundären Schriften zu "Der Sturm" von der Unvermitteltheit (gelegentlich auch Grundlosigkeit) dieser Passage die Rede ist. Was ist also ihr Sinn? Der Sinn ist, dass Shakespeare seinen letzten Text nutzte, um seine Utopie zu formulieren. Es ist eine der verwegensten, aber zugleich hoffnungsträchtigsten überhaupt. Man stelle sich einmal vor, er habe den ganzen Sturm nur für diese wenige Sätze entfesselt. Immerhin haben derartige Sätze schon gewaltige Stürme initiiert! Leider glaubte ihm auch in den Münchner Kammerspielen niemand. Man hielt es von Seiten der Theatermacher wie auch von Seiten des Publikum für eine surreale Attitüde. Schade.



Wolf Banitzki

 

 


Der Sturm

von W. Shakespeare

Hildegard Schmahl, Wolfgang Pregler, Katharina Schubert, Oliver Mallison, Walter Hess, Jörg Witte, René Dumont, Peter Brombacher, Thomas Schmauser, Stefan Merki, Bernd Moss, Joy Maria Bai, Annika Olbrich, Julia Schmelzle

Regie: Stefan Pucher

Kammerspiele Mamma Medea von Tom Lanoye


 

 
Mamma Medea - ein verblüffend menschlicher Mythos

Es ist bestimmt die grauenvollste Geschichte der antiken Mythologie, die unfassbarste durch all die Jahrhunderte … Ist sie das wirklich? Grauenvoll ja, doch wohl nicht unfassbar, denn immerhin fand man gerade in der Woche zwischen dem ersten und zweiten Advent acht Kindsleichen in unserem so wohlgeordneten Land, getötet von den Müttern! Also lassen wir einmal das Unfassbare beiseite. Wäre es wirklich so unfassbar, würde es nicht fast täglich (Laut Statistik: durchschnittlich 244 im Jahr!) geschehen. Die Zeiten sind zu allen Zeiten die gleichen geblieben, wie ein Zitat von Pestalozzi aus dem 19. Jahrhundert beweist: "Kindermord! Träum ich oder wach ich? Ist sie möglich, die Tat? Geschieht sie? Geschieht das namenlose - nein, nicht das namenlose, das genannte, das in Wort gebrachte Verbrechen? Verhüll dein Antlitz, Jahrhundert! Beug dich nieder, Europa! Von deinen Richterstühlen erschallt die Antwort: Zu Tausenden werden meine Kinder von der Hand der Gebärenden erschlagen."

Die Geschichte der Kindermörderin Medea dürfte hinlänglich bekannt sein, denn Euripides Drama zum Thema wird häufig genug gespielt. Hinzu kommen zahllose Literaturadaptionen. Für diejenigen, welche die Geschichte dennoch nicht kennen, hier ein Kurzdurchlauf: Jason, griechischer Königssohn aus Jolkos, fordert sein Recht auf den Thron bei seinem Onkel Pelias ein, der ihn sich durch Putsch angeeignet hat. Dieser ist unter der Voraussetzung zum Thronwechsel bereit, dass Jason das Goldene Vlies beschafft. Es ist eine tödliche Falle für den jungen Nebenbuhler. So beginnt die Reise der Argonauten nach Kolchis, dem "Barbarenland". Medea, Priesterin und Königstochter, verliebt sich in Jason und ist ihm beim Diebstahl des goldenen Widderfells behilflich. Dabei verrät sie Staatsgeheimnisse und tötet Ihren Bruder. Jason macht sie, damit die Flucht gelingen kann, zu seiner Frau. Zurück in Jolkos bricht Pelias sein Versprechen. Medea nimmt Rache und Pelias stirbt durch die Hand der eigenen Töchter. Wieder auf der Flucht vor der rachsüchtigen Familie des Pelias finden beide Unterschlupf in Korinth bei König Kreon. Der hat eine schöne Tochter, Glauke oder auch Kreusa. Jason sucht eine Allianz mit Kreon, will dessen Tochter ehelichen, um seinen Sozialstatus zu verbessern. Er lässt Medea fallen, die auf Rache sinnt und schließlich Kreon, Glauke und ihre eigenen Kinder tötet, um Jason tödlich zu treffen. Dann flieht Medea nach Athen zu König Ägeus. Soweit die Geschichte unter Weglassung der Nebenfiguren.
 
   
 

Sandra Hüller, Steven Scharf, Sebastian Weber, Lasse Myhr

© Arno Declair

 

Jeder Versuch, die Geschichte Medeas neu zu erzählen, zielt immer auch darauf, dem scheinbar "namenlosen" einen Namen zu geben. Nicht so Tom Lanoye in seiner Fassung "Mamma Medea". Sein Themenspektrum ist wesentlich größer als die Frage nach dem "namenlosen". In einer wuchtigen archaischen Sprache, die verwandt scheint mit der eines Homers, erzählt er eine sehr heutige Geschichte. Er greift kaum ein in die überlieferte Handlung und schafft es dennoch, sie der Mythologie zu entreißen, in dem er mittels sprachlicher Ausstiege die Protagonisten zu heutigen Menschen macht. Alltagssprachliches, zum Teil sehr Banales findet menschlichen, allzumenschlichen Ausdruck.

Und weil Autor Lanoye im Text einer bestechenden Logik der Gefühle folgt, wirkte das ganze auf der Bühne überaus schlüssig und glaubhaft. Dabei tat es dem künstlerischen Anspruch keinen Abbruch, denn Regisseur Stephan Kimmig fand immer eine artifizielle Haltung oder szenische Umsetzung des heutigen Gefühls. Und es bedurfte einer Menge von Einfällen, der Vielschichtigkeit des Textes, der Vielzahl der gedanklichen Ansätze gerecht zu werden. So wurde das Thema "Fremdsein" oder "Entwurzelung" ebenso wirkungsvoll ausdiskutiert wie die "Selbstbefreiung", das "Frausein" der Medea oder der gesellschaftliche und zugleich geschäftliche Pragmatismus des Jason.

Sandra Hüller gestaltete eine quirlige Medea, deren Zorn nicht göttlich, deren Weiblichkeit nicht mythisch und deren Handlungen nicht der "Vorzeit" entlehnt waren. Sie agierte als Weib aus Fleisch und Blut, im Beginn sehnsuchtsvoll und auch kindlich, später enttäuscht und am Ende zu allem fähig in ihrer Verzweifelung. Steven Scharf dominierte die Szene als Jason. Selten konnte man einen so kraftvollen Anführer der Argonauten erleben wie in dieser Inszenierung. Der physisch große Schauspieler wuchtete Gewaltakte wie die Tötung des Apsyrtos, Medeas Bruder, ebenso eindrucksvoll und überzeugend wie die zärtlichen Momente. Dabei hinterließ er immer ein Quäntchen Zweifel an der Aufrichtigkeit des Jason. Nie wurde sein Spiel eindeutig, nie bloße Darstellung einer physischen Figur. Sebastian Weber als Telamon/Fitnesstrainer und Lasse Myhr als Idas/Putzfrau kam die Aufgabe zu, die menschlichen Aspekte einzufordern. Sie spielten Opportunismus, auch Feigheit, gesellschaftliche Konventionen und im entscheidenden Augenblick auch den Verrat. Die dabei entstandene Komik machte sie nie lächerlich, sondern glaubhaft. Hans Kremer darf im Reigen der exzellenten Darsteller nicht vergessen werden. Als Aietes, Vater von Medea, gestaltete er, der alles verlor durch die Handlungen Medeas, das archaische, mythische Element und gemahnte den Zuschauer daran, dass hier eine über die Zeiten hinaus gehende Geschichte gespielt wurde.

Die Ausstattung des Stückes beförderte das Konzept der Regie. Katja Haß hatte eine Drehbühne geschaffen, die mit Teilen von Wänden bestückt war. Nur selten bot sich dem Zuschauer ein gleich bleibendes Bild, da die Bühne fast immer in Bewegung war, die fortwährende Flucht von Medea und Jason versinnbildlichend. Anja Rabes hatte die Darsteller in Anzüge und Kleider gesteckt, die nicht ablenkten. So konzentrierte sich alles auf das Spiel, das bis weit ins letzte Drittel hinein voller Überraschungen war. Dann jedoch musste Sebastian Weber als Fitnesstrainer den Tod von Glauke und Kreon beschreiben. Er tat dies, indem er höchste seelische Not spielte und hier wurde es nicht nur langatmig, sondern leider auch ein wenig peinlich. Die Kargheit der Gestaltung, der epische Ansatz der Darstellung kippte. Schade, zumal diese Szene so überflüssig war wie ein Kropf. Schade war auch das Ende des Stückes, dass durchaus überraschend ist, aber dann doch ein wenig kleinformatig ausfällt. Es soll keinesfalls verraten werden, denn diese Inszenierung ist unbedingt sehenswert und lebt von den Überraschungen. Das Premierenpublikum honorierte die Inszenierung und das Spiel der Darsteller mit einer Vielzahl von Bravos und nicht enden wollendem Applaus. Zu Recht! Diese Inszenierung wird im Gedächtnis der Zuschauer haften bleiben.


Wolf Banitzki

 

 

 


Mamma Medea

von Tom Lanoye

Sandra Hüller, Steven Scharf, Hans Kremer, Sebastian Weber, Lasse Myhr, Lena Lauzemis, Caroline Ebner, Jonas Schmid, Simon Kirsch, Kinder: Max Gicklhorn, Thomas Gicklhorn / Firmian Fischer, Leon Kitzbichler

Regie: Stephan Kimmig

Kammerspiele Schnee nach Orhan Pamuk


 

 

Der wahre Herrscher heißt Hass

Unlängst führte ich in einer gemütlichen Münchener Kneipe ein Gespräch mit einem mittelständischen deutschen Unternehmer, dessen Textilfirma in der Türkei Kleidungsstücke nähen lässt. Auslöser des Gesprächs war die Abschaffung des Kopftuchverbots an türkischen Hochschulen. Er feixte angesichts dieser Meldung in sich hinein. "Die Türken verbauen sich den EU-Beitritt immer mehr." Ich fragte erstaunt zurück: "Sind Sie gegen einen Beitritt der Türkei zur EU?" Er: "Klar doch!" Ich, meinerseits: "Aber Sie lassen in der Türkei arbeiten." Er grinste breit: "Eben drum. Wenn die Türken in die EU kommen, werden die Löhne auch in Anatolien unweigerlich steigen." Ich war verblüfft und fragte zurück: "Wer sollte denn Ihrer Meinung nach in die EU?" Ohne zu überlegen antwortete er: "Die Länder in denen sich die Bevölkerung meine Klamotten kaufen können." "Also zum Beispiel Kuweit." Er lachte: "Das wäre doch mal eine gute Idee!" Ich fragte den Wirt, einen Türken, der unser Gespräch verfolgt hatte, was er von einem baldigen Beitritt halte? Auch er lächelte und winkte ab. "Mann, wir sind doch schon da."
Diese surreal anmutende Szene war sehr aufschlussreich.

Aufschlussreich war ohne Zweifel auch die Inszenierung von Orhan Pamuks Roman "Schnee" in den Münchner Kammerspielen. Dort wurde die Geschichte eines türkischen Dichter mit dem Spitznamen Ka erzählt. Der war nach Kars gereist, um über eine Reihe von Selbstmorden junger Frauen zu berichten. Dieser Grund war jedoch mehr ein Vorwand, denn der in Frankfurt lebende Künstler hatte erfahren, dass seine Jugendliebe mit Namen Ipek geschieden und also wieder frei war. Unvermittelt gerät er in dem verschneiten ostanatolischen Städtchen in einen Militärputsch. Der Aufstand findet in einem Theater, einem Volkstheater statt. Anführer ist ein gewisser Sunay Zaim, einst gefeierter Staatsschauspieler und inzwischen aufs Abstellgleis verfrachtet. In einem Anflug von Größenwahr hatte er öffentlich verlautbaren lassen, dass er durchaus im Stande wäre, den Propheten selbst in einem Film darzustellen. Der Kampf zwischen Laizisten (Menschen mit säkularen Bestrebungen) und Islamisten fordert viele zumeist unschuldige Opfer. Ka versucht zu vermitteln. Seine eigene, angesichts der Vorgänge sehr gesunde Feigheit hilft ihm nicht. Vier Jahre später ereilt ihn in Frankfurt eine Kugel, abgefeuert von grenzüberschreitendem Hass.
 
   
 

Bernd Moss

© Arno Declair

 

Der Roman Pamuks leistet ein gewaltiges Maß an Aufklärung, an dessen Ende die These steht: Es geht nicht um Links oder Rechts, um den Islam oder das Christentum, um den ethnischen Unterschied, sondern es geht um oben und unten, um reich oder arm.

Regisseur Lars-Ole Walburg gelang gemeinsam mit Malte Jelden kein Bühnenstück, doch zumindest ein großer Szenenreigen, der die Detailopulenz des Romans erahnen lässt.

Die Geschichte wurde in den Grundzügen deutlich und das Wesentliche der Vorgänge szenisch erzählt. Auf der Bühne der Kammerspiele türmte sich ein Berg aus Bildschirmen, die die Handlung sinnreich illustrierte und gleichsam verfremdete. ‚Wir reden und sehen fern, und während wir reden sehen wir fern, und während wir fern sehen reden wir.' Vielmehr hielt Bühnenbildner Robert Schweer kaum für nötig, einen Stuhl, einen Sessel, ein Sofa, einen Tisch.

Die Menschen in Kars, denen die Segnungen der westlichen Zivilisation vorenthalten geblieben waren, dämmerten in ihren verblassenden Träumen dahin. Necip, ein junger Mann, träumt davon, ein islamischer Science-Fiction Schriftsteller zu werden. Sebastian Weber agierte schmerzverzerrt und verängstigt, denn schon der Traum hat Gefahrenpotenzial. Annette Paulmann gab eine selbstbewusste Ipek, die noch nie in ihrem Leben an ein erträumtes Ziel gekommen war. Auch die Liebe zu Ka blieb nur Möglichkeit, ungelebt. Kadife, ihre Schwester, wünschte sich ein ganz normales Leben. Tabea Bettin agierte kraftvoll, geradezu laut, in einer Welt, in der sich Frauen besser unsichtbar machen sollten. Kadife sitzt einem Mann auf, der fundamental-islamische Werte predigt und der seinem Ego auf jede erdenkliche Weise Nahrung gibt. Bernd Grawerts Lapislazuli ist ein Mann der seelischen und familiären Entwurzelung, der den Hass braucht wie das tägliche Brot. Sein Gegenspieler wird von Hans Kremer gespielt. Der Schauspieler Sunay Zaim ist der klassische Rebellenführer mit faschistoiden Zügen. Er gehört zu den machohaften, sich selbst überschätzenden Männern, denen nur noch die Gewalt bleibt, um auf sich als etwas besonderes aufmerksam zu machen. Bin Ladens Biografie drängt sich an dieser Stelle geradezu auf. Kremers Darstellung ist beängstigend, wenn er erst seine verlogenen Phrasen mit Theatralik verkündet und als Unterstreichung die Kalaschnikow effektvoll bellen lässt. Und zwischendrin Ka, sensibel und mit Anflügen von Komik gestaltet von Bernd Moss. Ka findet in die Heimat ebenso wenig zurück, wie er jemals in Frankfurt angekommen ist. Vereinsamt und voller Sehnsucht nach menschlicher Liebe, einem kleinen Glück, ist er von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Lars-Ole Walburg inszenierte weitestgehend unspektakulär, wenn man einmal vom Abfeuern einer Kalaschnikow absieht. Die Geschichte passiert die Bühne ohne das Verwirrung aufkommt. Seine Schauspielführung war äußerst solide. Heraus kam (endlich) einmal wieder eine Inszenierung, die Betroffenheit auslöst, ohne Befindlichkeiten zu beflügeln. Dabei kann getrost darüber hinweg gesehen werden, dass es kein Theaterstück war. Der Zuschauer konnte Einblick in eine Gesellschaft nehmen, die in ihren Bestrebungen historisch an einem Punkt ist, den das westliche Europa vor vierhundert Jahren überwand. Traurig stimmt es, von der Bühne herab glaubhaft erfahren zu müssen, dass nur halbherzig nach Lösungen gesucht wird und die öffentliche Meinung mit Lügen, Halbwahrheiten und tendenziösen Bildern vergiftet wird.
Doch, wie gesagt, es geht um arm oder reich. Damit sei noch einmal auf das eingangs beschriebene Gespräch verwiesen. Mir stellt sich die Frage, welche Partei der an Gewinnen orientierte mittelständische Unternehmer unterstützen würde, wenn er Gelegenheit dazu hätte?


Wolf Banitzki
 

 

 


Schnee

nach Orhan Pamuk

Deutsch von Christoph K. Neumann
Bühnenfassung von Lars Ole Walburg und Malte Jelden

Bernd Moss, Annette Paulmann, Tabea Bettin, Jochen Striebeck, Bernd Grawert, Hans Kremer, Sebastian Weber, Wolfgang Pregler

Regie Lars-Ole Walburg

Kammerspiele Hass nach dem Film von Mathieu Kassovitz


 

 

Der Fun-Faktor des Elends

Drei Kids zelebrieren ihre alltäglichen Rituale. Sie entstammen drei unterschiedlichen Ethnien. Doch das spielt keine Rolle mehr, denn sie sind alle gleich, gleich im sozialen Status. Sie sind ausgestoßene, zu menschlichem Müll deklassierte und in den zivilisatorischen Müll verfrachtete "Mit"-bürger. Mitbürger? Ja, sicher doch, denn sie sind Konsumenten, der einzige gemeinsame Nenner von heutigen Mitbürgern in der spätkapitalistischen Gesellschaft. Die materiellen Sehnsüchte bleiben allerdings ungestillt, denn am gesellschaftlichen Reichtum können sie nicht teilhaben. Sie haben keine Ausbildung, keine Arbeit usw. Diese abgedroschenen sozialpsychologischen Gemeinplätze bedürfen keiner weiteren Aufzählung. Aber sie können immerhin teilhaben am geistigen Reichtum dieser auf jede "willkommene" Befindlichkeit reagierenden Sozietät, am Fernsehen. Daher glauben diese jungen Menschen auch an die Bilder und deren Macht.
"Wir haben gewonnen", sagte einer der Jugendlichen in eine der Fernsehkameras, "weil die Welt auf uns geschaut hat, weil die Polizei kam, und weil der Bürgermeister erstmals aus seinem Rathaus kam". (Zitat Website Kammerspiele) Was haben die Jugendlichen mit dem Bürgermeister besprochen? Haben sie Pläne gemacht, die Situationen zu ändern? Wer will das wissen! Brennende Autos sind allemal spannender!

Es ist heute möglich, einhundert oder tausend Stunden am Tag, der bekanntlich nur vierundzwanzig Stunden hat, Gewalt zu säen. Es wird getan. Die neuen Helden heißen gemeinhin "Dirty Harry" und haben das Gesetz in die eigenen Hände genommen. Und weil sie vorgeführt werden, sind sie. Vorbei die seligen Zeiten, als es noch Gut und Böse gab. Der Gute wurde einstmals daran gemessen, was er für die Gesellschaft tat. Der Böse, heute der vermeintlich "Gute", handelte egoistisch und wider das Gesetz. Wen wundert es da noch, wenn die Kids, die ihre Sozialkunde gleich Segnungen von der Action-Filmindustrie empfangen, diesen Helden gleichen wollen.
 
   
 

Brigitte Hobmeier, Katja Bürke, Katharina Schubert

© Arno Declair

 

"Ich komme ohne Hass morgens gar nicht mehr hoch …" Dieser "Hass ist genau genommen kein Syntagma mehr, sondern ein Logo, eine Art Etikett, so wie die Graffiti zum Ausdruck brachten: ‚ich existiere', ‚ich lebe hier und da'". (Zitat Programmheft Kammerspiele) Und so ist denn dieser Hass zum existenziellen Mittelpunkt des Arabers Saïd, des Juden Vince und des Afrikaners Hubert im Pariser Banlieue geworden. Regisseur Sebastian Nübling, der neben Julia Lochte und dem Ensemble auch für die Spielfassung verantwortlich zeichnete, brachte das Chaosdrama überaus effektvoll auf die Bühne der Kammerspiele. Sogar eine Geschichte gab es. Die ist allerdings mit drei Sätzen erzählt. Einer der vier Freunde, der 16-jährige Abdel, ist bei den Unruhen in der Vorstadt durch die Polizei lebensgefährlich verletzt worden und liegt im Krankenhaus. Einer der Polizisten verlor beim Einsatz seine Waffe, die Vince fand. Sollte der Freund sterben, will Vince damit einen Polizisten töten, um "das Gleichgewicht wieder herzustellen". Die Inszenierung wollte aufrütteln. Die mangelhafte oder gar nicht stattfindende Migration der ausländischen Mitbürger ist eine Zeitbombe, wollte diese Inszenierung sagen. Vielleicht sagte sie es auch, doch wenn, dann ging diese Botschaft in Heiterkeit unter. Nübling konfrontierte das Publikum mit drei kindlich clownesken Figuren, die zuallererst "echt cool" waren. Sie waren so "cool", dass insbesondere das jugendliche Publikum hemmungslos amüsiert war. Gespielt wurden die Knaben von den Schauspielerinnen Katja Bürkle (Hubert), Brigitte Hobmeier (Vince) und Katharina Schubert (Said). Allen Darstellerinnen gebührt höchstes Lob. Mit einem enormen körperlichen Einsatz und exzellenter Sprachgestaltung schufen sie sehr differenzierte Figuren, deren kindliche Charaktere, geprägt durch Comichelden und innere Zerrissenheit, immer wieder in den Vordergrund traten. Der Text, überreich an sozialdeterminierten Floskeln und daher sehr authentisch, zeugte nicht zuletzt vom großen kreativen Potenzial dieser ausgegrenzten Jugendlichen. Leider war er zu authentisch, zu wenig künstlerisch gebrochen und daher nur oberflächlich effektvoll. Der Film "Hass" von Mathieu Kassowitz ist eben kein Theater und lässt sich folglich nicht so ohne weiteres auf die Bühne bringen.


Ausstatterin Muriel Gerstner hatte ein sehr zweidimensionales aber hinreichend erklärendes Bühnenbild geschaffen. Der Schlund einer Müllkippe erbrach zahllose Kartons in die Welt der Jugendlichen. In diesem Müll organisierten sie ihr Leben. Am Ende wird der Müll übermächtig und verschlingt die Protagonisten in ihren Bugs Bunny-, Jerry- und Pinocchio-Kostümen.

Der Besuch dieser Inszenierung garantiert einen kurzweiligen Abend. Doch ob es auch ein guter Abend ist, bleibt offen. Mittels einer sehr vordergründigen Ästhetik und verführerisch guter darstellerischer Leistungen wird ein Thema angegangen, das, ob zu Recht oder zu Unrecht, zu einer existenziellen globalen Schlüsselfrage avancierte. Es geht nicht zuletzt um den Tod eines jungen Menschen, der mehr oder weniger in Heiterkeit untergeht. Sebastian Nübling muss sich an dieser Stelle fragen lassen, ob die Mittel dem Gegenstand gerecht werden. Leider war hier der Kniefall vor dem Zeitgeist, um jeden Preis mit (lustigen) Bildern unterhalten zu müssen, nicht zu übersehen. Eine Hilfe für das Publikum, sich ein klares Bild von der Problematik machen zu können, war diese Inszenierung nicht.

Angesichts des gesellschaftlichen Kontextes, in dem diese Inszenierung wahrgenommen wird, stellt sich überhaupt die Frage, ob irgendwer an Antworten interessiert ist. Selten ließ sich ein Konflikt, wie der um unsere ausländischen Mitbürger, so gut instrumentalisieren. Er taugt für Wahlkampf, repressive Maßnahmen in den Sozialsystemen, Schaffung von allgemeiner Unsicherheit etc. und er spaltet die Gesellschaft, die um so leichter regierbar wird. Es wird eine Endlosdebatte von zwei Positionen aus geführt, die des Ethnokitsches, die Gewalttäter in die Arme schließt, und die der Staatsräson, die selbige Täter, die zugleich Opfer sind, aufs Haupt schlägt. Läuft doch eigentlich ganz gut und lenkt von den wirklichen Problemen ab, die uns unweigerlich einholen werden.

Wenn die Münchner Kammerspiele sich brisanter politischer Themen annehmen, ist das durchaus lobenswert. Allerdings sollten sich die Mitarbeiter bewusst sein, dass es sich um ein Theater handelt, an das gewisse Anforderungen gestellt werden. Und sie sollten sich zu einer Haltung durchringen und nicht ins allgemeine Geschwafel einstimmen. Es ist schwer zu glauben, dass die Prämissen bei den Theatermachern so sind, wie sie erscheinen, wenn im Internet über die Vorgänge im November 2005 in Frankreich berichtet wird: "10.000 Autos gingen damals in Flammen auf, die Schäden beliefen sich auf 250 Millionen Euro, 5.000 Jugendliche wurden verhaftet, 600 verurteilt." Man betrachte einmal genau die Reihenfolge der aufgezählten Schäden.

 
Wolf Banitzki

 

 


Hass

nach dem Film von Mathieu Kassovitz

In einer Fassung von Sebastian Nübling, Julia Lochte und Ensemble

Katja Bürkle, Brigitte Hobmeier, Katharina Schubert

Regie: Sebastian Nübling

Kammerspiele Zur schönen Aussicht von Ödön von Horváth


 

 
Aussichtslos

Wie sich die Zeiten gleichen. Horváths Stück "Zur schönen Aussicht" entstand 1926, in einer Zeit, die geprägt war vom Wandel und der Auflösung gewohnter Strukturen in der Gesellschaft, und dies geht stets einher mit Wirtschaftskrisen und der Verelendung großer Teile der Bevölkerung. Auch die Globalisierung und die propagierte neoliberale Weltordnung heben alte Ordnungen auf. In solchen Zeiten gibt es nur einen Gott, der da heißt Geld und er zwingt die Menschen in sein Gebet.

Ein wenig heruntergekommen ist es schon, das Hotel "Zur schönen Aussicht", in dem sich Menschen eingefunden haben, für die es kaum "Aussicht" mehr gibt und "schöne" schon gleich gar nicht. Hoteldirektor Strasser setzt auf seinen einzigen zahlenden Gast, Ada Freifrau von Stetten, eine Halbweltdame, deren Aufenthalt seinen Ruin nur kurzfristig hinausschiebt. Es ist auch ein Ort, an dem jeder von der Vergangenheit lebt, sie vor sich herträgt und sich in ihr sonnt. Strasser war ehemals Offizier und als Schauspieler ein Fünkchen in der Filmindustrie. Der Kellner Max war poetischer Kunstgewerbler. Karl, Adas Chauffeur, betätigte sich als Schieber in Portugal und da ist noch der Sektvertreter Müller, der vergeblich Geld einzutreiben versucht und sich auch ganz gerne mit dem Generaldirektor Müller verwechseln lässt. Hierher kommt auch Emanuel von Stetten, der Bruder Adas, den nur noch der Titel über Wasser hält und der die letzte Kugel schon bei sich trägt. In diese Idylle platzt Christine, ein Gast aus dem Vorjahr, deren Affäre mit Strasser nicht ohne Folgen blieb. Briefe schrieb sie ihm, unzählige, die der Erheiterung der Gesellschaft dienten, doch die nie beantwortet wurden. Die Männer rotten sich zusammen, lassen Strasser "nicht im Stich". Jeder will Christine nun näher gekannt haben. Das Anständige wird verlacht, man treibt seinen Spaß damit und bleibt letztlich doch selber auf der Strecke. Denn Gott half Christine.
 
   
 

Peter Brombacher, Edmund Telgenkämper, Jochen Noch, Lena Lauzemis

© Arno Declair

 

Christine: "... ich wäre noch gestern vielleicht gar ins Wasser gegangen, hätte mir nicht der liebe Gott geholfen." Strasser: "Was verstehst du unter "lieber Gott?" Christine: "Zehntausend Mark."

Ada beantwortet die Frage nach Wahrheit und Anständigkeit mit zwei kurzen Sätzen, die doch für alle Beteiligten Geltung haben: "Ich bin nämlich eigentlich ganz anders. Nur komme ich so selten dazu." Auch sie hat Gott Geld fest im Griff.

Charaktere, wie Horváth sie schuf, gibt es heute nicht mehr. Die Menschen haben sich geändert, doch die Inhalte und Texte der "Neuen Menschen" sind die der alten. Es ist nun nicht mehr menschliches Gespräch, sondern Kommunikation um Geld, die stattfindet. Laut und rotzig schrien die Darsteller einander auf der Bühne zu.

Das Hotel "Zur schönen Aussicht" war Ort für Depression, Stagnation und Apathie. Bühnenbildnerin Maria-Alice Bahra hatte diese Wesenheiten in das Bild einer riesigen Bar mit abgewohntem Mobiliar, sowie einer dicken Wolke Zigarettendunstes gestellt. Es war ein Ort der Vergessenen, da durch die Klimakatastrophe die Gäste ausblieben (Man beachte die Weitsicht Horváths).

Der Kellner Max, grandios vielschichtig auf die Bühne gebracht von Peter Brombacher, war der einzig menschlich anmutende im Spiel. Berührend komisch machte er sich auf die Suche nach seinen Schuhen, oder näherte er sich mit Blumenstrauß Christine. Max Text enthielt noch Reste von Moral. Gundi Ellert gab ausgesprochen glaubhaft eine alkohol- und männersüchtige Ada, die über weite Strecken nur auf der Theke oder unter den Stühlen lag. Wie überhaupt der Alkohol die Szene bestimmte und im Köpfen von Sektflaschen fanden sich die Akteure um einen Tisch. Es wurde unverbindlich verbindlich, wobei es denn mehr um Saufen, denn um Trinken ging. Müller, der Sektvertreter, wurde dargestellt von Jochen Noch. Hartes Stakkato kennzeichnete seinen Vortrag, der typisch deutschen Figur in Horváths Werk. Dies reichte jedoch nur bedingt für eine glaubhafte Charakterisierung. Die Rolle des Hoteldirektors Strasser war weitgehend zurückgenommen worden und Thomas Schmauser agierte vornehmlich aus der Defensive heraus, wie ein weidwundes Tier. In seiner Figur hatte das Wort Schmierigkeit Gestalt angenommen. Mit körperlichem Aktionismus wurde nicht gespart und mit Christine und Ada auch schon mal der Boden gewischt. Lena Lauzemis gestaltete ihre Rolle als Christine ganz im Sinne Horváths. Unschuldig naiv widerstand sie dem perfiden Gesellschaftsspiel. Die Fußwaschung ihrer Peiniger war der Versuch ein religiöses Moment in die Geschichte zu bringen, wirkte aber letztlich nur abgeschmackt.

Die Regie versuchte mit dieser Inszenierung den Spagat zwischen Unterhaltung und Gesellschaftskritik, was ästhetisch nicht immer gelang und an einigen Stellen auch zu Längen im Stück führte. Die fehlende Entscheidung für eine klare Position rächte sich im Ergebnis. Das Konzept, durch Überziehung einzelner Passagen gesellschaftskritisch zu wirken ging nicht auf. Das Publikum reagierte polarisiert - Applaus für die Darsteller, Buh-Rufe für die Regie.



C.M.Meier

 

 


Zur schönen Aussicht

von Ödön von Horváth

Peter Brombacher, Edmund Telgenkämper, Jochen Noch, Thomas Schmauser, Stefan Merki, Gundi Ellert, Lena Lauzemis

Regie: Christiane Pohle
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